Vor allem in Altverträgen könnten noch Formulierungen zu finden sein: Anwalt Jürgen Hägele aus Crailsheim (Baden-Württemberg) hat sich für seinen Mandanten Jürgen Grün mit der Betriebsunterbrechungsversicherung für Juweliere beschäftigt und gibt einen ersten Zwischenbericht.
Die Suche nach der Ausnahme könnte sich lohnen. Hägele ist derzeit dabei die Verträge von Juwelier Jürgen Grün zu sichten. Grün hatte sich gemeinsam mit „Blickpunkt Juwelier“ in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel gewandt, weil er einer der vielen Juweliere ist, der von seiner Versicherung eine Absage zur Betriebsunterbrechungsversicherung bekommen hatte (hier). „Vor allem bei Uralt-Verträgen könnten wir noch fündig werden“, schätzt Anwalt Hägele.
Dies könnten beispielsweise Formulierungen sein wie „Betriebsunterbrechung jeglicher Art“. In neueren Verträgen, vor allem denjenigen, die nach der SARS-Pandemie 2002 aufgesetzt wurden, werden solche Formulierungen nicht mehr zu finden sein, so Hägele. Doch sollte die Betriebsunterbrechungs-Versicherung greifen, würde es einem Sechser im Lotto gleichen. Dann würde die Versicherung so ziemlich alle Leistungen übernehmen einschließlich Löhne (zu 100%), Versicherungen, laufende Kosten oder Kredite.
Eine weitere Hoffnung einiger Juweliere teilt Hägele nicht. An eine nachträgliche Änderung der bestehenden BU-Verträge durch den Staat glaubt der Anwalt indes nicht. Dies wäre ein Eingriff in die unternehmerische Freiheit, der massive Schadenersatzforderungen der Versicherungen gegen den Bund nach sich ziehen würde. Vergleichbares kennt er beispielsweise von der Diskussion um den Atomausstieg, als der Staat den Zeitpunkt des Ausstiegs vorgezogen hatte. Danach forderte allein Vattenfall Schadenersatz in Höhe von sechs Milliarden Euro vom Bund.
Als eine weitaus reellere Chance sieht Hägele das Infektionsschutzgesetz (IfSG). Im Corona-Fall könnten zwei Ansatzpunkte für Juweliere interessant werden. Erster Fall ist, wenn ein Angestellter nach IfSG häuslich isoliert wurde. Dann kann sich der Arbeitgeber den Verdienstausfall von der zuständigen Behörde erstatten lassen. Erstattet wird das Netto-Arbeitsentgelt. Der zweite Fall wird derzeit kontrovers diskutiert: Haben Händler, die wegen der behördlichen Anordnung von Ladenschließungen Umsatzeinbußen erlitten haben, Anspruch auf Entschädigung?
Entscheidend sind hierbei zwei Fragen. Zum einen die Frage, ob die Gerichte zu dem Entschluss kommen, dass eine Ladenschließung eine Verhütungs- oder eine Bekämpfungsmaßnahme ist. Zum anderen die auch politisch brisante Frage, ob sich die Länder durch einen juristischen Kniff schon im Vorfeld der Verantwortung entziehen wollten, indem sie die Anordnungen auf gesetzliche Vorgaben gestützt haben, die nicht direkt zu einem Entschädigungsanspruch führen würden. Der Kniff im Detail: Der § 65 IfSG regelt die Entschädigung bei behördlichen Maßnahmen. Das Gesetz sieht vor, dass Entschädigungen nur dann zu bezahlen sind, wenn eine Anordnung nach §§ 16, 17 IfSG erfolgt. Die Länder haben die Schließungs-Anordnungen aber nicht auf diesen Paragraphen, sondern auf §§ 28, 32 IfSG gestützt und sie somit als Schutzmaßnahme deklariert. Diese beiden Paragraphen berechtigen nicht zu Entschädigungen. Im Ergebnis aber laufen beide Rechtsgrundlagen auf dasselbe hinaus: die Schließung des Betriebes.
„Dieser Ansatzpunkt wird die nächsten Jahre die Gerichte beschäftigen“, ist sich Hägele sicher. Und er geht noch einen Schritt weiter und rechnen damit, dass sollte das IfSG nicht greifen, anderweitige Entschädigungsansprüche aus dem entsprechenden Landesrecht oder dem Staatshaftungsrecht in Betracht kommen könnten.
So oder so, Hägeles Mandant Jürgen Grün ist entschlossen. „Wir dürfen nicht den Kopf in den Sand stecken. Ich habe mit meinen fünf Geschäften schon so viel Kontakt mit den Versicherungen gehabt, dass ich weiß, wie sehr sich Hartnäckigkeit auszahlt. Es lohnt sich, sich auf die Hinterbeine zu stellen.“
Den offenen Brief im Wortlaut lesen Sie hier.
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