ETA will klein bleiben

In einem ausführlichen Interview gibt Swatch-Group-Chef Nick Hayek detaillierte Einblicke in die Situation der ETA und dem aktuellen Streit mit der Weko. Demnach sieht er die ETA nicht mehr dominierend am Markt.


Laut Hayek hat sein Unternehmen ETA die Hausaufgaben erledigt und den Marktanteil an mechanischen Uhren wie mit der Weko vereinbart seit 2013 von 2 Mio. Stück auf 500.000 im Jahr 2019 reduziert. Mitbewerber Sellita habe heute einen Marktanteil von „mindestens 60%“, so Hayek im Interview mit der „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ). Deswegen habe die ETA keine marktbeherrschende Stellung mehr. Folglich sei er davon ausgegangen, dass die Weko wie angedacht den Lieferzwang für Drittkunden ab 2020 aufheben würde (hier). Deshalb habe die ETA im Sommer 2019 keine Bestellungen mehr aufgenommen. Nick Hayek: „Wir waren überzeugt, dass wir ab 2020 frei sein würden, und haben im vergangenen Sommer, mit dem Wissen der Weko, nicht nochmals Bestellungen nach dem alten Monopolregime entgegengenommen.“

So ist es zu dem Missverständnis gekommen, das derzeit die Schweizer Uhrenindustrie beschäftigt. Hayek bekräftigte damit erneut indirekt, dass ETA keine Uhrwerke produziert hat, auf die viele Lieferanten bauen. Chopard beispielsweise hatte bereits angekündigt, einige Neuheiten auf der kommenden Baselworld nicht zeigen zu können. Existenziell wird es für kleinere Unternehmen, die keine alternativen Lieferanten haben. Die Auftragsbücher von Sellita sind voll. Laut Hayek-Angaben produzierte Sellita im Jahr 2019 insgesamt 1,2 Mio. mechanische Uhrwerke. Laut Analysen der LuxeConsult hat der zweitwichtigste Mitbewerber der ETA, Soprod, nur einen Marktanteil von rund 4 %. Insgesamt würden Sellita und ETA 90 % des Marktes ausmachen.

Warum es zwischen ihm und der Weko zu so unterschiedlichen Einschätzungen der Marktdominanz der ETA gekommen sei, könne sich Hayek nicht erklären, sagte er im Interview. „ Noch 2016 hatten wir den Eindruck, unser Verhältnis zur Weko sei intakt und alles auf gutem Weg“, sagte der Swatch Group-Chef. Heute misstraue sie ihm plötzlich, „obwohl wir uns immer regelkonform verhalten und mit offenen Karten gespielt haben.“ Die Veränderung der Einschätzung der Weko sei zeitgleich mit einer massiven Intervention in Form einer Anzeige der Firma Sellita gekommen. Der Mitbewerber fordere unter anderem, dass man die ETA mit einem Lieferstopp für Dritte belegen müsse, so Hayek.

Auch in Zukunft wolle die ETA keine marktbeherrschende Stellung mehr im Markt einnehmen, sagte Hayek. „Unser Ziel ist es, frei zu sein, und das bedeutet, dass wir nie wieder dominant sein wollen.“ In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies, dass die derzeitige Belieferungsmenge von 500.000 mechanischen Uhrwerken pro Jahr sogar noch unterschritten werden soll. „Unsere Planung liegt sogar nur bei 350.000 bis 450.000 Stück, weil wir anspruchsvollere und teurere Uhrwerke produzieren wollen.“ Hayek hätte kein Problem, würde die Weko eine Obergrenze von 400.000 Uhrwerken pro Jahr festsetzen. Doch Hayek mahnt die Zeit an und wird politisch: „Wenn die Weko erst in einem halben Jahr einen Entscheid fällt, wird die Swatch Group für fast zwei Jahre als Lieferant für Dritte ausfallen. Dies kostet nicht nur bei uns Arbeitsplätze, sondern auch bei Dritten. Aber vor allem ist es ein schlechtes Signal für den Werkplatz Schweiz.“

Hayek warnt, dass ausländische Unternehmen stärker werden würden. Gleichzeitig suche er den Wettbewerb. „Wir brauchen dringend Innovationen, und die gibt es nur durch Wettbewerb und nicht, indem man Sellita gleichsam von der Weko Gnaden vom bereits heute dominierenden Player zum Monopolisten aufbaut. Seit bald zehn Jahren warten wir darauf, endlich auch mit Drittkunden unser Innovationspotenzial ohne staatliche Wettbewerbshindernisse ausschöpfen zu können.“

Was die Situation der Werkteile angeht, wolle sich die ETA an den auferlegten Lieferzwang weiterhin halten. Vor allem die Situation bei Spiralfedern ist derzeit stark von der Swatch Group-Tochter Nivarox geprägt. Dass Sellita überhaupt in der Lage sei, 1,2 Mio. Uhrwerke an Dritte auszuliefern, ist für Hayek ein Beweis dafür, dass die ETA ihre Werkteile, die so genannten Assortiments, liefere. Vor drei Jahren noch lag der Anteil an ETA-Basiswerken, die Sellita ausliefert, bei rund 50 %. Die Marktbeherrschung von Nivarox bei Spiralfedern sieht Hayek demnächst fallen. Ende 2022 werde der Patenschutz für Siliziumspiralen auslaufen und viele Anbieter im In- und Ausland würden bereits in den Startlöchern stehen.

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