Interview und Paradebeispiel: Eigenmarke und Experte im Sortiment sein

Jetzt Ich Hybrid Juwelier Interview Wieland

Im Zentrum des Branchen-Modells „Hybrid-Juwelier“ steht der Inhaber. Er entscheidet über die Ausrichtung oder Neupositionierung seines Angebots. In üblicher Sortimentsaufteilung von 70:30 bei Schmuck:Uhren bleibt in „70“ für die Eigenmarke mehr als nur eine Nische. © BPJ

Öffnungszeiten sind für Juweliere ganz klar ein Thema, aber nicht das Einzige. Zu glauben, damit gegen das Kaufverhalten – vor allem der Generation Z – anzukommen, führt vermutlich in die falsche Richtung. Das Märchen, alle Kunden abholen zu wollen oder zu können, ist spätestens bei sachlicher Selbst- und Sortimentsreflexion zu Ende geträumt. Gelebte Praxis unterstreicht das Gegenteil.



Dem Weg „Hochwertigkeit“ haben sich Juwelierin Laura Wieland und Juwelier Jens Eilers verschrieben. Unternehmerin Wieland hat von Einkaufszentrum auf Münchener Vorort-Lage gewechselt, Jens Eilers in Wilhelmshaven kennt die Probleme des stationären Fachhhandels seit Jahrzehnten. Aus einem Gespräch mit beiden Experten kann BPJ den Schluss ziehen, dass Inhaber von Juweliersgeschäften mehr denn je gefordert sind, den Konzentrationsprozess auf individuelle Expertise und ein wertiges Sortiment  auszurichten.

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Interview:

BLICKPUNKT JUWELIER: Frau Wieland, Sie kommen aus der „pausenlosen“ 6-Tage-Woche – vermissen Sie die hohe Kundenfrequenz oder ist Ihnen die jetzige mit fünf Tagen lieber?

LAURA WIELAND: Es ist jetzt viel besser! Ich habe hier aber auch eine sehr gute Frequenz. Hauptfaktor dafür ist mit Sicherheit, dass wir in Pullach einen Standort übernommen haben, der bereits sehr gut eingeführt war. Sonst hätten wir sicherlich nicht einen so guten Start gehabt.  Weiters habe ich das Glück, dass wir uns im Münchner Süden befinden. Den Leuten hier geht es gut, das Thema ´Schmuck kaufen´ hat eine ganz andere Priorität als bei unseren Kunden im Einkaufszentrum.

BPJ: Sie haben mit dem Mittwoch als Schließtag mitten in der Woche das Geschäft zu – wie macht sich das?

WIELAND: Ich hab das einfach vom Vorgänger des Standorts übernommen. Wenn man ein bisschen historisch zurückschaut sieht man, dass draußen „auf dem Land“ und im Münchner Umland der Mittwoch ein ganz typischer Tag ist, den man frei macht. Das ist nichts Ungewöhnliches. In Pullach, am Kirchplatz, haben mehrere Geschäfte mittwochs geschlossen.

BPJ: Herr Eilers, Sie haben die gesamte Arbeitswoche hindurch geöffnet – ist ein Schließtag aktuell für Sie ein Thema?

JENS EILERS: Sehr gute Frage –  ja, wir haben schon darüber nachgedacht. Wir sind noch nicht so ganz im Klaren drüber, ob und welcher Tag das sein kann. Man ist geneigt, den Montag rauszunehmen, auch der Samstag wäre eine Option. Es wäre für mich selber wichtig, wenigstens ein langes Wochenende zu haben, daher entweder der Montag oder Samstag als freier Tag.

BPJ: Was spricht aktuell für, was gegen einen Schließtag?

EILERS: Dafür spricht, dass man heute mit deutlich weniger Personal arbeitet als früher und daher selber kaum noch mal irgendwo rauskommt oder das langfristig vorplanen muss. Dagegen spricht, dass es fast unkalkulierbar geworden ist, wann Kunden kommen, womit man die Personaleinsatzplanung eigentlich komplett vergessen kann. Man hat natürlich die Sorge, mit einem Schließtag genau den falschen Tag zu erwischen, auch wenn es sich letzten Endes über‘s Jahr wahrscheinlich ausgleichen wird.

BPJ: Wieso ist die Kalkulierbarkeit, wann die Kunden kommen, schwieriger geworden?

EILERS: Das liegt wahrscheinlich an der Ausrichtung unseres Geschäftes: Wir sind kein Innenstadt- oder Fußgängerzonenhändler, sondern werden eher direkt angefahren. Und wir sind über die letzten zehn bis 15 Jahre immer hochwertiger geworden: Früher brauchten wir mindestens 20 Kunden am Tag. Heute bin ich entspannt, wenn ganze fünf kommen! Sehr gut lief es tatsächlich während Corona, als wir mit Terminvereinbarung arbeiten mussten. Das ergab ein sehr entspanntes Arbeiten, ohne dass man wirklich weniger Umsatz gemacht hätte.

