Wunder der Natur und Technik – Naturdiamanten vs. Labordiamanten.
Emotional und wiederkehrend (Teil 2): Es geht um Zirkonia, Glassteine, Farbsteine. Es hat sich jedoch einiges verändert. Die Argumente für ihren Einsatz sind neu, ebenso wie das Produkt. Denn diesmal, so ist sich die Fachwelt einig, ist es tatsächlich ein Diamant. Mit drei Unterschieden zu seinem natürlichen Bruder: Einzigartigkeit, Seltenheit und Zielgruppe. (Hier geht es zum ersten Teil der großen Story!)
Ein Diamant – zwei Produkte
Die Gespräche mit Branchenvertretern lässt die Grundsatzdiskussionen, die hinter geschlossenen Türen geführt werden, erahnen. Es ist ein sich Reiben von zwei Positionen und Sichtweisen, geprägt von einer guten Position Skepsis und einer überbordenden Euphorie. In einigen Punkten gibt es jedoch Schnittmengen. So ist man sich einig, dass es sich bei beiden rein chemisch gesehen um Diamanten handelt, es jedoch unterschiedliche Produkte sind.
Es wird zu keinem Verdrängungswettbewerb kommen, zeigen sich viele Vertreter der Branchen überzeugt. Schon alleine durch ihre Entstehung respektive Erzeugung adressieren sie unterschiedliche Zielgruppen und sind in unterschiedlichen Preislagen positioniert. Die Marktkommunikation wird explizit auf die jeweilige Zielgruppe ausgerichtet. Dr. Tom Stephan, Vizedirektor der Trainingscenters der Deutschen Gemmologischen Gesellschaft bringt es auf den Punkt: „Der eine ist ein Wunder der Natur, der andere ist ein Wunder der Technik“.
Luxus-Experte Rambourg steht dem Siegeszug der Labordiamanten skeptisch gegenüber, lässt jedoch durchklingen, dass beide Varianten ihre Berechtigung und ihren Markt finden werden. Er meint: „Viele Luxus-Schmuckhändler macht es verständlicherweise etwas nervös, dass Labordiamanten zu einem üblichen Anblick geworden sind. Aber aus mehreren Gründen werden sie den High-End-Markt wahrscheinlich nicht vollständig verdrängen. Luxusmarken werden bei Naturdiamanten bleiben, weil ihre Kunden Exklusivität wertschätzen.“
Das unterstreicht ebenfalls De Beers. David Johnson, De Beers Group Head of Corporate Communications betont: „Natürliche Diamanten und im Labor gezüchtete Diamanten (LGD) sind unterschiedliche Produktkategorien mit unterschiedlichen Eigenschaften und unterschiedlichen Wertvorstellungen für den Endverbraucher.“ Entsprechend bescheinigt er, den LGDs eine sehr interessante Zukunft in der Schmuckindustrie. Für De Beers stelle sich jedoch diese Frage nicht. Für De Beers sei auf Grund der unterschiedlichen Eigenschaften im Verkauf und der Vermarktung ein anderer. Die neue Werbekampagne betone diesen Unterschied, so Johnson. Es gehe darin um die dauerhafte Attraktivität natürlicher Diamanten unter den Aspekten Einzigartigkeit und Seltenheit.
Und, der Verkauf muss transparent gestaltet sein, mit einer klaren Kennzeichnung, ob es sich um einen Natur- oder einen Labordiamanten handelt. Der Kunde darf nicht in die Irre geleitet werden. Wichtig ist beiden, die Betonung der Transparenz gegenüber dem Endkunden. Im Verkauf muss gekennzeichnet sein, ob es sich um einen Natur- oder einen Labordiamanten handle, ebenso was seinen Fußabdruck und seine Herkunft betrifft. Stephan Lindner, Präsident des Handelsverbands für Juweliere weist im Interview (ab Seite 16) auf bereits bestehende Namensregelung hin: „Die CIBJO, die World Jewellery Confederation, hat hier bereits eine gültige Regelung verabschiedet. Darin ist festgehalten, dass der Begriff ,Diamant‘ dem natürlichen Mineral vorbehalten bleibt. Alles andere ist synthetischer Diamant und im englischen Sprachraum hat man das ‚Lab Grown‘ zugelassen. Es gibt die Regelung also schon, man muss sich nur daranhalten.“ Die andere Seite sei, so Lindner, dass es um einen nicht justiziablen Handelsbrauch geht. Er sieht daher die Regierungen gefordert, das Wettbewerbsrecht so auszugestalten, dass dem Betrug kein Vorschub geleistet werden kann.
