Kommentar zum Personalkarussell bei der Swatch Group

Zum aktuellen Personalkarussell bei der Swatch Group kommentiert Ulrich Voß, Chefredakteur „Blickpunkt Juwelier“.


Der gesamte Unterboden der Swatch Group wird derzeit durcheinander gewirbelt. Dies kann kein Zufall sein. Die Lizenz mit Calvin Klein wird nicht verlängert, die Verkaufszahlen der Plastik-Uhr Swatch sind im Keller, von Flik flak ist kaum etwas zu sehen. Nahezu alle anderen Marken unterhalb Omegas sind nun in das Personalkarussell involviert. Die Chefs von Longines, Rado, Union, Tissot, Certina und Hamilton wechseln. Ist dies nur dem Rentenalter von zwei Divisions-Chefs geschuldet?

Auffallend ist der im Vergleich zu den übrigen Uhren-Konzernen stabile Personalstand der Swatch Group. Als Senior geht nach 51-jähriger (!) Tätigkeit für Longines Walter von Känel von Bord – wegen seiner beeindruckenden Militärkarriere auch „General“ genannt. Der heute 79-jährige Schweizer, übrigens in Schwerin geboren, stieg 1969 in die Verkaufsabteilung von Longines ein. Als Papa Hayek die Swatch Group 1983 gründete, war er schon 14 Jahre dabei. Damals war Longines noch in Hand der alten Besitzerfamilie, heute ist die Marke wichtiger Teil einer Gruppe – hinter Omega der zweitwichtigste Umsatzbringer im Konzern. Trotz des Erfolgs von Longines, der maßgeblich auf von Känel zurückgeht, der ab 1988 Präsident ist, ist er immer im Schatten der großen Prestige-Marken glücklich geblieben. Sicherlich, die Durchschnittspreise von Longines sind wie bei allen namhaften Schweizer Uhrmarken vor allen im letzten Jahrzehnt stark gestiegen, der Quarz-Anteil liegt nach Aussage von von Känels bei derzeit 20 %, so ist Longines unter seiner Regie ohne Zweifel eine Weltmarke geworden. Es gibt wohl keinen Flugplatz dieser Welt, der nicht schon ein Plakat von Longines gesehen hat – mit Steffi Graf und Andre Agassi. Auch die kompromisslose Ausrichtung auf den chinesischen Markt war seine Sache. Ebenso das Longines-Museum und damit der aktuell wichtige Drive zu Heritage-Modellen, geht maßgeblich auf von Känel zurück, der das Museum 1992 geöffnet hatte. Doch das digitale Business war nicht die Sache von Känels. Noch 2019 sagte er in einem Interview, dass ihn das Thema Smartwatch nicht reize. „Die Modelle wechseln da viel zu schnell, sind heute hip und morgen veraltet. So schnell arbeiten Apple und Samsung, aber keine Uhrenhersteller.“

Nun, nach 51 Jahren bei Longines, macht der General Schluss. Bei dieser übermächtigen Swatch-Group-Vita fällt ein zweiter Abgang fast hinten runter. Er ist in der Pressemitteilung der Swatch Group auch nur einen Satz wert: „François Thiébaud wurde zum Verwaltungsratspräsidenten von Tissot ernannt.“ Der 74-jährige Franzose war lange Jahre auch Präsident der Schweizer Aussteller der Baselworld und immerhin seit 1996, also seit fast einem Viertel Jahrhundert, Präsident von Tissot. Auch er hat exzellente Arbeit geleistet und die Marke zur Nummer 3 der Gruppe gemacht. Bei den Stückzahlen ist Tissot mit rund 4 Mio. verkauften Stück Nummer 1 unter den klassischen Uhrenherstellern. Zumindest den Smartwatch-Zug hat er nicht verschlafen wie Kollege von Känel und unlängst die erste Tissot-Smartwatch vorgestellt.

Trotzdem aber darf nicht vergessen werden, dass der mittlere Preisbereich das aktuelle Sorgenkind der Schweizer Uhrenindustrie ist. Die Anzahl an exportierten Schweizer Uhren ist seit 2012 rückläufig. Laut Verband der Schweizerischen Uhrenindustrie wurden 2000 noch 30 Mio. Uhren verkauft, 2019 nur noch 21 Mio. Bei den Quarzuhren haben sich die Exportzahlen halbiert (auf noch 13 Mio). Starke Rückgänge gab es im Preisbereich zwischen 200 und 500 CHF von 5 Mio. im Jahr 2012 auf nur mehr 4 Mio. im vergangenen Jahr. Auch die Zahlen für die Longines-Preislage sehen nicht rosig aus. Der Preisbereich zwischen 500 und 3.000 CHF ist seit der Jahrtausendwende nahezu gleich geblieben (2000: 3,9 Mrd. CHF, 2019: 4,3 Mrd.), während sich die Umsätze im Preisbereich ab 3.000 nahezu verfünffacht haben (von 3 Mrd. CHF in 2000 auf 14 Mrd. in 2019). Sprich: Die Bilanz der beiden großen Uhrenmanager fällt nicht nur positiv aus. Vor allem Tissot gilt bei vielen Branchenexperten als größtes Opfer des Apple-Erfolgs. Wie steht es um die langfristige Ausrichtung?

Eigentlich ist Corona ein perfekter Anlass für die beiden Manager, das Boot zu verlassen. Besser werden die Zahlen erstmal nicht. Die Nachfolger kommen aus den eigenen Reihen. Für Longines soll es nun der Österreicher Matthias Breschan richten, der von Rado kommt. Hamilton-Chef Sylvain Dolla soll Tissot in die Zukunft führen.

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