Deutschland gilt als Technikland – Stichwort deutsche Ingenieurskunst bzw. deutscher Erfindergeist. Ein Punkt, der deutschen Uhrenmarken zu Gute kommt, auch abseits der Nobelmarken. Made in Germany genießt in allen Preisklassen hohes Renommee.
Frankreich steht für Genuss, Italien für das Dolce Vita und Deutschland für Präzision und Verlässlichkeit. Klingt im Vergleich etwas bieder, hat aber auch positive Seiten. Diese typischen Eigenschaften sind ein wichtiges Qualitäts- und Erfolgskriterium für Uhren Made in Germany.
Beim Thema Uhren denkt man fast reflexartig an die Eidgenossen. Durchaus berechtigt, denn von dort kommen die renommiertesten und bei Uhrenfans auf der ganzen Welt meist begehrten Zeitmesser. Was das Volumen betrifft, liegt auch Japan deutlich vor Deutschland, aber Quantität ist schließlich nicht das einzige Erfolgskriterium. „Made in Germany“ steht vor allem für hohe Qualität und wie gut dieses Argument ankommt, zeigen die jüngst präsentierten Zahlen des statistischen Bundesamtes. 2022 exportierte die deutsche Uhrenindustrie Ware im Wert von ca. 1,691 Mrd. Euro. Das entspricht einem Plus gegenüber 2021 von 9,31 %. Berücksichtigen muss man dabei aber, dass in dieser Statistik nur Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern bzw. solche, die eine jährliche Berichtsgrenze von 500.000 Euro übersteigen, erfasst sind. Ein umfassenderes Bild, so Dr. Guido Grohmann, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Schmuck, Uhren, Silberwaren und verwandte Industrien (BVSU), werde dann die für Juni erwartete Erhebung bieten. Diese umfasst dann alle Betriebe ab 20 Mitarbeitern..
Das zur Verfügung stehende Datenmaterial ist lückenhaft. Zum Beispiel fehlen auch fundierte Informationen über die Stellung der deutschen Uhrenmarken am heimischen Markt. Grohmann bedauert: „Das ist ein Problem und wir kämpfen seit langem dafür, dass sich das bessert.“ Den Grund sieht er pragmatisch: „Im Vergleich zu anderen Wirtschaftssektoren, wie etwa Automobil oder Maschinenbau, ist die Uhrenindustrie zu klein. Wir sind keine Schlüsselbranche.“
Klein ja, dafür aber fein. Das trifft besonders auf die Marken in Glashütte zu, deren Prestige mit der Glashütte-Verordnung, die vor rund einem Jahr in Kraft getreten ist, noch einen Tick größer geworden ist. „Diese Regelung bietet uns allen eine wesentliche Grundlage für eine weiterhin positive Entwicklung der Uhrenindustrie. Sie sichert Arbeitsplätze hier vor Ort”, erklärt Bürgermeister Sven Gleißberg” Und Uwe Ahrendt, CEO von Nomos Glashütte, dem nach Produktionsmenge größten Hersteller in der traditionsreichen Uhrenstadt, ergänzt: “Die Glashütte-Verordnung ist ganz im Sinne der Geschichte Glashüttes: Sie schützt, was in mehr als 175 Jahren hier für die Zeitmesskunst erdacht und geleistet wurde. Und bedeutet für alle Hersteller vor Ort eine bessere rechtliche Grundlage.” Vor allem aber profitierten die Kundinnen und Kunden von dem gesetzlichen Schutz: „Uhren mit der Aufschrift “Glashütte” werden garantiert auch hier und mit dem speziellen Können der Menschen dieses Ortes gefertigt. Ein Qualitätsversprechen. Denn jeder, der mit diesem Namen wirbt, hat sich strikt an die Vorgaben der Verordnung zu halten”, so Ahrendt.
Grohmann begrüßt den strengen Herkunftsschutz zwar, sieht ihn aber auch mit einer gewissen Skepsis: „Mit einer Verordnung in Deutschland kann man den Markt in China oder anderswo nicht regulieren.“ Wie stark die sogenannte Lex Glashütte die dortigen Marken vor Trittbrettfahrern und Plagiaten schützen, werde von der Umsetzung abhängen. Als Beispiel nennt er die Schweizer Uhrenindustrie, die in den wichtigsten Absatzländern eigene Büros betreibt, um den Markt zu beobachten und gegen allfälligen Missbrauch des Begriffs „Smissmade“ vorzugehen.
Ein weiteres Zentrum der deutschen Uhrenindustrie ist der Schwarzwald, wobei die Kuckucksuhr längst nicht mehr den Takt vorgibt. Bekannteste Marke aus dieser Region ist die Uhrenfabrik Junghans GmbH & Co. KG. Mit einem Umsatz von über 19 Mio. Euro – mechanische Uhren machten dabei rund zwei Drittel aus – konnte im Vorjahr erneut ein positives Ergebnis eingefahren werden. Dabei wuchs das Geschäft im Heimatmarkt sowie in Österreich und der Schweiz um sieben Prozent. International konnte man sogar ein Plus von neun Prozent erzielten.
