BVSU: Großer Einbruch bei Schmuck und Uhren!

Dr. Guido Grohmann, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Schmuck+Uhren.

Dr. Guido Grohmann, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Schmuck+Uhren.

Der Bundesverband der Schmuck- und Uhrenindustrie blickt in seinem Wirtschaftsbericht auf 2020 zurück – und mahnt zur Besonnenheit in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.


Im aktuellen Wirtschaftsbericht des BVSU heißt es: Es gibt nichts zu beschönigen. Die deutsche Volkswirtschaft durchlebte im Jahr 2020 aufgrund der Corona-Pandemie eine schwere Rezession, vergleichbar mit der Wirtschafts- und Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009. Im Jahr 2020 ist das Bruttoinlandsprodukt laut Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) um 5,0 % gesunken.


Weitere Auszüge: Die deutsche Schmuck- und Uhrenindustrie war von Beginn der Corona-Krise in China an stark von den wirtschaftlichen Folgen betroffen, ausgehend vom Beginn der Krise Anfang Januar in China. Chinesische Kunden sind als Zielgruppe für die deutsche Schmuck- und Uhrenindustrie sehr wichtig, sind sie doch für rund ein Drittel des Umsatzes im Luxusgütersegment verantwortlich. Je nach Unternehmen und Marke kann der Markt in China und Hong Kong einen hohen zweistelligen Prozentsatz ausmachen. Bereits im Januar kamen so Verkauf und Konsum vor Ort, insbesondere bei den größeren Luxusmarken, nahezu zum Erliegen. Die hauseigenen Boutiquen in den Kaufhäusern der großen Städte waren geschlossen. Darüber hinaus stellten die Produktionsengpässe in China im Zusammenhang mit der Pandemie für die Schmuck- und Uhrenindustrie ein großes Problem dar, da asiatische Zulieferer in bestimmten Segmenten teilweise seit Jahrzehnten Komponenten und ganze Produkte fertigen.

Der aus unserer Sicht endgültige Lockdown in Deutschland und der Schweiz ab Ende März 2020 hatte die Produktion in der Schmuck- und Uhrenindustrie zu großen Teilen dann komplett gestoppt. Lieferungen an die großen Luxusgüterkonzerne wurden komplett ausgesetzt (teilweise bis heute), der Einzelhandel konnte durch die Schließung auch in Deutschland keine Ware mehr abnehmen und hatte deshalb teilweise die Bestellungen der noch statt gefundenen Messen (Vicenza im Januar und München im Februar) wieder storniert oder zunächst ausgesetzt. Doch allen Unkenrufen zum Trotz bescherte der weitere Verlauf unserer Industrie und dem Handel zunächst einmal eine kleine Atempause. Das Zwischenhoch für die Produzenten des Fachhandels ist seit Mitte Dezember – ausgerechnet mitten im exorbitant wichtigen Weihnachtsgeschäft – wieder zum Erliegen gekommen. Die erneute Schließung des Handels war auch für unsere Industrie ein weiterer herber Rückschlag, den zumindest im hochwertigeren Bereich kein Online-Handel und kein Click & Collect auch nur ansatzweise kompensieren kann.

Dr. Guido Grohmann.
Dr. Guido Grohmann.

Mahnung zur Besonnenheit

Dr. Guido Grohmann, Hauptgeschäftsführer des Bundesverband Schmuck, Uhren, Silberwaren und verwandte Industrien e.V. (BVSU): „Viele der Maßnahmen von Bund und Ländern zielen darauf ab, die Corona-Infektionszahlen wieder herunter-bringen, ohne große Teile der Industrie und anderer Wirtschaftsbranchen mit hoher Wertschöpfung direkt oder indirekt zu beeinträchtigt. So soll ein massiver wirtschaftlicher Absturz wie im zweiten Quartal 2020 verhindert werden. Leider ist unserer Branche mitten im Strudel der Lockdown-Maßnahmen, da unsere Hauptabnehmer dem weltweiten Einzelhandel zugehörig sind, der in vielen Teilen der Welt geschlossen ist. Anders als beispielsweise in der Automobilbranche und dem Maschinenbau produzieren wir aktuell höchstens fürs Lager. Auch die Zulieferer unseres Industriezweiges erhalten kaum Aufträge. Dies hat langfristig negative Folgen für den Arbeitsmarkt. International muss verhindert werden, dass es über die jetzigen Maßnahmen hinaus zu Grenzschließungen kommt, wie zu Beginn der Corona-Pandemie. Dadurch werden Lieferketten zerschnitten und die Industrie längerfristig lahmgelegt.“

Das Jahr 2020 in Zahlen

Wie in jedem Jahr wird es noch Monate dauern, bis das statistische Bundesamt endgültige Zahlen zur Verfügung stellen kann. Die zurzeit zur Verfügung stehenden Zahlen geben jedoch schon einen repräsentativen Einblick. Sie beziehen sich jedoch auf den Zeitraum bis Ende November 2020 (im Vergleich zum Jahreszeitraum bis Ende November 2019) und meldende Betriebe ab 50 Beschäftigten.

