Wie ein Nadelöhr, Zufriedenheit und Erfolg hängen zusammen. © Blickpunkt Juwelier
EX x CX = ROI2: Das ist keine Geheimformel, sondern unternehmerischer Hausverstand ausgedrückt in betriebswirtschaftlicher Grundlagenmathematik. In die Praxis übersetzt lautet sie: Fachexpertise (EX) und zufriedene Kunden (CX) generieren einen höheren Return on Investment (ROI). Je höher die einzelnen Variablen, desto größer der Unternehmenserfolg. Das ist gerade in beratungsintensiven Bereichen von hoher Bedeutung.
Beginnen wir mit einer vermeintlich paradoxen Intervention zum Thema – mit Albert Einstein. Der Nobelpreisträger wird mit folgenden Worten zitiert: „Die einzige Quelle des Wissens ist die Erfahrung.“ Frei übersetzt besagt es, dass all unser Wissen aus Erfahrungen stammt, die wir unser ganzes Leben lang gemacht haben, und dass wir aus diesen Erfahrungen lernen, um unsere Entscheidungen und Handlungen zu gestalten.
Für den Handel sind es zwei Seiten der gleichen Medaille: Die Erfahrungen der Kunden und die Erfahrungen, respektive die Expertise der Mitarbeiter. Starke Unternehmen und Marken, beruhen zu einem großen Teil auf den positiven Erfahrungen, die Kunden mit ihnen machen. Da sich gerade Handelsunternehmen vor allem durch ihre individuellen Serviceleistungen differenzieren, ist für sie noch entscheidender, dass Kunden an den Kontaktpunkten ihre Erwartungen bestätigt bekommen. Wesentlich dafür ist eine gezielt auf das Angebot abgestimmte, aktive, fachspezifische und wissensbasierte Beratung durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Bereiche des Unternehmens. Das erhöht nicht nur die Loyalität zum Unternehmen und seinen Produkten, sondern erhöht den Umsatz und den Return of Investment.
Smart Retail: Mehr als eine luxuriöse Gleichung
Gerade in Zeiten eines bahnbrechenden Wandels, ja einer Disruption, sind es die spezifischen Fachkenntnisse, die ein Unternehmen nachhaltig über die Schwelle des Erfolgs hebt. Denn die Zeit der „Experten für eh alles“ ist definitiv vorbei.
Für diesen Wandel bedarf es eines Umdenkens, nicht nur in Hinblick auf die Produkt- und Vertriebsstrategie, sondern ebenso in der Unternehmenskultur. Experten sind kreative, eigenständig denkende Persönlichkeiten, die es lieben über den Tellerrand zu blicken, proaktiv anzupacken und zu gestalten. Ein Unternehmer, der weiß, diese Fähigkeiten zu nutzen, zu stärken und gezielt einzusetzen, hat einen entsprechenden Wettbewerbsvorteil. Denn zufriedene und wertgeschätzte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besonders jene im intensiven Kundenkontakt sind zentral für den Erfolg.
Denn Kunden lieben es, ihr eigenes Wissen mit Fachexperten nicht nur zu teilen, also zu fachsimpeln, sondern auch zu erweitern. Sie sind schlussendlich eher bereit, Geschäfte mit Unternehmen abzuschließen, die über Expertise in ihrem Bereich verfügen.
84 Prozent: Es menschelt! Bei fortschreitender technologischer Entwicklung verlangen Deutsche mehr menschliche Interaktionen
Ertragreich: Fachexpertise mit Mehrwert
Es sind nicht die Geschwindigkeit oder das tollste Design die das Konsumverhalten besonders lenken, wie die PwC-Studie „Future of Customer Experience Survey“ zeigt. Die Top 5-Faktoren, die ein gelungenes Kundenerlebnis beeinflussen, also ob die Erwartungen erfüllt oder übertroffen wurden, sind neben Effizienz, dem Wohlfühlfaktor und einfacher Bezahlung, ein kompetenter wie freundlicher Service. Dafür sind die Kunden überdurschnittlich bereit, mehr zu bezahlen.
