Luxusgüterindustrie: Es herbstelt!

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Hält der Boom bei den Luxusgütern tatsächlich an? © Shutterstock

Kurz vor Jahresende 2023 präsentiert sich die Quartalsberichtssaison in Harmonie mit der meteorologischen Saison: Es herbstelt. Denn die Zahlen legen eines nahe: Der Zenit des Wachstumsbooms der erfolgsverwöhnten Branche scheint überschritten. Verliert sie ihre Anziehungskraft? Eine Analyse.



Für den Börsenliebling Richemont war der vergangene Freitag, der 10.11.2023, ein defacto schwarzer Freitag. Nach der Präsentation der Halbjahresergebnisse ging der Börsenkurs weiter auf Talfahrt. Der Kursverlust belief sich am Freitagabend auf minus 5 Prozent. Denn der Abwärtstrend setzte bereits vor drei Monaten ein. Was sind die Ursachen dafür. Die Quartalszahlen allein können es nicht sein. Denn sie erwiesen sich – wenn auch nicht als berauschend –nicht als enttäuschend.

Es herbstelt – auch bei Richemont. © St. Gallner Tageblatt

Richemont: Verlust der Zugkraft

Der Gruppenumsatz, so berichtet der Hersteller von Luxusuhren der Marken Piaget oder IWC sowie der Schmuckmarken Cartier und Van Cleefs & Arpels, stieg im Zeitraum April bis September 2023 um 6,0 Prozent auf 10,2 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis weist jedoch auf vergleichbarer Basis ein Minus von 2,0 Prozent auf.

In beiden wichtigen Sparten hat Richemont zurzeit Probleme. Beim margenstarken und eigentlich krisenresistenten Schmuckgeschäft ist der Luxusgüterhersteller an den Erwartungen gescheitert, formuliert es die Schweizer Handelszeitung. Und das Geschäft mit Luxusuhren läuft nicht wie gedacht und hat deutlich weniger als erwartet zum operativen Gewinn beigetragen.

Ein interessanter Teilaspekt der Ergebnispräsentation: Der Online-Handel, der alle über direkt von Richemont betriebenen Onlinekanäle der Maisons und der Uhrenmarken umfasst, weist einen Rückgang von 2 Prozent aus. Der Anteil der Onlineverkäufe macht nur 5 Prozent des Gesamtverkaufsvolumens aus.

Beim Flanieren in Paris stolpert man mehrmals über die First-Liners: Dior, Chanel, Cartier und Louis Vuitton.

Hält der Luxusboom an?

Stellt sich grundsätzlich die Frage: Hält der Boom bei den Luxusgütern tatsächlich an? Denn auch wenn Johann Rupert, Verwaltungsratspräsident von Richemont, auf Nachfrage meint, dass der Nachfragerückgang „nicht überraschend“ sei, ist es jedoch nicht nur Richemont, der in seinen Quartalsberichten, nach vielen Jubelmeldungen, einen ersten Dämpfer einer erfolgsverwöhnten Branche melden muss.

Denn es war nicht nur die Richemont-Aktie, die am Freitag weiter sank, auch die Aktie des LVMH-Konzerns begab sich weiter auf ihrem Abwärtstrend. Nach einem Allzeithoch im April und Mai diesen Jahres verlor die Aktie des französischen Konzerns seit 30.8.2023 um Minus 14,48 Prozent an Wert.

Börse-Online führt diese Entwicklung in einem Artikel Ende Oktober 2023 auf die verzwickte Lage des Konzerns zurück, die sinnbildlich für die gesamte Luxusbranche ins Treffen geführt werden kann: „Durch die starke Expansion der Luxus-Konzerne von der Oberschicht in niedrigere Einkommensklassen, verlieren diese nun an Umsätzen, wenn die nicht allzu gut betuchten Konsumenten den Gürtel enger schnallen müssen.“ Denn das Geschäft hat sich, so der im Oktober präsentierte Bericht für das Q3/2023 abgekühlt. Der Umsatz des Uhren- und Schmuckgeschäfts stieg um vergleichsweise magere drei Prozent.  Hinzu komme, so Börse-Online, die Lage in China. Denn der einstige Wachstumsmarkt erreiche kaum noch die einstigen Steigerungsraten und verliere immer mehr an Dynamik.


Zu viel des Guten?

Es bleibt die abschließende Frage, ob die Luxusgüterindustrie möglicherweise im Rausch des Erfolgs den Bogen überspannt hat und die Fokussierung verloren hat? Wurde gar aus einem Luxusgut in seiner Einzigartigkeit ein Massenprodukt? Geht man dieser Tage durch Paris, so muss man die Frage ehrlicherweise mit Ja beantworten. Man stolpert förmlich an jeder Ecke über eine, wenn nicht zwei Boutiquen ein- und derselben Marke. Die Auslagen sind gleich gestaltet – unabhängig, ob die Louis Vuitton Boutique am Place Vendôme oder der Champs Élysées in Paris oder Am Graben in Wien liegt.

Eine Situation, die für Juweliere und unabhängige Marken ein hohes Potenzial bietet, durch ihre Persönlichkeit und Expertise und individualisierte Kundenbindungsmaßnahmen zu punkten.

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