Schmuck & Luxus – zwei Begriffe, die in direkten Zusammenhang stehen. Und die beim Juwelier auch so stattfinden sollten: selbstverständlich.
Premium bringt Premium. Krise hier, Krise da – allerdings scheint die Luxusbranche davon nichts mitbekommen zu haben. Denn Luxus boomt weiterhin und verzeichnet ein Rekordjahr nach dem anderen. Was heißt das für den Juwelier? Schmuck im Premiumbereich schafft die Basis für eine gute Zukunft.
Was auf den ersten Blick logisch klingt, ist es längst nicht mehr: Der Juwelier ist die erste Anlaufstelle, wenn es um Schmuck geht. Warum diese Selbstverständlichkeit in den letzten Jahren und Jahrzehnten etwas gelitten hat? Weil Uhrenmarken, besonders High-Class-Brands, ihren Platz beim Juwelier einforderten – und ihn auch zugesprochen bekamen. Uhren, die heute so selbstverständlich im Angebot der Fachgeschäfte zu finden sind, gehören eigentlich eher zum Uhrmacher. Denn der Juwelier war – seit jeher – eigentlich ein Goldschmied. Als einst Louis Cartier als „erster Juwelier“ seine Fertigungen in einem Geschäft ausstellte und den Freiverkauf von lagernder Ware anbot, schlug die Geburtsstunde des uns heute bekannten Begriffs „Juwelier“.
Doch die Zeiten änderten sich, Uhrenmarken wurden bekannt, brachten Prestige und so Umsatz für den Juwelier. Doch je begehrter die Brands wurden, desto mehr Forderungen, Einschränkungen, Vorgaben gab es. Bis schließlich die vergangenen Jahre zeigten, dass Uhren nun neue Wege gehen (wollen): Und zwar vornehmlich ihren eigenen. Ohne Juwelier, ohne Rücksicht auf Verluste, ohne Partner – denn dann ist auch der Streuverlust geringer, was höhere Gewinne für die Marke bedeutet.
In unserer großen Reportage in „Blickpunkt Juwelier 04-05/2023“ wurde am Beispiel Patek Philippe klar, dass auch der familiengeführte Uhrenanbieter nicht mehr davor zurückscheut, das Händlernetz deutlich zu reduzieren – in diesem Fall von über 80 auf unter 30 Händler in Deutschland. In letzter Konsequenz werden es wohl nur die großen Metropolen sein, die für stationäre Verkaufsstandorte erhalten bleiben, der Rest wird online oder in eigenen Boutiquen stattfinden.
Es gibt wohl kaum einen Juwelier, der in den letzten Monaten und Jahren nicht die Bekanntschaft mit der Aufkündigungs seines Vertriebs-Vertrages bei großen Uhrenmarken gemacht hat. Ob Omega, Tag Heuer, Rolex, Patek Philippe, Audemars Piguet oder Breitling – um nur einige Namen zu nennen – sie alle reduzieren die Zahl der Multibrand-Verkaufsstellen, straffen ihr Netz. Zurück bleibende Partner erhalten Auflagen. Auflagen, die eine Aufrechterhaltung von vielen weiteren Marken zunehmend unmöglich macht. Die Konzentration auf wenige Uhrenmarken – und diese dafür kompetent und in einer großen verfügbaren Auswahl – sind die Kriterien, die zum Erfolg führen können und sollen. Zumindest, was den Uhrensektor betrifft. Denn diese Entwicklung – so unerfreulich sie für manchen Juwelier auch ist – macht andererseits Platz für etwas anderes, das in den letzten Jahren bei manchen vernachlässigt wurde: Schmuck!
Diese Entwicklung konnte vor über 20 Jahren bereits bei Hermès erkennen: Gab es Anfang der 2000er Jahre noch 24 Standorte in Deutschland, so sind es 2023 nur noch acht. Am Beispiel großer Luxusmarken wie Cartier, Louis Vuitton oder eben Hermès wird Realität, was vormals nicht denkbar war: Kaufkräftige Kunden stehen Schlange vor den Läden und warten geduldig auf ihren Slot. Denn Zeit wird nun kostbar. Zeit für Beratung – Zeit für das Besondere.
Genau hier schlägt die Stunde des Juweliers. Denn Beratung ist das große Credo der Branche – Expertise, Fachwissen und Gespür für den Kunden sind zum outstanding Monument geworden, mit denen der Juwelier punkten kann. Besonders bei Luxus, bei Premium, bei hohen Verkaufspreisen geht es genau darum: Jemandem zu vertrauen, der sich auskennt, der weiß, was der Kunde will, seine Wünsche versteht und auch erfüllen kann.
Dass in Krisenzeiten gerade Luxus hoch im Kurs steht, scheint auf den ersten Blick paradox. Massive Preissteigerungen bei Lebensmitteln, Energie und Mieten drücken in Verbindung mit der hohen Inflation bei der Mehrheit der Bevölkerung das Konsumbudget nach unten. Und angesichts der insgesamt unsicheren geopolitischen Lage nimmt die Zurückhaltung beim Einkauf zu. Möchte man meinen. Doch in der aktuellen weltweiten Luxusgüter-Studie von Bain & Company (Bain & Company’s Luxury Goods Worldwide Market Study – Spring 2023), die im Juni veröffentlicht wurde, zeigt sich ein anderes Bild: Luxus boomt weiterhin und prognostiziert auch für 2023 wieder ein Rekordjahr.
Der persönliche Luxusgüter-Markt wird laut Studie in diesem Jahr um 5-12 Prozent wachsen – verglichen mit dem Rekordjahr 2022. Für 2023 sagt Bain & Company ein Marktvolumen von Luxusgütern von 530 bis 570 Milliarden Euro (2022: 345 Milliarden Euro). Und damit um das 2,5-fache wie noch 2020. Erfreulich für die Branche: Zu den Top-Performern zählen laut Studie auch Uhren und Schmuck – denn Konsumenten suchen nach weniger Quantität und mehr Qualität.
Jene Marken, die überleben wollen, sollen sich laut Claudia D’Arpizio, Hauptautorin der Studie, „gesamtheitlich auf ihre Konsumenten fokussieren“ – über geografische Grenzen hinweg und „zeitlose Ikonen und Statement-Pieces“ pushen. Obwohl sich der US-Markt nicht so schnell nach oben entwickelt oder gar stagniert, zeigt sich der europäische Markt im ersten Quartal äußerst erfolgreich. Der Moment der Wahrheit für Europa wartet in und nach den Sommermonaten, wenn sich zeigt, wie viele Touristen aus den USA und dem Mittleren Osten für positive Zahlen sorgen. Eines schon vorweg – und das regt zu weiterer Hoffnung an: kaufkräftige chinesische Touristen sind nach strengen COVID-Restriktionen weltweit zurück. Und das schon im Sommer, aber auch in die zweite Jahreshälfte hinein sorgt das für gute Stimmung im Luxusgüter-Segment.