
Verkaufen Sie noch, oder positionieren Sie schon? © BPJ
Die Zeiten des austauschbaren Einzelhandels sind vorbei! Wer als Juwelier heute noch auf breite Massen statt exklusive Kunden setzt, spielt mit seiner Zukunft. Premium-Positionierung ist längst kein Trend mehr, sondern der entscheidende Erfolgsfaktor. Doch wie gelingt der Schritt in die Oberklasse – und welche Fehler müssen vermieden werden?
Ein klarer Trend: Die Premium-Positionierung wird für Fachhändler in Deutschland zunehmend zum entscheidenden Erfolgsfaktor. In einem Markt, der von steigender Kaufkraft und wachsendem Qualitätsbewusstsein geprägt ist, bietet die Ausrichtung auf das Premium-Segment nicht nur die Möglichkeit, sich von Mitbewerbern abzuheben, sondern auch langfristig wirtschaftlich erfolgreich zu sein.
Die Bedeutung der Premium-Positionierung
Eine Premium-Positionierung geht weit über das bloße Angebot hochpreisiger Schmuckstücke hinaus. Sie umfasst eine konsequente Ausrichtung auf Exklusivität, Qualität und ein unverwechselbares Markenerlebnis. „Der Juwelier muss sich endlich als Marke verstehen! Wer sich nur als Händler sieht, wird austauschbar“, so Gregor Krampe von SODEM. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ist die durchschnittliche Pro-Kopf-Kaufkraft in Deutschland im Jahr 2024 auf 27.848 Euro gestiegen, was einem nominalen Wachstum von 2,8 % entspricht. Diese Entwicklung sollte jedoch mit Vorsicht betrachtet werden, da Deutschland seit 2021 immer wieder Phasen der wirtschaftlichen Stagnation und Schrumpfung durchlebt hat. Die Rezession der letzten Jahre hat die Kaufkraft vieler Verbraucher verringert und macht es für Juweliere umso wichtiger, eine klar definierte, exklusive Zielgruppe anzusprechen. Ein zentraler Aspekt der Premium-Positionierung ist die sorgfältige Auswahl des Sortiments. Als Premiumanbieter gilt ein Juwelier wenn mindestens 50% des Angebots aus Schmuck bestehen, wobei 80 bis 90% davon Gold-, Platin- oder Diamantschmuck sein sollten. Silberschmuck sollte maximal 10% des Sortiments ausmachen, um die Exklusivität zu wahren. Eine eigene Goldschmiedewerkstatt ist wünschenswert, aber nicht zwingend erforderlich.
Aktuelle Marktentwicklung und wirtschaftliche Aspekte
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland sind herausfordernd. Nach einer anhaltenden Phase der Stagnation befindet sich das Land seit 2021 immer wieder in einer milden Rezession. Im Jahr 2024 stiegen die Nominallöhne zwar um 5,4%, doch die Inflationsrate von 2,2%, sowie steigende Energiekosten und geopolitische Unsicherheiten belasten die Kaufkraft. Zudem zeigen Branchenanalysen, dass insbesondere der stationäre Luxusmarkt mit einem selektiven Kaufverhalten der Kunden konfrontiert ist. Eva Grossmann von Galerie Voigt in Nürnberg hat das ebenfalls erkannt: „Die Frequenz der Kunden nimmt ständig ab, das Kaufverhalten ändert sich in weniger Kunden, dafür höherwertige Käufe.“
Dennoch ist der Markt nicht ohne Chancen. Die Inflation sank im August 2024 erstmals seit über drei Jahren unter die 2-Prozent-Marke, was temporär zu einer Entlastung führte. Doch Experten warnen vor einem erneuten Anstieg der Inflation in den kommenden Monaten aufgrund steigender Lohnkosten und globaler Unsicherheiten. Diese wirtschaftliche Volatilität erfordert von Juwelieren eine flexible und anpassungsfähige Strategie, um sich gegen Konjunkturschwächen abzusichern und dennoch zahlungsfähige Kunden gezielt anzusprechen.

Anstieg der Kaufkraft nutzen
Eva Grossmann ist nicht die Einzige, die diese neue Entwicklung im Kaufverhalten beobachtet hat. Denn auch die Luxusbranche hat sich in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt. Während traditionelle Luxusgüter wie Uhren und Schmuck klar definierten Zielgruppen vorbehalten waren, haben sich neue Kundenschichten entwickelt. Millennials und die Generation Z legen vermehrt Wert auf Nachhaltigkeit, Individualität und Qualität. Diese Kundengruppen sind bereit, für exklusive Schmuckstücke tiefer in die Tasche zu greifen, erwarten dafür jedoch Transparenz und ein personalisiertes Einkaufserlebnis.