Zu den Herstellern, die den guten Ruf von Made in Germany besonders hoch halten, zählt auch POINTtec in Ismaning bei München. „Made in Germany ist vor allem ein Qualitätsversprechen“, sagt Marketingleiter Werner Untch. „Firmengründer Willi Birk war es wichtig, von Anfang an ein Statement zu setzen und zu beweisen, dass man hochwertige Uhren zu guten Preisen auch in Deutschland fertigen kann. Inzwischen sind aus der Firmengründung vor über 35 Jahren Marken gewachsen, die Geschichten ans Handgelenk bringen, die eng mit Deutschland verknüpft sind.“ Seit der Übernahme der Uhrenwerke Ruhla gehört das Unternehmen auch zu dem recht exklusiven Club der Uhrenmarken, die über eine eigene Fertigung verfügen. „Letztes Jahr waren wir mit einer großen Delegation unserer ausländischen Distributoren in Ruhla. Dort konnten sie die Produktion besichtigen und damit die Werkstätten kennen lernen, aus den die Uhren stammen, die sie täglich in der Hand haben“, erzählt Untch, wie man diese Sonderstellung nutzt. Ein Grund für den großen Erfolg des Events sei, dass man nicht nur die Gegenwart von Made in Germany zeigen konnte, sondern auch die großartige Vergangenheit. Untch dazu: „Neben dem denkmalgeschützten Bauhaus-Gebäude von 1929 ist mit der Übernahme auch das darin beheimatete Uhrenmuseum an uns übergegangen. Hier wird die lange, interessante Geschichte des Uhrenbaus in Ruhla lebendig.“ Um deren Bekanntheit zu steigern, wurde zum Beispiel eine Sonderausstellung organisiert, in der die geheime Atomuhr der DDR ausgestellt ist. „Mit diesem Coup konnten wir ein überregionales Presseecho erreichen und zusätzliche Besucher für einen Besuch in Ruhla begeistern.“
Die Herkunft spielt seiner Einschätzung nach aber im Ausland eine wichtigere Rolle als in Deutschland selbst. Der Patriotismus der heimischen Konsumenten sei vergleichsweise schwach ausgeprägt. „Dabei liegen die Gründe, einheimische Produkte zu kaufen, auf der Hand und fernab jeder Ideologie. Als POINTtec die Uhrenproduktion in Ruhla aus der Insolvenz heraus übernahm, wurden alle Arbeitsplätze in der Produktion erhalten. Inzwischen bilden wir aus und bauen die Produktion weiter auf“, erläutert er. Das Argument, dass der Kauf heimischer Ware deutsche Unternehmen bzw. die gesamte Wirtschaft des Landes stärkt, hat sich in den Köpfen der deutschen Verbraucher durch die Pandemie und die oft längeren Lieferzeiten für ausländische Produkte schon etwas stärker festgesetzt. Dies betrifft bisher aber vor allem landwirtschaftliche Erzeugnisse.
Das Design ist – neben Qualität und Präzision – für den Uhrenkäufer am wichtigsten. Und auch wenn die Uhren made in Germany hier mit einer großen Vielfalt punkten, die die unterschiedlichsten Vorlieben anspricht, sticht ein Stil doch heraus. Ein typischer deutscher, das Bauhaus ist auch Namensgeber einer POINTtec-Marke. „Eine populäre Definition des Bauhaus-Stils ist, dass man alles weglässt, was geht – aber nicht mehr. Bei unseren Bauhaus-Uhren ist dieser minimalistische Stil prägend und betont das, was letztlich übrig bleibt, beispielsweise Proportionen oder die Farbtupfer, mit denen wir die strengen Regeln auflockern“, erklärt Untch. Er ist überzeugt, dass sich „gutes Bauhaus-Design wegen seiner natürlichen Eleganz immer gut verkaufen wird.“
Deutsches Uhrendesign aber allein auf das Bauhaus zu reduzieren, greift zu kurz und wird der Kreativität, die die Marken dabei an den Tag legen, nicht gerecht. Untch dazu: „Unser Zeppelin-Bestseller „Atlantic“ wurde z.B. auf die Lichtreflexe hin optimiert, die die speziell entwickelt Kombination aus Segmenten, Zifferblatt und Uhrglas erzeugen. Die Uhr sieht dadurch auf den ersten Blick minimalistisch aus, wirkt am Arm aber äußerst edel und mondän.“ Ein Konzept, das auf die strenge Jury des German Design Awards überzeugt hat. Das Modell wurde im diesjährigen Bewerb mit einer Special Mention in der Kategorie Luxusgüter gewürdigt. Diese Auszeichnung haben heuer übrigens auch eine zweites Uhrenmodell Made in Germany erhalten: die 1800 S GG Damaszener von Sinn Spezialuhren.
Große Uhrenmarken fokkusieren sich zunehmend auf den Online-Handel und eigene Boutiquen. Der Fachhandel wird immer mehr vernachlässigt. Das kann für kleineren Marken aus Deutschland durchaus eine Chance bieten. „Dass manche Marken die Daumenschrauben anziehen, hören wir inzwischen immer wieder. Wir interpretieren unsere Rolle bei der Zusammenarbeit mit dem Fachhandel anders. Paketzwang oder riesige Mindestbestellmengen gibt es bei uns nicht. Wir sehen uns als Partner, der immer dann die besten Geschäfte macht, wenn beide Seiten glücklich sind“, sagt Untch abschließend.