Nach dem bisher vorliegenden Zahlenmaterial erzielten die in 2020 von 14 auf 13 zurückgegangenen deutschen Uhrenhersteller mit mehr als 50 Beschäftigten in den ersten elf Monaten mit ca. 267 Millionen € einen um 12,3 % geschrumpften Umsatz im Vergleich zum gleichen Vorjahreszeitraum 2019 (€ 348 Mio.). Ebenso sank die Zahl der Beschäftigten von 2.358 in den zuvor 14 Unternehmen auf 2.168 in den nun 13 Unternehmen. Auch der Export blieb mit ca. € 1,14 Mrd. um 17,3 % hinter den Zahlen von November 2019 zurück (€ 1,38 Mrd.). Bei letzterem Wert ist zu berücksichtigen, dass sämtliche Betriebe der Branche unabhängig von ihrer Größe erfasst werden, wenn sie eine jährliche Berichtsgrenze von € 500.000 übersteigen.

Der Uhrenumsatz sank 2020 um 23,3 Prozent.
Der Uhrenumsatz sank 2020 um 23,3 Prozent.

Die von 27 auf die Anzahl 25 gesunkenen Produzenten von Schmuck, Gold- und Silberschmiedewaren mit mehr als 50 Beschäftigten verzeichneten von Januar bis November 2020 mit ca. € 370 Mio. einen Umsatzrückgang von 13,4 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum (€ 427 Mio). Entsprechend sank die Zahl der Mitarbeiter um 5,3 % auf 2.743 (vormals 2.895). Der Export der gesamten Branche sank im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 29,7 % von ca. € 2,155 Mrd. auf 1,782 Mrd. Auch hier gilt die Berichtsgrenze von € 500.000, unabhängig von der individuellen Betriebsgröße. Wegen der Berichtsgrenze können die hier genannten Umsatzzahlen nicht den Gesamtexport wiedergeben.

Der Schmuckumsatz brach um 13,4 Prozent ein.
Der Schmuckumsatz brach um 13,4 Prozent ein.

Für den BVSU sind die internen Befragungen der Mitgliedsunternehmen von wichtiger Aussagekraft, da ca. 60 % der Mitgliedsfirmen weniger als 20 Mitarbeiter aufweisen. So zeigt sich u.a., dass 53 % der kleineren Mitgliedsfirmen von einem Umsatzrückgang von mehr als 10 % gegenüber dem Vorjahr berichten, weitere 13 % von einem zwischen 5-10 % liegenden Umsatzrückgang. Bei 7 % war der Umsatz gleich gegenüber dem Vorjahr, weitere 7 % hatten einen 5-10 % besseren Umsatz und 20 % eine Umsatzsteigerung von 10 % oder mehr. Bei der Umsatzerwartung für das Jahr 2021 rechnen etwas mehr als 13% der Kleinbetriebe mit gleichbleibenden Zahlen, fast 87 % rechnen mit einem schlechteren Umsatz.

Etwas anders sieht die Auswertung bei den Betrieben über 20 Mitarbeitern aus. Hier vermeldet kein Unternehmen für 2020 einen Umsatzzuwachs von mehr als 10 %, rund 27 % melden einen Umsatzzuwachs von 5-10 %, bei 36 % blieb es gleich, etwas mehr als 36 % vermelden einen Umsatzrückgang. Was die Umsatzerwartungen im Jahr 2021 anbelangt, so rechnen die größeren Firmen zu 20 % mit einer günstigeren Entwicklung, 40 % mit einer gleichbleibenden und 40 % mit einer ungünstigeren Tendenz. Nur zwei Unternehmen, die an der Umfrage teilgenommen haben planen eine Personalaufstockung im kommenden Jahr, 10 % wollen Personal abbauen, 50 % wollen weiterhin das Angebot der Kurzarbeit ausnutzen.