Energiegeladen
Hier stehen nicht nur Produzenten von Rohdiamanten in der Pflicht. Denn als lupenrein und durchwegs nachhaltig kann die Branche der Labordiamanten-Produzenten nicht gesehen werden. Die Herstellung synthetischer Diamanten ist sehr energieintensiv. Die Energiequelle entscheidet daher über ihre Nachhaltigkeit und Markenversprechen.
Die Vielzahl an Produzenten und Produktionsstandorte erschweren den Überblick. Während besonders Produzenten aus den USA und Israel mit dem USP des Einsatzes von 100 Prozent erneuerbarer Energie punkten können, zeigt sich bei den Marktführern China und Indien ein anderes Bild. Die Energiequellen in beiden Staaten sind oftmals weit von den westlichen Standards und Anforderungen einer nachhaltigen Produktion entfernt. Der eingesetzte Strom stammt zum überwiegenden Teil aus Kohle- und Atomkraftwerken.
Kennzeichnung: Sicherheit beim Kauf
Bisher war es noch relativ einfach, einen falschen Edelstein von einem echten zu unterscheiden. Mit viel Erfahrung, vielleicht auch mit freiem Auge. Das ist durch die gleiche chemische Zusammensetzung von Natur- und Labordiamanten nun nicht mehr möglich. Damit wächst die Gefahr, sowohl für den Juwelier wie auch seinen Kunden, einen Stein zu erwerben, den er eigentlich nicht wollte. Das Tor zu Betrügereien ist geöffnet.
Mit Anstieg der Verfügbarkeit und Marktpräsenz wird es ein immer relevanteres Thema. Die Wirtschaftsverbände bieten bereits Schulungen an, um für das Thema zu sensibilisieren und schulen gezielt, mit welchen Methoden eine Unterscheidung im eigenen Geschäft durchgeführt werden kann. Zentrale Forderung ist daher, dass der Kunden beim Kauf Sicherheit hat, etwa anhand einer speziellen Kennzeichnung des Produkts, sowohl im stationären wie im Online-Handel. Denn die Zahl der Anbieter von Labordiamanten steigt jährlich an. Die kleinteilige Produktions- und Angebotsstruktur erschwert die Rückverfolgbarkeit von Labordiamanten, besonders wenn sich der Trend hin zum Online-Handel mit Labordiamanten wie in den USA fortsetzt und auch in Europa ankommt.
Alexander Stütz, Geschäftsführer der Stütz GmbH, zu der auch die Marke XENOX zählt, spricht sich klar für die Kennzeichnung von Lab-Grown aus. „Deshalb präsentieren wir unsere Kollektionen auf einem separaten Display. Verwirrend kann es aber für Konsumenten werden wenn eine Marke natürliche und Synthetische Diamanten mit den gleichen Modellen anbietet“, präzisiert er.
Anreizsysteme mit Potenzial
Die Kleinteiligkeit und Zersplitterung der Produzenten und Anbieter basiert auf verhältnismäßig geringen Markteintrittsbarrieren und die Forcierung von Investments. Geringes benötiges Startkapital, sinkende Produktionskosten und eine höhere Investmentbereitschaft von Kapitalgebern lockten neue Teilnehmer in das gewinnbringende neue Geschäftsfeld. Das ließ die Produktionskosten in den vergangenen Jahren förmlich explodieren.
Marktexperten rechnen damit, dass dieser Trend in den kommenden Jahren noch anhalten wird.
Etwa boten die indische Regierung und die Indische Zentralbank geförderte Kredite an, um den Erwerb von Maschinen zu forcieren. Das hat zwei Gründe: soziale Stabilität und die Handelsbilanz des in Schieflage befindlichen Staates durch Export zu verbessern. Die Folge der Geldschwemme: Der Preis für Produktionsmaschinen brach ein, wie Diamanten-Analyst und Autor Paul Zimnisky berichtet. So sank der Preis für CVD-Maschinen in Indien von 300.000 USD im Jahr 2019 auf 100.000 USD in diesem Jahr.
Rendite im Fokus
Stephan Lindner, Präsident des Handelsverbands der Juweliere, schätzt die Situation folgendermaßen ein: „Aus meiner Sicht wird versucht, das Ertragspotenzial eines neuen Produkts, über dessen Rahmenbedingungen noch nicht viel bekannt ist, abzuschöpfen.“ Mit Blick auf sinkenden Produktionskosten und steigenden Kapazitäten ergänzt er: „Da fallen pro Tag 50.000 Carat aus der Maschine. Das heißt, mit diesem enormen Produktionspotential wird versucht, durch vermeintlich hohe Carat-Preise produktionsseitig hohe Profite einzufahren. Was mit Sicherheit auch gelingt.“
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