„Luxusuhren sind oft reine Anlage- und Spekulationsprodukte“

Bernhard Strohm Interview Luxusuhren Sekundärmarkt Uhrenfachhandelsmarke

Wie geht‘s auf dem Sekundärmarkt weiter?

Uhrenblogger, Journalist und Buchautor Bernhard Strohm hat sich in der Branche mit seinem Blog und dem YouTube-Kanal „Herr Strohms Uhrsachen“ einen Namen gemacht. Uns stand der Uhrenkenner zum Thema Luxus, Sekundärmarkt und Gebrauchtuhren Rede und Antwort.



BLICKPUNKT JUWELIER: Wie sieht es bei Luxusuhren auf dem Sekundärmarkt derzeit aus und wie ist Ihre Einschätzung, wie sich das in Zukunft entwickeln wird?

Bernhard Strohm: Die begehrtesten Modelle und Marken, allen voran Patek Philippe, Audemars Piguet und Rolex, sind neu so gut wie nicht und wenn, nur mit extremer Wartezeit erhältlich. So müssen Sammler auf den grauen Markt, Onlinehändler oder gebrauchte Uhren zurückgreifen.

Meiner Meinung nach wird der zweite Markt enorm wachsen und die Bedeutung der Konzessionäre sinken. Nicht zuletzt durch die schwindende Rückendeckung durch die Hersteller, die mit eigenen Online-Shops und Marken-Boutiquen die jahrzehntelange Alleinstellung des stationären Handels in Frage stellen.

BPJ: Wird das Geschäft mit CPO-Uhren noch größer? 

Strohm: Der Markt der vom Hersteller zertifizierten Gebrauchtuhren wird stark wachsen. Weil es die Marken nicht einsehen, die enormen Gewinnspannen bei begehrten Luxusuhren den privaten Verkäufern zu überlassen. Wenn schon der Kunde – der sich eigentlich an seiner Uhr erfreuen sollte – durch den Verkauf seiner kürzlich erst erworbenen Luxusuhr einen hundertprozentigen „Gewinn“ einstreichen kann, dann will der Hersteller diesen Markt auch für sich selbst.

Luxusuhren sind für viele Einsteiger zu reinen Spekulationsobjekten und Anlageprodukten verkommen, die sie über verschiedenste Online-Plattformen wieder veräußern. Mit allen Risiken, die der private An- und Verkauf birgt. Der Hersteller weiß, dass er durch seine Expertise, Garantieleistungen und seine Zertifizierung einer gebrauchten Uhr als „echt“ die Verkaufspreise und seine Marge noch in die Höhe treiben kann.

BPJ: Wer sind die besonderen Nutznießer von den jährlichen Preissteigerungen bei Neuware beziehungsweise geht der Preis der CPO-Uhren ebenso nach oben wie die Neuware? 

Strohm: Langfristig gesehen gibt es keine Nutznießer. Der Kunde, der schnelles Geld durch direkten Weiter-
verkauf einer Luxusuhr machen will, treibt damit die zukünftigen Preise hoch. Die Unzufriedenheit der Kunden gegenüber dem Hersteller wegen der finanziell nicht erreichbaren oder nicht lieferbaren Traumuhren wächst. Grauhandel und private Anbieter dominieren den Sekundärmarkt. Die seit Jahrzehnten tradierte Lieferkette „Hersteller – Händler – Kunde“ zerfällt zusehends. Für alle Beteiligten keine gute Entwicklung. Wie sich daraufhin die Preise im ersten und zweiten Markt entwickeln ist nicht absehbar.

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Bernhard Strohms Uhrenblog – zu finden unter herrstrohms- uhrsachen.com – richtet sich an all jene, die ebenso uhren- begeistert sind wie er.

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BPJ: Es gibt gewisse Marken, die im Windschatten der Verknappungspolitik von Rolex oder Patek Philippe aktuell stark gefragt sind … ist das auch im CPO-Sektor spürbar?

Strohm: Der Erfolg aller Marken, auch derer „im Windschatten“ der großen Drei, ist heute vor allem von den Einflüssen der Medien abhängig. Qualität, Service und Verknappung ist das eine, die Verkaufskraft von Influencern mit zigtausend Followern das andere. Von den Herstellern bezahlt werden Marken und Modelle in den sozialen Medien als Alternative und Anlage-Geheimtipp gepusht oder schlecht geredet. Gilt eine Marke im ersten Markt als „sichere Bank“, ist das 1:1 übertragbar auf den Gebrauchtuhren-Sektor.

BPJ: Wer ist der typische Vintage-Uhren-Kunde. Derjenige, der sich das neue Modell nicht leisten kann oder will oder sind es Liebhaber, die eben genau nur diese Modelle haben wollen?

Strohm: Zu unterscheiden ist zwischen Vintage – also Uhren die über 20 bis 30 Jahre alt sind – und Gebrauchtuhren, vielleicht erst sechs bis zwölf Monaten nach Kauf. Vintage wird immer noch meist von Sammlern und Liebhabern gekauft. Sammler kaufen und viele verkaufen auch. Beides braucht viel Fachkenntnis und Liebe zur Materie. Der günstigere Preis ist meist nur in der Klasse von 1.000 bis 3.000 Euro ein Argument – und das auch nur bei Marken jenseits der großen Drei. Luxusuhren der bekanntesten Marken liegen bereits nach zehn oder zwanzig Jahren weit über den Erstverkaufspreisen.

Und genau das begünstigt leider die Entwicklung auch im Vintage-Bereich, die Uhren als reines Anlageobjekt zu sehen. Doch hier benötigt es viel mehr Expertise auf Seiten des Kunden und des Händlers, weil Faktoren wie Alter, Zustand und Set eine entscheidende Rolle spielen. Faktoren, die beim Kauf einer neuen Uhr nicht relevant, da immer gleich, sind.

Meiner Erfahrung nach ist der typische Vintage-Kunde zwischen 45 und 65 Jahre alt und männlich. Die Kundschaft bei neuen Luxusuhren wird immer jünger und immer weiblicher. Gerade bei Rolex liegt das Alter der TrägerInnen, dank der Influencer, oft zwischen 18 und 25 Jahren.

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Auch auf YouTube sind Bernhard Strohms „Uhrsachen“ zu finden. Er richtet sich an alle „Uhrenabhängigen und -suchtgefährdeten, die sich über das spannende Thema Uhren, Bänder und Accessoires informieren wollen“.

ZUR PERSON Bernhard Strohm

• Jahrgang 1962
• wohnhaft in Bous, Saarland
• Buchautor, Blogger, Journalist
• Betreibt YouTube-Kanal „Herr Strohms Uhrsachen“
• Podcast: „Herr Strohms Ohrsachen“
• Sein Showroom: “Der „Herrensalong“ www.herrensalong.de
• Handelt mit gebrauchten Luxusuhren, die er mit  handgefertigen Bändern individualisiert
• Shop: www.derzeitvertreiber.de

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