Die Diskussion um die Effektivität der Mehrwertsteuersenkung für den Einzelhandel ist in vollem Gang. Profitieren Anbieter von höherwertigen Produkten, wie beispielsweise Juweliere? Nein, sagt Joachim Dünkelmann vom Juwelierverband.
„Wir spüren kein Wachstum“, sagte Dünkelmann im Gespräch mit „Blickpunkt Juwelier“. Der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Juweliere, Schmuck- und Uhrenfachgeschäfte (BVJ) kann im Markt keinen nennenswerten Impuls ausmachen, der durch die Senkung der Mehrwertsteuer ausgelöst sei. Viele Juweliere würden diesen Schritt begrüßen. Es komme schon mal vor, dass die Kunden dadurch ein Pärchen Ohrringe zur Kette dazu kaufen. Es sei allerdings fraglich, ob Kaufimpulse dadurch ausgelöst würden, so Dünkelmann. Er widerspricht damit der Einschätzung des Handelsverbands (hier), der davon ausgeht, dass Anbieter höherwertiger und langlebiger Produkte stärker von der Steuersenkung profitieren würden. Dünkelmann: „Die Antwort auf die Frage, ob die Senkung der Mehrwertsteuer neue Kaufimpulse auslöst oder nur Impulse für einen vorgezogenen oder verlagerten Einkauf gibt, kann heute noch nicht beantwortet werden.“ Er geht davon aus, dass diese Antwort in preisaggressiveren Branchen wie etwa dem Lebensmittelhandel, deutlicher zum Tragen komme – spätestens wenn im Januar die Preise wieder hochgezeichnet würden. Denn: Zwar habe der Lebensmittelhandel von der Coronakrise profitiert, doch die großen Märkte hätten einen Preiskampf angezettelt. An vorderster Front standen die Discounter Aldi und Lidl. Die gaben die Mehrwertsteuersenkung nicht nur weiter, sondern senkten zusätzlich noch die Preise, um ihr Preisimage zu stärken. Lidl beispielsweise zog die Steuersenkung auf eigene Kosten eine Woche vor. Aldi senkte die Lebensmittelpreise nicht nur um zwei, sondern um drei Prozentpunkte.
Nach Einschätzung Dünkelmanns seien die Umsätze fast aller Juweliere noch unter Vorjahresniveau. Die Umsätze der Wochen des Lockdowns seien weg und nicht wieder aufholbar. Gefühlt laufe es allerdings im hochwertigen Bereich derzeit besser als in der Mitnahmepreislage.
Genau dieselbe Entwicklung nimmt Dünkelmann auch in „seiner“ zweiten Branche wahr. Er ist stellvertretender Geschäftsführer des Handelsverbands Technik (BVT) und berichtet bei Elektronik- und Hausgerätehändlern ebenfalls von Skepsis. Man habe noch keine gesicherten Informationen aus der Marktforschung, dass sich durch die Senkung der Mehrwertsteuer irgendetwas bewegt habe, so Dünkelmann. Aber eine Parallelentwicklung zur Juwelierbranche scheint es bei Elektronikhändlern zu geben. Im höherpreisigen Segment wie bei großen Fernsehern oder teureren Kühlschränken könne die Steuersenkung durchaus Kaufimpulse setzen. Doch werde es sich in vielen Fällen wohl nur um vorgezogene Einkäufe handeln, die sonst etwas später erfolgt wären, so Dünkelmann.
Über den gesamten Einzelhandel verteilt zog „DER SPIEGEL“ einen Monat nach Einführung der Senkung ein durchwachsenes Fazit. Laut Handelsverbands Deutschland (HDE) bewerteten nur 13 Prozent der Unternehmen abseits des Lebensmittelhandels die Steuersenkung als eine wirksame Hilfe zur Belebung des Konsums. Im Textilhandel würden die zwei Prozent schlicht untergehen und verpuffen, berichtet der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Textil (BTE), Rolf Pangels. Die Senkung würde – wenn überhaupt – bei teuren Produkten wie edlen Anzügen einen nennenswerten Vorteil für Verbraucher bringe. Hier allerdings herrscht durch die Corona-Reglementierungen weniger Nachfrage, schließlich gibt es weniger Veranstaltungen und den Trend zum Homeoffice.
Auch der Präsident des Bundesrechnungshofs, Kay Scheller, meinte im SPIEGEL ein paar Cent Nachlass bei der Zahnpasta oder den Brötchen morgens beim Bäcker würden keinen zusätzlichen Konsum auslösen. Lediglich im Möbelhandel seien positive Signale zu hören, hört der SPIEGEL. Wenn man bei einer Küche ein paar Hundert Euro sparen können, mache sich das bemerkbar und bringe den einen oder anderen dazu zuzugreifen, so der Geschäftsführer des Verbands der deutschen Möbelindustrie, Jan Kurth. Allerdings räumt er ein, könne es auch am Trend des Cocooning liegen. Die Verbraucher wollen es sich in der Coronakrise zu Hause gemütlich machen und dafür auch Geld ausgeben, schließlich fällt so mancher Urlaub aus.
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