Laura Wieland Juwelier Wieland
Laura Wieland © Juwelier Wieland

Ich kann auch einen bestimmten Diamanten für meine Kunden an der Börse suchen.

Laura Wieland, Juwelier Wieland, Pullach

BPJ: Frau Wieland, geht Ihr Konzept, hochwertigen Schmuck und ein reduziertes Uhrensortiment anzubieten, am neuen Standort auf?

WIELAND: Ja natürlich. Das Thema Schmuck zu kaufen hat hier eine ganz andere Priorität als bei unseren Kunden im Einkaufszentrum. Da spielt aber auch das Sortiment im rein hochwertigen Bereich eine wesentliche Rolle. In den Riem Arcaden spielte der Trendschmuck-Bereich eine sehr große Rolle, den führe ich hier in Pullach überhaupt nicht mehr. Ich arbeite jetzt sozusagen mit einem „alten“ Modell:  Es gibt eine klassische Theke, die das Miteinandersprechen mit den Kunden in den Vordergrund rückt. Dadurch habe ich persönlich  viel mehr Kontakt zum Kunden, und es gibt keinen Kunden, mit dem ich nicht spreche.

BPJ: Ist es für sie selbst jetzt persönlich stressiger?

WIELAND: Ich habe den Loop zurück zum kleinen Geschäft ganz bewusst gemacht. Wir hatten im Einkaufszentrum zu einem gewissen Zeitpunkt sehr viele, zum Schluss sehr wenige Mitarbeiter. Jetzt bin ich wieder ‚Mädchen für alles‘. Darüber hinaus bin ich jetzt Geschäftsführerin meines eigenen Geschäfts, muss mich somit um alle Themen, auch unangenehme, kümmern: Buchhaltung, Steuer etc. Vor der Eröffnung war es der gesamte Unternehmensaufbau,  der mir oblag, denn hier in Pullach haben wir eine komplette Neuausrichtung mit einer neuen GmbH vollzogen am Ende lag und liegt die gesamte Verantwortung bei mir.

BPJ: Herr Eilers, wie haben Sie Ihr Schmuck- und Uhren- Sortiment – auch bzgl. Vermarktung der Eigenmarke – positioniert?

EILERS: In der generellen Aufteilung von cirka 70:30 zugunsten von Schmucks. Wobei das immer ein wenig schwankt: Mal laufen Uhren, mal läuft Schmuck besser.   

Jens Eilers, Juwelier Stettin Wilhelmshaven
Jens Eilers, Juwelier Stettin, Wilhelmshaven © Juwelier Stettin

Trauringe sind ein zunehmend wichtiges Thema.

Jens Eilers, Juwelier Stettin, Wilhelmshaven

BPJ: Wie nachdrücklich vermarkten  Sie Ihre Schmuckeigenmarke?

EILERS: Da haben wir sicherlich noch Potenzial nach oben. Wir arbeiten mit typischen Schmuckgroßhändlern wie z.B. Müller zusammen. Wir bieten auch Anna Maria Cammilli an, das ist natürlich keine Eigenmarke, sondern steht mit eigener Deko im Schaufenster. Alles andere läuft dann eher über uns und da ist noch Luft nach oben: Thema wäre, unsere eigene Deko zu machen und unseren eigenen Namen zu transportieren – bis jetzt dekorieren wir neutral auf Büsten, und zwar deutlich weniger Ware, als es früher üblich war, dafür aber jeden Tag neu.

BPJ: Wann rechnen Sie mit der Umsetzung?

EILERS: Ich hoffe nächstes Jahr – da feiern wir unser 125-Jahr-Jubiläum und es wäre natürlich ein schöner Anlass, das in Angriff zu nehmen!

BPJ: Bieten Sie in Ihrem Geschäft Verlobungs- und Trauringe als Eigenmarke an – Ihre Ansicht zu diesem Thema?

EILERS: Trauringe sind ein zunehmend wichtiges Thema. Man muss ganz klar sagen, damit wird deutlich mehr Umsatz erwirtschaftet als früher. Wenn man früher etwa 20 Paar-Ringe verkauft hat, war das schon ganz gut. Das ist natürlich heute anders geworden. Ich habe vor wenigen Tagen ein Trauring-Paar für 4.000 Euro verkauft, das hätte ich früher nicht zu träumen von gewagt! Das kommt allerdings all zu häufig vor, insofern wird der Verlobungsring natürlich auch immer wichtiger.

BPJ: Ihre Prognose für zukünftige Umsätze mit Verlobungsringen?

EILERs: Wie kann man dieses Thema weiter ankurbeln? Ich glaube, da ist noch ein dickes Brett zu bohren. Was noch immer ein Problem darstellt, ist die im Schnitt geringere Marge: Beim klassischen Solitaire-Verlobungsring geht die Marge mit wachsender Steingröße immer weiter nach unten. Bei Halb- oder Einkarätern können Sie mit einer 50%-Kalkulation froh sein! Wenn wir in diesem Bereich größere Summen in die Werbung investieren wollen: lohnt sich das dann noch? Der klassische Solitaire-Ring steht nicht zuletzt aufgrund der Preise relativ stark im Konkurrenzdruck, siehe die verhältnismäßig geringe Gewinnmarge im Verhältnis zu anderen Produkten, die wir führen. Aber es ist auch eine Möglichkeit, Kunden ans Geschäft zu binden und nachher die Trauringe zu verkaufen.

