Corona beschleunigt vorhandene Tendenzen und offenbart das U(h)rproblem im Handel, kommentiert Ulrich Voß, Chefredakteur „Blickpunkt Juwelier“.
Fragt man Rolex- und Patek-Philippe-Konzessionäre, ist die Krise längst vorbei. Beziehungsweise kaum da gewesen. Zahlreiche Patek-Händler berichten von guten Verkäufen während des Lockdowns. Warum? Weil Patek im Vergleich zu Rolex den Online-Verkauf von Uhren über die Homepage des Juweliers zugelassen hatte. Ein absolutes Novum in der Geschäftsbeziehung zwischen dem Schweizer Hersteller und seinen Händlern. Rolex war damals widererwarten nicht nachgezogen – holt aber jetzt mächtig auf. Stand heute hat sich der Alltag eines Rolex-Konzessionärs eigentlich nicht verändert. Das Schema ist gleich: Der Lieferant präsentiert seine Neuheiten (wie in den vergangenen beiden Jahren waren es auch 2020 erstaunlich viele Stahlmodelle), das Telefon des Händlers steht nicht mehr still, das Mailfach quillt über, die Türglocke hört nicht auf zu bimmeln. Aus der Schweiz hört man sogar von Warteschlangen vor Rolex-Türen.
Und der Rest? Bei Breitling berichten Juweliere von starker Nachfrage und guten Abverkäufen. IWC wird ebenfalls immer wieder genannt als eine der Marken, die sich nach dem Lockdown gut verkauft. Dies alles aber sind Tropfen auf den heißen Stein und keinesfalls eine Kompensation verlorener Umsätze. Ohne Rolex und Patek wird’s schwer – und bleibt wohl vorerst schwer, wenn man die Signale der Schweizer Uhrenindustrie hört. Minus 12 % im August, vermeldet der Verband Schweizer Uhrenindustrie. Würde man allerdings die 45 % Plus der Chinesen abziehen, die auf unbestimmte Zeit sicherlich keine Reisen mehr nach Europa machen, würden die Zahlen schon anders aussehen. Interessanterweise schweigt bislang auch Nick Hayek. Der Chef der Swatch Group war bei den vergangenen Krisen derjenige, der als erster eine schnelle Erholung prognostizierte, da doch am Luxusgedanken nicht zu rütteln sei. Er sollte immer recht behalten. Letztlich ging es doch schneller wieder aufwärts als gedacht.
Doch Corona ist anders. Was bleibt, ist die schale Hoffnung auf eine generelle Markterholung, beispielsweise durch einen Impfstoff, der im großen Stil hilft.
Ansonsten bleiben die Uhren-Aussichten trübe. Die Industrie ist und bleibt vorerst mit Jobabbau und seinen Folgen beschäftigt, der Handel mit einem Leben ohne Touristen. Corona offenbart das U(h)rproblem des Juweliers. Das reine Verteilen eingekaufter Ware wird nicht mehr honoriert. Die Antworten und Alternativen, die der Juwelier geben kann, sind nicht stark genug. Es scheint derzeit so, als ob es den Händler trifft, der nicht echt berät oder selbst herstellt.
Schmuck dagegen glänzt. Gold funktioniert, Verlobungs- und Trauringe funktionieren. Corona hat nicht nur zerstört, sondern auch die Zeit der Emotions- und Liebesgeschenke eingeläutet. Der Schmuck-Juwelier hat dabei die best möglichen Produkte.
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