AP und die Zukunft des Juweliers

Die neuen Vertriebskonzepte der Uhrenhersteller stellen den Juwelier in Frage. Neueste Entwicklungen sind markeneigene Lofts (Audemars Piguet) oder Pop-up-Boutiquen in Kaufhäusern (Breitling im KaDeWe), die gänzlich auf Juweliere verzichten.


Früher war die Welt einfach. Wer eine neue Uhr der Luxusklasse kaufen wollte, ist zum Juwelier gegangen. Doch die Vertriebswelt hat sich weitergedreht. Juweliere wurden zu Boutiquen-Betreibern. Aktuelles Beispiel ist Rüschenbeck, der als Betreiber der Boutique von Audemars Piguet (AP) in der Frankfurter Goethestraße immerhin einer der wenigen deutschen Juweliere ist, der die Marke aktuell noch führt. Weiteres Beispiel ist Zett Meyer einer der Traditionsjuweliere aus der legendären Bahnhofstraße in Zürich. Heute ist der Juwelier laut eigener Homepage schon kein Juwelier mehr, sondern „ein Familienunternehmen, das in Zürich die Boutiquen von Van Cleef & Arpels, Pomellato, Breitling und IWC betreibt“.

Doch auch das Vertriebsrad von AP in Deutschland hat sich bereits weitergedreht. In München wurde das AP-House eingeweiht. Es ist mehr Wohnzimmer als Verkaufsraum. Hier geht es um den Lifestyle der Marke, um den Spirit, nicht ums Geld. Wohin dieser Weg führt, beschreibt AP-Chef Francois-Henry Bennahmias im Interview mit der schweizerischen Wirtschaftszeitung „Bilanz“ recht deutlich. Er sei, sagt er, nicht selbst auf die Idee gekommen, sondern durch seinen New Yorker Vertriebskollege darauf gekommen. Dieser habe sich als Juwelier selbstständig gemacht, mit nur zwei Marken (AP und Richard Mille), die er im dritten Stock eines Gebäudes in Soho verkauft. Angeblich sei der Umsatz innerhalb von drei Jahren auf 80 Millionen Dollar gestiegen. Dies sei für ihn die Zukunft des Einzelhandels.

Apropos Richard Mille: Die Uhrenmarke des ehemaligen AP- und LVMH-Mitarbeiters Richard Mille gehört derzeit zu den erfolgreichsten Uhrenmarken überhaupt. Nicht nur, was den Durchschnittspreis pro Uhr angeht, den beziffert Unternehmensberater Morgan Stanley mit 138.000 Euro mehr als doppelt so hoch wie Patek Philippe (53.000 Euro). Auch das Vertriebskonzept ist kompromisslos. Die Uhren des Ex-LVMH-Marketingmanns werden ausschließlich in den 30 eigenen Boutiquen verkauft.

Die Bedeutung des Juweliers geht für AP oder Richard Mille gegen Null. Solange die Begehrlichkeit der Marken nicht nachlässt, so lange reichen 30 bis 50 Verkaufspunkte weltweit – zumal laut Bennahmias der Durchschnittskäufer von AP heute zwischen 30 bis 35 Jahren alt und weltweit unterwegs sei. Nicht zu vergessen ist die kleine Stückzahl dieser beiden Marken. AP produziert im Jahr rund 40.000 Uhren, dies soll sich auch mit der neuen Kollektion „Code 11:59“ nicht ändern. Richard Mille stellt weniger als 10.000 im Jahr her (übrigens rund die Hälfte davon bei AP). Die größeren Hersteller werden den Juwelier weiterhin benötigen. Fragt sich nur für was? Viele Brancheninsider gehen davon aus, dass der Juwelier künftig das „Schaufenster der Marken“ werden wird. Er wird dem Kunden die Produkte zeigen, Reparatur- oder Revisionsfälle annehmen, auch die gekauften und gelieferten Uhren überreichen. Doch gekauft wird die Uhr beim Hersteller. Dafür erhält der Juwelier eine Provision oder eben eine Schaufenster-Pacht.

Das Business mit Second Hand-Uhren und Ersatzteilen, das AP künftig in eigenen Händen halten will, werden die größeren Hersteller sicherlich nicht selbst übernehmen können. Dieses Feld wird im stationären Handel bleiben beziehungsweise von Hybrid-Formaten übernommen werden. Chrono24 (hier) hat seine Transformation zum Juwelier mit dem Kauf der Mehrheiten am Online-Juwelier Zeitauktion aus Chemnitz (mit autorisierter Service-Werkstatt für Omega, Rado, Longines, IWC und Cartier) unlängst eingeläutet. (uv)

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