BPJ: Wie lässt sich das Thema Verlobungs- und Trauring besser verknüpfen?

EILERs: Das wird hauptsächlich über Social Media laufen müssen, um da einen besseren Griff dran zu kriegen. Speziell bei Angeboten, die sich an tendenziell jüngere Leute richten.

BPJ: Frau Wieland, welche Rolle spielen Sie als Inhaberin für Ihre Kunden?

WIELAND: Meine Kunden kommen unter Umständen auch mal wegen einer Marke zu mir. Aber sie kommen vor allem wegen mir als Juwelier und meiner Kompetenz. In diesem Kontext sind Newsletter und Webseite definitiv ein Thema, speziell in Social Media-Kanälen werden meine individuelle Ausrichtung und mein persönliches Angebot im Zentrum stehen.

Juweliere Öffnungszeiten
Öffnungszeiten haben unmittelbare Auswirkung auf die Lebensqualität der Unternehmer. Li. vor der Öffnungszeitverkürzung: Große Fläche, 10 Stunden, 6 Mal die Woche. Re. aktuell: Schließtag und Mittagspausen. Fördert gesamt die Kreativität! © Wieland

Wir bekommen von allen Generationen volles Verständnis für unseren Schliesstag, ganz besonders von der jüngeren Generation.

Laura Wieland, juwelier Wieland, Pullach

BPJ: Sehen Sie Ihre Zukunft mit Schmuck-Eigenmarke?

WIELAND: Ich habe mich schon relativ früh umgeschaut, wo wir gute Schmuckstücke beziehen können. Aktuell machen wir sie selber, oder haben sehr gute und international aufgestellte Lieferanten. Ich plane aber, langfristig und gemeinsam mit meiner Mutter eine Eigenmarke mit eigenen Kreationen ins Leben zu rufen. Meine Mutter ist eine kompetente Designerin. Sie entwirft sehr schöne Stücke und arbeitet im Entwurfsprozess sehr viel mit Handzeichnung, was viele Kunden wertschätzen. Weil das Handgezeichnete für sie lebendiger und charmanter ist als die etwas kantigen CAD-
Entwürfe.

BPJ: Herr Eilers, Ihr Standpunkt zu Laboratory Grown Diamonds?

EILERS: Wir hatten sie bisher noch nicht im Sortiment, aber es ist jetzt gerade die erste Lieferung gekommen. LGD wird es in Zukunft geben, sind aber ein Thema, wo ich die Positionierung noch etwas schwierig finde. Im Prinzip wird es bei mir ganz klassische Ware sein: Mit Verlobungsring, Collier und Ohrstecker stellen wir die klassische Schmuckserie dar. Dennoch: Die Anbieter der Natursteine sollten allmählich aufwachen und selber auch etwas in Werbung tun. Denn was da im Moment abläuft, ist ja eine irre Kampagne gegen den Naturstein.

BPJ: Wie stark beeinflusst der Margendruck neue Entscheidungen in puncto Sortiment –  funktioniert da Fokus auf bessere Margenbringer?

EILERS: Natürlich gibt es immer die Versuchung zu Produkten mit möglichst guter Marge. Andererseits bringt mir das wenig, wenn ich sie dafür schlechter verkaufe. Ich plädiere normalerweise dafür, Artikel anzubieten, die neu sind und – wenn sie nicht extrem schlecht kalkuliert sind –  nicht nur auf die Marge zu achten.

BPJ: Sie haben das Personal stark reduziert  – mit welcher Auswirkung auf Sie als Chef des Hauses?

EILERS: Weniger Angestellte zu haben bedeutet, sich von einem gewissen Sortiment zu trennen: Silberschmuck, Bestecke. Oder Uhren für 69 bis 99 Euro – wenn man dafür eine Stunde berät, das geht einfach nicht, dazu hat man nicht genügend Personal. Weniger Personal bedeutet auch, dass man selber mehr am Kunden ist. Was potenziell gar nicht schlecht ist, weil man hochwertiger verkauft. Tendenziell wird die Personalfrage immer schwieriger. Fulltime-Personal würde ich im Moment nicht mehr anstreben, da man davon sehr abhängig wird. Ich hatte zweimal hintereinander Ausfälle bei Vollzeitkräften gehabt, beide sind mittlerweile in Frührente. Wenn Sie so etwas zweimal hatten, sind Sie erst mal ein gebranntes Kind: Das kostet wahnsinnig viel Geld und eigene Arbeitszeit.                      


Blickpunkt Juwelier Online Umfrage
Online-Umfrage © BPJ

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