Wie hoch das Ertragspotenzial ist, belegt ein Artikel der Harvard Business Review mit Verweis auf Studienergebnisse in den USA. Laut diesen erzielen Geschäfte eine Umsatzsteigerung um bis zu 50 Prozent, wenn Mitarbeiter in direktem Kundenkontakt über mehr Erfahrung, eine längere Betriebszugehörigkeit und eine höhere Qualifikation verfügen sowie einen höheren Anteil an Vollzeitbeschäftigten aufweisen.
Für die Berechnung teilen die Studienautoren die Leistung der Mitarbeiter in vier Quartilen ein. Steigt ein durchschnittliches Geschäft in jeder der vier Dimensionen aus dem untersten Quartil der Leistung in das oberste Quartil auf, so steigt laut Studie der Umsatz von 57 US Dollar pro Arbeitsstunde auf 87 US Dollar pro Arbeitsstunde. Da diese Einnahmensteigerungen nicht mit einem sprunghaften Anstieg der Ausgaben einher gehen, komme es bei einer positiven Veränderung der Mitarbeiterexpertise zu einer 45-prozentigen Gewinnsteigerung pro Arbeitsstunde.
Let’s get phytigal!
Diese Zahlen sind von besonderer Relevanz, da heute 59 Prozent aller Verbraucher der Meinung sind, dass die Unternehmen den Bezug zur menschlichen Komponente der Kundenerfahrung verloren hätten. Das weist die „Global Customer Insight Pulse Survey 2023“ von PwC aus. Es geht den Verbrauchern bei der Entscheidung physischer, also stationärer, Einkauf und digitalen Einkauf nicht um ein Entweder-oder. Die Verbraucher wollen zunehmend, dass sie das physische Einkaufserlebnis durch digitale Technologien verbessert, erleichtert oder vermittelt bekommen. Nennen wir diese Entwicklung also „phytigal“.
Die richtige Mischung bringt‘s
Die Zukunft wird die Kombination aus beiden Vertriebskanälen sein: stationär wie digital. Rund 58 Prozent der Deutschen informieren sich vor einer Kaufentscheidung, „häufig“ und „fast immer“ online über ein bestimmtes Produkt. Positiv aufgeladen wird das Einkaufserlebnis durch eine hochwertige Beratung im stationären Handel. Wie diese phytigale Kundenreise bis zum Kauf gestaltet wird, ist von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Es ist jedoch gerade diese Individualität in der Kundenbindung, ein entscheidender Faktor für einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil.
Nadelöhr mit Gestaltungsraum
Kein leichtes Terrain für den Handel, der von Fachkräftemangel geprägt ist. Joachim Dünkelmann, Geschäftsführer des Bundesverbands der Juweliere, Schmuck- und Uhrenfachgeschäfte e.V. bestätigt das Nadelöhr Fachkräftemangel: „Das drängendste Thema aus operativer Sicht ist mit Sicherheit der Fachkräftemangel. Gute Mitarbeiter zu finden, zu motivieren und zu halten ist eine riesige Herausforderung für die Unternehmer. Der Arbeitsmarkt ist wie leergefegt und die Erwartungshaltung von Bewerbern bisweilen grotesk überzogen.“ Ulrike Witt, Leiterin Forschung Personal im Handel des EHI, macht jedoch Mut. Sie bezieht sich auf eine durchgeführte Szenarioanalyse über Mitarbeitermodelle im Einzelhandel: „Trotz unsicherer und herausfordernder Rahmenbedingungen macht die Szenarioanalyse deutlich, dass der Handel einige Gestaltungsräume hat, um die eigene Arbeitswelt attraktiv und zukunftssicher zu gestalten.“ Es heißt also, volles Vertrauen in die eigene Stärke und Expertise!
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