Kennt den Juwelier und seinen Arbeitsalltag sehr genau: Marc Heikaus, Geschäftsinhaber HEIKAUS Gruppe.
“Wir bauen die Bühne, der Juwelier entscheidet, was gespielt wird!” Marc Heikaus im zweiten Teil des Interviews mit “Blickpunkt Juwelier” über die Rolle des Juweliers als Gastgeber und seine Chancen gegenüber Monobrands.
BLICKPUNKT JUWELIER: Eigentlich müsste der Juwelier den persönlichen Kontakt zum Kunden viel besser hinbekommen als die Marke. Lässt sich der Juwelier hier die Butter vom Brot nehmen?
Heikaus: Ja. Absolut. Letztlich hat dieser Weg begonnen, als sich Juweliere für Verkaufs-Corner entschieden und damit ihre Eigenständigkeit stückweise abgegeben haben. Die Austauschbarkeit begann. Und damit die Preis-Transparenz.
BJ: Und warum funktioniert dann der Corner-Druck?
Heikaus: Weil der Konsument in dieser Branche Marke kauft. Deswegen steht er vor dem Corner und hofft auf gutes Personal. In anderen Branchen sind die Angebote kategorisiert. Beim Modehändler hängen alle Smokings beieinander. Beim Juwelier ist es schwieriger, weil die Käufer markenfixierter sind. Uhren werden gezielt gekauft. Aber beim Schmuck gibt es mehr Freiheiten.
BJ: Welcher Juwelier macht es richtig?
Heikaus: Wempe wird als Wempe wahrgenommen. Bucherer als Bucherer. Natürlich haben diese Häuser eine gewisse Marktmacht, die ein einzelner Juwelier nur schwer erreichen kann. Aber sie haben auch Mut, den eigenen Weg zu gehen. Um beim Bild der Bühne zu bleiben. Wir Ladenbauer haben die Bühne gebaut, aber der Juwelier füllt sie mit Leben. Er schreibt die Stücke. Er entscheidet, was gespielt wird. Er spielt selbst und er motiviert seine Mitarbeiter so sehr, dass sie die Marke des Juweliers leben und die Professionalität der einzelnen Marken nutzen.
BJ: Kann der Juwelier seinen Trumpf der Persönlichkeit stärker ausspielen, wenn er seine Rolle nicht als die des Händlers, sondern als die des Gastgebers definiert?
Heikaus: Auch das kommt auf die Erwartungshaltung seiner Kunden an. Buche ich fürs Wochenende mit meiner Frau ein Zimmer im „Motel One“ habe ich eine andere Erwartungshaltung als beim „Vier Jahreszeiten“. Ich will mich adäquat aufgehoben fühlen. Und so ist es beim Juwelier-Kunden auch.
BJ: Wie wichtig wird die Sozialkompetenz des Juweliers für seine Zukunftsfähigkeit sein?
Heikaus: Sie wird entscheidend wichtig sein. Letztlich ist es ein People`s-Business, und der Konsument entscheidet sehr stark nach persönlichen Vorlieben. Übrigens zeigt sich die Sozialkompetenz des Juweliers auch im Umgang mit seinen Mitarbeitern.
Das, was man neudeutsch als Costumer Journey als Basis für Erfolg am Markt bezeichnet, ähnelt meiner Meinung nach einer Fahrradfelge. Wenn ich nur fünf Speichen habe, werde ich den Berg wohl nicht heil herunterkommen. Aber je mehr Speichen ich habe, die sicher sitzen, umso stabiler wird meine Reise. Webauftritt ist eine Speiche, Social Media ist eine, der Außenauftritt des Geschäftes ist eine. Mitarbeiter. Werkstatt. Am Ende werden wir mehr als 50 Speichen haben. Sind sie stabil, werde ich jede Belastung überstehen. Wer aber nur fünf Speichen hat, der hat ein Problem.
BJ: Was ist Ihre eigentliche Arbeit beim Juwelier?
Heikaus: Für uns ist Umbau immer ein Neubeginn. Und der muss gut überlegt sein und braucht eine Strategie. Wir versuchen den Juwelier zu sensibilisieren. Wir wollen, dass er sich Gedanken macht, was er wirklich will, wo er heute steht und wo in fünf Jahren. Dann beginnt unsere Arbeit. Das Ziel ist es, das konzeptionell beste Ergebnis hinzubekommen.
BJ: Wie visionär soll ein Juwelier sein?
Heikaus: Ein guter Unternehmer ist immer Visionär. Am Ende des Tages muss er für das, was er macht, brennen. Die Kunden von uns, die erfolgreich sind und auch die Corona-Lockdowns gut überstanden haben, die brennen.
BJ: Wie ist das in anderen Branchen, die angeblich weiter sind, wie beispielsweise die Textilbranche?
Heikaus: Auch dort gibt es Leute, die brennen, und Leute, die nicht brennen. Erfolg ist branchenunabhängig. Entscheidender, und das hat Corona bestätigt, ist die Frage, wie das Unternehmen aufgestellt und für die Zukunft und die Kunden eingestellt ist.
BJ: Wie frei sollte ein Juwelier in Bezug auf sein Sortiment entscheiden?
Heikaus: Er soll entscheiden, was auf seiner Bühne gespielt wird. Wenn Juwelier Rüschenbeck in seinem Katalog Riva-Boote bewirbt, dann kann das seine Stärke sein. Wenn Bucherer Vintage-Uhren kauft, aufarbeitet, zertifiziert und wieder verkauft, dann ist das ein gutes Konzept und geht das nicht zu Lasten seines Images oder das seiner Lieferanten. Jeder Einzelhändler hat individuelle Stärken. Vor 15 Jahren hatten wir einen Textilhändler umgebaut, der eine alte italienische Espressomaschine mit Theke im Laden hatte. Für ihn war das sein persönlicher Umsatzmagnet. Samstags verabredeten sich die Ehepaare nach dem Einkauf bei ihm, die Männer tranken den wahrscheinlich besten Café der Stadt und die Frauen shoppten weiter. Vor 15 Jahren war das ein Exot. Heute ist es Standard. Aber es muss authentisch und gut sein. Am Ende ist alles erlaubt, was gesetzlich rechtens ist und was die Eigen- oder Fremd-Marke zulässt.
BJ: Hat der Juwelier Chancen gegenüber Monobrand-Boutiquen?
Heikaus: Der gut aufgestellte Juwelier kann auf Dauer immer einen besseren Service bieten als die Boutique. Es ist unheimlich schwer, gutes Personal zu finden und motiviert zu halten. Allein bessere Bezahlung reicht nicht.
BJ: Brennt das angesprochene Feuer nicht in Boutiquen?
Heikaus: Sagen wir mal so: In der Textilbranche haben wir gesehen, dass die vom Hersteller betriebenen Stores in der Zeit der Lockdowns einen gewaltigen Rückschlag bekommen haben. Da hat kein Inhaber die Produkte fotografiert und den Kunden geschickt. Da ist keiner aufs Fahrrad gestiegen und hat ausgeliefert. Mittlerweile wird in dieser Branche offen darüber gesprochen, das Geschäft doch wieder den Wholesalern zu überlassen.