Es ist daher entscheidend, diese Veränderungen strategisch zu nutzen – ein Ansatz, der unter dem Begriff „Premium-Positionierung“ zusammengefasst werden kann. Der Fachhandel sollte jedoch auf Differenzierung setzen und gezielte Spezialisierungen anstreben. Ob durch die Fokussierung auf exklusive Schmuckmarken oder hochwertige Uhren, die Etablierung eines eigenen Ateliers oder einer Manufaktur, die Einführung einer Eigenmarke oder die Konzentration auf Männerschmuck – die Möglichkeiten sind vielfältig. Darüber hinaus kann die Verwendung erlesener Materialien und die Schaffung einzigartiger Designs dazu beitragen, sich von der Konkurrenz abzuheben und eine treue Kundenbasis aufzubauen. Indem Händler ihre Angebote sorgfältig kuratieren und auf die Bedürfnisse ihrer Zielgruppe eingehen, können sie sich erfolgreich im Premium-Segment positionieren.

Am Beispiel Nürnberg: Was gibt es, wo gibt es Lücken?
Die Stadt Nürnberg, mit über 500.000 Einwohnern, gilt als Paradebeispiel für unzureichende Premium-Positionierung. Trotz einer Pro-Kopf-Kaufkraft von rund 25.500 Euro (GfK 2024) und einem Bruttoinlandsprodukt von 34,7 Milliarden Euro (Statista, 2022) zeigt sich ein anderes Bild: Wohlhabende Kunden verlagern ihre Einkäufe zunehmend nach München oder Kitzbühel, was in den vergangenen Jahren zur Schließung mehrerer familiengeführter Juweliere führte. Dieser Trend unterstreicht nicht nur die Herausforderungen des stationären Einzelhandels, sondern offenbart auch eine fehlende klare Positionierung im Premiumsegment.
Dabei bietet Nürnberg durchaus Potenzial für Juweliere, die auf eine exklusive Strategie setzen. Etablierte Fachhändler wie Juwelier Matzke, spezialisiert auf mechanische Zeitmesser, Juwelier Kuhnle, bekannt für Luxusuhren wie Rolex und hochwertigen Schmuck von Wellendorff, sowie Juwelier Hoffmann, der mit exklusiven Schmuckstücken, edlen Uhren und individuellen Anfertigungen aus dem hauseigenen Atelier punktet, genießen hohes Ansehen und verzeichnen weiterhin stabile Umsätze. Dennoch bleiben bestimmte Segmente unterrepräsentiert – insbesondere Männerschmuck, nachhaltiger Schmuck und Manufakturmarken mit eigenständigem Design, die in anderen Premium-Märkten zunehmend an Bedeutung gewinnen.
Im Vergleich dazu hat sich Münster (Pro-Kopf-Kaufkraft: 26.079 (Statista, 2022) als Geheimtipp für Premium-Juweliere etabliert. Mit einer hohen Studentendichte und einer kaufkräftigen Klientel setzt Münster auf ein anderes Luxuskonzept: Hier gibt es eine stärkere Präsenz von Juwelieren mit eigenen Ateliers und maßgefertigten Schmuckstücken. Juwelier Oeding-Erdel bietet beispielsweise eine Kombination aus traditionellen Markenuhren und individuellen Goldschmiedearbeiten. Ebenso sind Juwelier Osthues und Juwelier Freisfeld bekannte Namen, die mit maßgeschneiderten Designs, hochwertigem Diamantschmuck und einer starken Beratungskompetenz überzeugen. Während Nürnberg stärker von international etablierten Marken geprägt ist, sind in Münster Boutique-Juweliere mit persönlicher Handschrift erfolgreicher.
Durch eine gezielte Anpassung ihrer Strategie könnten Nürnberger Juweliere noch stärker auf Manufakturarbeit, Personalisierung und nachhaltige Materialien setzen, um sich von der Konkurrenz abzuheben und so die Abwanderung der Verbraucher in andere Städte wieder verringern.

Über den Tellerrand?
