
Mit Kraemers Abschied aus der Mönckebergstraße wird deutlich: Der Luxuseinzelhandel in Hamburg hat längst die Straßenseite gewechselt. © Abendblatt
Ein weiteres Traditionshaus verabschiedet sich aus Hamburgs einstiger Vorzeigemeile: Juwelier Kraemer schließt überraschend seine Filiale an der Mönckebergstraße. Damit folgt das bundesweit agierende Unternehmen auf einen Weg, den zuvor bereits Größen wie Wempe und Mahlberg beschritten haben. Der Rückzug steht exemplarisch für die strukturelle Verlagerung des Luxuseinzelhandels in der Hansestadt.
Mönckebergstraße: Vom Hotspot zum Leerstand?
Die Mönckebergstraße galt über Jahrzehnte als Synonym für stilvolles Einkaufen in Hamburg. Mit Marken wie Rolex, Patek Philippe und Juwelieren wie Christ, Wempe, Becker und Kraemer war die Straße tief im Luxussegment verankert. Doch inzwischen hat sich das Bild drastisch gewandelt: erst Becker, dann Wempe – und nun auch Kraemer. Die Liste der Abgänge wächst, während leerstehende Flächen und Filialisten mit breitem Sortiment das einstige Flair mehr und mehr verdrängen.
Der Rückzug von Kraemer – offiziell mit der „Verschlechterung der Lage“ an der Mönckebergstraße begründet – ist dabei kein Einzelfall, sondern Teil einer langfristigen Entwicklung: Die Luxuskunden wandern ab, der Anspruch an Lage und Ambiente steigt, die Frequenz der Laufkundschaft allein reicht nicht mehr aus. Was bleibt, ist ein starker Hinweis auf den Wandel im stationären Handel – und ein klarer Standortvorteil für andere Quartiere.

Neuer Wall als neue Luxusachse: Mahlbergs Strategie wird bestätigt
Der Rückzug aus der Mönckebergstraße verdeutlicht zugleich, wie weitsichtig der Schritt von Juwelier Mahlberg war, sich bereits vor Jahren am Neuen Wall zu positionieren. Heute gilt der Neue Wall als Synonym für Premium-Einzelhandel in Hamburg: Hier bündeln sich internationale Luxuslabels, etablierte Juweliere, hochwertige Einzelkonzepte und eine Klientel, die gezielt sucht – und nicht bloß flaniert. Was Mahlberg früh erkannte, bewahrheitet sich nun in aller Deutlichkeit: Der Konsum im oberen Preissegment verlangt nach einer Umgebung, die Exklusivität ausstrahlt – architektonisch, atmosphärisch, konzeptionell. Genau das kann die Mönckebergstraße heute nicht mehr leisten.

Standortwahl wird zur taktischen Frage
Für Juweliere und Fachhändler ist die Entwicklung ein Signal mit Klartext: Der richtige Standort entscheidet mehr denn je über die Marktposition. Die einstige Faustregel „Lage, Lage, Lage“ muss heute ergänzt werden um: „Profil, Inszenierung, Zielgruppe“. Einkaufsstraßen mit hoher Frequenz, aber ohne Zielgruppenfokus verlieren zunehmend an Bedeutung – vor allem, wenn sie keine klare Klammer zwischen urbanem Lebensgefühl und Luxuserlebnis bieten.
Wer langfristig erfolgreich sein will, muss dort präsent sein, wo die Markenidentität mit dem Umfeld harmoniert. Der Neue Wall ist hierfür in Hamburg das neue Zentrum. Und wer dort nicht (mehr) vertreten ist, sucht entweder neue Wege – oder riskiert, den Anschluss an das Premiumsegment zu verlieren.

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