Jörg Fiedler ist sicher, dass es den Fachhändler an der Front für ein emotionales Luxusprodukt auch in Zukunft braucht.
Branchenexperte Jörg Fiedler appelliert an alle Kollegen der Uhren- und Schmuckbranche, trotz Corona nicht aufzugeben. Denn es wird auch eine Zeit nach der Pandemie geben, in der der stationäre Fachhandel wieder sehr wichtig ist.
Jörg Fiedler schildert, wie er die Zeit seit Corona bislang erlebt hat. Auf diese Weise möchte er einen offenen und konstruktiven Dialog eröffnen, den er in diesen Tagen am meisten vermisst.
Erste Stufe der Angst
Der Insider: „Seit Beginn der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie erleben wir alle ein bis dahin unvorstellbares Szenario. Verschiedene Emotionsstufen gemischt durch Erkenntnisse der Wissenschaft durchströmten die Gesellschaft nicht ohne Spuren zu hinterlassen. Die Beunruhigung der Regierungen und selbst namhafter Mitarbeiter der WHO spiegelten sich bei sehr vielen von uns in einer tiefgreifenden Angst um Gesundheit und Leben. Corona-Maßnahmen wurden durch einen sehr großen Anteil der Bevölkerung mitgetragen, ohne sie zu hinterfragen. Aus Angst.
Zweite Stufe der Angst
Nach dem „ersten Schreck“ veränderte sich die Lage zusehends. Mit fortschreitender Entwicklung der Forschung und ersten Erfolgsmeldungen in der Pandemie-Bekämpfung, legte sich auch meine Angst etwas. Doch von Lockdown zu Lockdown wurden die Folgen der Corona-Maßnahmen offensichtlicher. Politische Parolen wurden schärfer, große Versprechungen von unbürokratischer Hilfe verpufften an bürokratischen Hürden. Die Folge: Existenzangst.
Dritte Stufe der Angst
Lobbyisten begannen Einfluss zu nehmen und wir erlebten zum Teil nicht nachvollziehbare Maßnahmen. Der offene Dialog, die zivilisierte Diskussion kamen weiter zum Erliegen. Zukunftsängste.
Was hat das mit unserer Branche zu tun?
Sehr viel! Juweliere erkannten, dass das Internet als Vertriebskanal die einzige Lösung zu sein scheint, ja der einzige Ausweg. Ein alter Feind wurde nun zum Freund. Die Politik förderte Maßnahmen wie „Click&Collect“. Einige unter uns wurden erfindungsreich: Virtuelles Einkaufen für Stammkunden, persönliche Lieferung nach Hause per Fahrrad, mobiler Reparatur-Service fielen auf. Das Internet mit Webshop wurde als wichtig wahrgenommen, die Onlinepräsenz in den sozialen Medien als Kontaktbrücke zum Konsumenten etabliert. Irgendwie muss man das Ganze schließlich wirtschaftlich überleben.
Auch der Konsument veränderte sein Einkaufsverhalten. Gold und andere Wertigkeiten vermitteln das Gefühl von Sicherheit. „Den Urlaub lieber in Schmuck investieren, falls das Geld mal nicht mehr so viel wert ist“, hörte man.
Lieferanten änderten ihre Setups. Juweliere kaufen weniger ein, die Lager sind gefüllt. Nachdem in Asien wieder gefertigt werden konnte, wurden Rahmenverträge zur Abnahme nicht mehr erfüllt. In den Zwischenlagern zeigten sich sowohl Lücken als auch Überlager. Lieferfähigkeit, sinkende Nachfrage und Preisverfall führten bei einigen sogar dazu, dass sie selbst für den Juwelier auf B2B statt auf den Außendienst setzten. Erklärungsbedürftige Produkte werden schwerer und nicht mit voller Kompetenz vermittelt.
Die ersten Existenzen bröckeln. Zuerst haben die älteren Semester aufgeben, die nicht ihre Pensionen in eine ungewisse Zukunft investieren wollen. Andere stehen bereits unverschuldet vor der Insolvenz. Diese besitzen keine wirtschaftliche Alternative. Viel Ware landet über Aufkäufer im Internet und verschärft den Preiskampf. Maßnahmen zur Eindämmung des unkontrollierten Sales werden von Lieferanten getroffen. Neue Verträge und Einschränkungen bei der Flexibilität sind die Folge. Es gibt auch Lieferanten, die den Direktverkauf über das Internet fokussieren und ausbauen möchten.
Doch die Zeiten werden sich wieder ändern und es wird den Fachhändler an der Front für ein emotionales Luxusprodukt brauchen. „Das Shopping als Erlebnis, der Einkauf als Abschluss.“
Es gibt aber auch Grund zur Hoffnung.
Bei einigen beginnt ein Umdenken und eine Rückkehr zum Fachhandel. Global Player wie Thomas Sabo und Pandora sind ein gutes Beispiel. Auch in heimischen Markt Österreichs sind Unternehmer im Umbau wie Swarovski oder Vorreiter wie Paukner. Auch in Deutschland entwickelten sich Konzepte für den Fachhandel, die man so nicht erwartet hätte. Flume und Elysee sind gute Beispiele.
Als zielführend kann betrachtet werden, dass man genau mit den Marken an den Markt tritt, die die größte Flexibilität mitbringen und bereit sind, im Marketing zu investieren um eine gute Platzierung im Fachhandel zu erreichen. Zahlungsziele, Warenumtausch, WKZ, Flyer, Rückgaberecht sind in der Prioritätenliste nach oben gerutscht. Es gibt eine Trendwende hin zum klassischen Sortiment. Günstige Produkte aus Fernost haben ihren Zenit überschritten.
Covid19 wirkte katalysierend auf diese Entwicklungen. Die Branche kämpft mit Überangeboten und Preisverfall im Trend, Schleuderpreisen von Überlager im Internet. Anbieter und Marken streichen Kundenlisten zusammen, reduzieren Stückzahlen und erhöhen die Preise. Wir kämpfen einerseits mit Inflationsraten im Konsum und gleichzeitig mit deflationären Entwicklungen der Industrie.
Produktionen und Angebot gewinnen an Wertigkeit!
Die Ängste werden Verschwinden, der Markt wird sich bereinigen und stabilisieren. Grundsätzlich wird der Handel zu seinen klassischen Sortimenten zurückkehren. Service und Dienstleistungen mit hoher persönlicher Kundenbindung sind die Grundwerte unserer Branche.
Liebe Kollegen und Freunde,
nicht dieser „eine Weg“ ist der richtige, nicht „eine Strategie“ perfekt. Mein Aufruf: Bleibt erfindungsreich, flexibel und anpassungsfähig. Besinnt euch auf eure Stärken Kundenservice, Beratungskompetenz und Fachwissen. Bildet gemeinsame Foren zum Dialog und zur Information. Vermittelt den Kunden ein Erlebnis. Haltet an der persönlichen Beziehung fest. Denkt immer daran: Wir verkaufen keine Dinge und keine Leistungen – Wir verkaufen Emotionen!“
Lesen Sie auch:
Teil 1: Welche Daseinsberechtigung hat der Juwelier?
Keine Kommentare