Ein Blick in andere Länder öffnet bekannterweise den Horizont. Möglicherweise liegt hier die Quintessenz um sich nicht nur vom Mitbewerb abzuheben, sondern sich als Vorreiter zu etablieren. Denn auch global gesehen hat sich die Schmuckbranche weiterentwickelt. Besonders in Märkten wie den USA, der Schweiz oder den Vereinigten Arabischen Emiraten setzen sich neue Trends durch, die auch für deutsche Premium-Juweliere von Bedeutung sein könnten. In den USA beispielsweise gewinnen personalisierte Schmuckstücke und High-Tech-Integration – etwa Smart-Jewelry mit integrierter Technologie – zunehmend an Bedeutung. In der Schweiz wird der Fokus verstärkt auf Heritage Brands gelegt, also auf Marken mit einer langen Historie und außergewöhnlicher Handwerkskunst. Dubai wiederum zeigt, dass das Luxussegment zunehmend von Investoren als alternative Anlageklasse wahrgenommen wird, was zu einer verstärkten Nachfrage nach Diamanten, farbigen Edelsteinen und limitierten Kollektionen führt.
Für deutsche Fachhändler würde dies bedeuten, dass sie nicht nur klassische Luxusuhren und Markenschmuck anbieten sollten, sondern auch gezielt auf aktuelle internationale Entwicklungen reagieren sollten. Exklusive Sondereditionen mit einer Eigenmarke, nachhaltige Luxuskonzepte und innovative Materialien, wie zum Beispiel CHRIST in Nürnberg mit lab-grown Diamanten unter dem Namen „Live Diamonds“, die mit recyceltem Gold kombiniert sind, „schon länger im Einsatz hat“, wie Geschäftsführer Gunnar Binder zu erkennen gibt, können dabei helfen, die Relevanz im globalisierten Premium-Segment zu erhalten.
Ein Blick über den Tellerrand kann inspirierend sein. Doch warum in die Ferne schweifen, wenn das Potenzial oft so nahe liegt? Diese oft zitierte Weisheit trifft auch auf die Positionierung im Premiumsegment zu. Die Redaktion von Blickpunkt·Juwelier ist überzeugt: Konzeptideen aus Übersee können wertvolle Impulse liefern, sind jedoch nicht zwingend notwendig. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in einer präzisen Differenzierung am eigenen Markt. Wer seine Stadt, seine Kunden und deren Bedürfnisse kennt, kann sich auch ohne externe Vorbilder erfolgreich positionieren.
Entscheidend dabei ist die gezielte Sortimentsgestaltung. Hochwertige Materialien, exklusive Designs und eine klare Handschrift im Angebot sind essenziell. Eine eigene Goldschmiedewerkstatt, die maßgeschneiderte Schmuckstücke kreiert, kann ein starkes Alleinstellungsmerkmal sein. Alternativ ermöglicht eine Kooperation mit verlässlichen Partnern, etwa durch White- oder Private-Label-Lösungen, den Aufbau einer individuellen Kollektion, die die Marke des Juweliers stärkt und ihn unverwechselbar macht.
Viel zu oft stiefmütterlich behandelt: der Kundenservice! Persönliche Beratung, exzellenter Service und umfassendes Know-how positionieren den Fachhändler als Experten auf seinem Gebiet. Das stärkt das Vertrauen der Kunden – und, wie Blickpunkt·Juwelier immer wieder betont, Vertrauen ist einer der entscheidenden Faktoren bei der Kaufentscheidung.
Sind diese Aspekte erfüllt, bleibt noch ein letzter, essenzieller Punkt: die Kommunikation mit den Verbrauchern! Nur durch gezielte Ansprache der Zielgruppe, optimal platziertes Marketing auf den richtigen Kanälen und eine klare Hervorhebung des Alleinstellungsmerkmals lässt sich dieses Vertrauen nachhaltig festigen. Und wohin führt das? Exakt: zu einer erhöhten Kaufbereitschaft und langfristigen Kundenbindung. Fazit: Die Premium-Positionierung ist für Juweliere in Deutschland kein kurzfristiger Trend, sondern eine langfristige Strategie, um sich erfolgreich im Markt zu behaupten. Wer sich konsequent auf Qualität, Exklusivität und maßgeschneiderte Erlebnisse fokussiert, schafft nicht nur ein Alleinstellungsmerkmal, sondern sichert sich auch die Loyalität einer kaufkräftigen Kundschaft.
Gerade in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit ist das Premiumsegment widerstandsfähiger als der Mittel- oder Niedrigpreismarkt. Kunden investieren bewusster und erwarten höchste Handwerkskunst, exzellenten Service und nachhaltige Werte. Fachhändler, die diese Erwartungen erfüllen, können nicht nur ihre Position am Markt stärken, sondern auch langfristig stabile Umsätze generieren.

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