Das Warten auf das Messegeschäft

Uwe Staib, Präsident des BVSU, blickt nach den ersten Absagen oder Verschiebungen von Fachmessen im Jahr 2021 sorgenvoll auf das Geschehen: „Auf der einen Seite machen Messen zu diesem Zeitpunkt keinen Sinn, da die Infrastruktur nicht bereitgestellt werden kann und das gesundheitliche Risiko zu hoch ist. Die sich abzeichnende Ballung von Fachmessen im Herbst erfüllt uns jedoch mit Sorge. Die momentan sehr eng getakteten Termine ab Mitte August werden zu Kannibalisierungseffekten unter den Veranstaltungen führen. Und dass, obwohl zusätzlich eine relativ geringe Frequenz von Ausstellern und Besuchern zu erwarten ist, so lange die globalen Impfkampagnen nicht deutlich weiter fortgeschritten sind als bisher abzusehen. Zudem werden die Aussteller zwischen den Messen wählen müssen, schon alleine deshalb, weil dann immer noch mögliche Quarantäneregelungen ein Reisen von Messe zu Messe verhindern könnten. Die Absage der Inhorgenta 2021 und der Fokus auf den kommenden Februar 2022 ist zwar bitter, jedoch die richtige Entscheidung der Messe München.“

Uwe Staib, Präsident des BV Schmuck und Uhren.
Uwe Staib, Präsident des BV Schmuck und Uhren.

Die Politik muss handeln

Es bleibt dabei, dass Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gut beraten sind, besonnen zu reagieren und Dinge miteinander zu tun und nicht gegeneinander. Die Vertreter der Schmuck-, Uhren,- Silberwaren und Präzisionsindustrie erkennen die Notwendigkeit der bisher durch die Bundesregierung getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie an. Selbst die Schließung von Geschäften, von der auch unsere Branche stark betroffen ist, halten wir je nach Situation für eine zeitweise vertretbare Maßnahme. Als die nationale und internationale Interessenvertretung der Industrieunternehmen unserer Branche fordern wir jedoch eine mittelfristige Strategie von der Politik, die zum einen wirtschaftliche Aspekte für alle Wirtschaftszweige berücksichtigt und zum anderen auch klar, offen und für die Bevölkerung verständlich kommuniziert wird. Und wir sprechen uns deutlich gegen längerfristige Diskriminierung ganzer Branchen aus. 

Arbeitgeber und Arbeitnehmer unserer Branche verstehen nicht, warum ein weitläufiger Fachhandel geschlossen bleiben muss, während sich zur Mittagszeit an den Schnellrestaurants und Imbissen Menschenansammlungen bilden dürfen, ohne dass dies Konsequenzen hat. Sie verstehen nicht, warum auch unsere Mitarbeiter aufgrund der Schließung des Fachhandels in Kurzarbeit geschickt werden müssen, während in den Supermärkten jegliche Kontrolle und Achtsamkeit rund um Mindestabstände und maximale Kundenanzahl in den Räumlichkeiten abhanden gekommen ist. Und sie verstehen nicht, warum die Absatzkanäle unserer Waren geschlossen bleiben müssen, während Supermärkte und Drogerien gleichzeitig in großer Masse Komplementärprodukte zumeist internationaler Billiganbieter vertreiben dürfen. 

Licht am Ende des Tunnels

Einige Absatzkanäle laufen wieder an, insbesondere in Asien und in Middle East. Auch ist aktuell zu beobachten, dass das Geschäft der deutschen Zulieferer im Luxussegment verstärkt Anfragen erhält. Die Pandemie scheint zu bewirken, dass wieder mehr Augenmerk darauf gelenkt wird, die Produktion von Zulieferteilen zu diversifizieren und zurück nach Europa zu holen um die Abhängigkeit von internationalen und zurzeit unsicheren Lieferketten abzufedern. Um diese Überlegungen auch in die Tat umsetzen zu können, sind jedoch auf Seiten der Zulieferer und Abnehmer Investitionen notwendig, die mitten in der Pandemie bei knappen Kassen und vorsichtigen Banken schwierig oder nur mit staatlicher Unterstützung oder Absicherung zu realisieren sind. Auch die Scheideanstalten konnten das Minus aus unserer Industrie durch positive Ausreißer kompensieren, beispielsweise durch das im Krisenmodus florierende Geschäft mit Münzen, Barren und ähnlichen Produkten.

Teilen
Keine Kommentare

Hinterlassen Sie uns einen Kommentar

Verwandte Themen

Ähnliche Themen