Pforzheim: Start des Stipendiums „Designers in Residence“

Die Ergebnisse des Stipendiums werden vom 25. Juni bis 11. Juli 2021 im EMMA – Kreativzentrum präsentiert.

Die Ergebnisse des Stipendiums werden vom 25. Juni bis 11. Juli 2021 im EMMA – Kreativzentrum präsentiert.

Über 270 Designer bewarben sich um das „Designers in Residence“-Stipendium, das die Stadt Pforzheim in Kooperation mit der Hochschule Pforzheim und dem Design Center Baden-Württemberg ausschreibt. 


Ausgewählt wurden Marina Aleksashina aus Russland, Naama Levit aus Israel/USA und Caio Mahin aus Brasilien/Portugal, die am 1. April 2021 ihr Stipendium angetreten haben. Dabei waren sie jedoch mit großen Herausforderungen konfrontiert.


„Da uns die drei Stipendiatinnen und Stipendiaten eindeutig signalisiert haben, wie wichtig das Arbeiten und der Austausch mit anderen Kreativen vor Ort für sie und ihre Projekte ist, haben wir uns entschieden das Stipendium auch in diesem Jahr unter Einhaltung aller Corona-Regelungen in Präsenz durchzuführen. Es ist aber erschreckend zu sehen, wie schwer es momentan für Designerinnen und Designern aufgrund der coronabedingten Einreisebeschränkungen ist, zu reisen, insbesondere im Vergleich zu Berufsgruppen anderer Branchen“, so Almut Benkert, Fachbereichsleiterin Kreativwirtschaft beim Eigenbetrieb Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim.

„Wir begrüßen es sehr, dass das Stipendienprogramm auch in diesem Jahr trotz der erschwerten Bedingungen stattfinden kann. Wir müssen gemeinsam alles dafür tun, dass die ausgewählten Designer*innen auch in Pandemiezeiten ihre Ideen verwirklichen können“, ergänzt Birgitta Hafner, geschäftsführende Gesellschafterin der C.Hafner GmbH + Co. KG, die das Stipendienprogramm unterstützt. So konnten die drei Stipendiatinnen und Stipendiaten zwar nicht wie geplant gemeinsam in Pforzheim starten, für jeden wurde jedoch eine individuelle Lösung gefunden, um das Stipendium zu realisieren.

Caio Mahin konnte Anfang April aus Portugal nach Pforzheim reisen. Nach der Quarantänezeit arbeitet er mittlerweile vor Ort im EMMA – Kreativzentrum Pforzheim an seinem Projekt.

Marina Aleksahina, Modedesignerin aus Moskau, wird Ende April anreisen.

Naama Levit, die aus Israel stammt und seit 2018 in New York lebt und arbeitet, absolviert ihr Stipendium vollständig in New York. Aufgrund der politischen Lage und der Reisebeschränkungen in den USA ist eine Ausreise für sie momentan nicht möglich.

Caio Mahin_(Foto: Winfried Reinhardt).
Caio Mahin_(Foto: Winfried Reinhardt).

Caio Mahins Projekt erzählt eine sehr persönliche Geschichte. Aufgewachsen als queeres Kind im Nordosten Brasiliens, stieß er bereits mit 9 Jahren mit seinem tiefen Wunsch, sich die Ohren piercen zu lassen, bei seinem konservativen Vater auf Ablehnung. „Mich fasziniert die Kraft, die in der Verbindung eines Schmuckstückes mit dem Körper liegt und welche Vielfalt an Geschichten und Bedeutungen dadurch entsteht. Mit einem simplen Ohrring hat mein 9-jähriges Ich eine Debatte über Geschlechterrollen und Sexualität angestoßen“, erzählt Caio Mahin.

In seinen Schmuckstücken ist die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper zentral. Seine sehr intimen Gefühle von Einsamkeit, Verletzlichkeit und Unzulänglichkeit gegenüber einer normativen Gesellschaft sind Inspirationsquellen für ihn, die er nicht verstecken sondern nach außen tragen möchte. Dabei spielt er mit verschiedenen Materialien, um die Binarität unserer Gesellschaft in Frage zu stellen. Während seines Stipendiums im EMMA – Kreativzentrum Pforzheim beschäftigt sich Caio Mahin mit Märchen. Laut Mahin sind Märchen oder auch alte Spielzeuge häufig ein Spiegel gesellschaftlicher Probleme wie Rassismus oder Sexismus, und können zudem mächtige Werkzeuge sein um diese weiter zu verfestigen. Mit seinen Arbeiten möchte er zeigen, wie sich Märchen auf das Verhalten von Erwachsenen auswirken, und gleichzeitig diesen Narrativen, die nicht-normative Körper und Lebensweisen ausschließen, entgegenwirken. Hierzu schafft er Szenarien, die die Welt seines inneren Kindes darstellen.

Marina Aleksashina_(Foto: privat).
Marina Aleksashina_(Foto: privat).

Marina Aleksashina beschäftigt sich in ihrem Projekt mit dem Gefühl, als Kind das erste Mal auf etwas Fremdes und Unbekanntes aus der Welt der Erwachsenen zu treffen. Sie spielt dabei mit Beeinflussung, der Auferlegung von Rollen, der Übertragung von Erwartungen, Ansprüchen und Traumata durch Kleidung, etwa durch die Vermischung der Attribute von Militärkleidung und Kinderkarnevalskostümen. Sie bedruckt beispielsweise Stoffe und entwickelt dabei die Idee des Spiels weiter – ein neuronales Netzwerk vermischt und verzerrt Bilder von spielenden Kindern und von Erwachsenen, die ihre eigenen Spiele spielen, die so entstehenden Drucke sind ein Zufallsprodukt.

„Ich liebe es, Menschen aus verschiedenen Kulturen kennenzulernen und mich von ihnen inspirieren zu lassen, weshalb ich mich auch für Designers in Residence beworben habe. Der kreative Freiraum, den das Stipendium bietet, der Austausch mit anderen Kreativschaffenden und der Kontakt zu Expertinnen und Experten ist sehr wertvoll für mich. Leider konnte ich aufgrund der politischen Umstände und bürokratischer Hürden erst mit einer Verspätung von einem Monat einreisen, aber freue mich jetzt sehr auf die Zeit in Pforzheim“, so Marina Aleksashina.

Naama Levit (Foto: privat).
Naama Levit (Foto: privat).

Naama Levit arbeitet für die Dauer des Stipendiums in den Räumlichkeiten von „Brooklyn Metal Works“, einem Anbieter von Werkstattarbeitsplätzen und Kursen für Schmuckdesigner, mit deren Inhabern auch eine Kooperation im Rahmen der Abschlussausstellung angedacht ist. „Diese Veränderung hat mich auch dazu gebracht, die ursprüngliche Idee meines Projektes zu überdenken und zu überlegen, wie ich es an die aktuellen Gegebenheiten anpassen und remote arbeiten kann. Ich habe also angefangen, meine aktuelle Umgebung zu dokumentieren, ich schaue mir die Farben, Formen, Materialien und Texturen um mich herum an. Ich nehme die Geräusche der Stadt auf und sammle physische Objekte – Sand vom Strand, zerbrochenes Plastikspielzeug aus den Parks, Felsen oder einen verlorenen Schlüssel“, erzählt Naama Levit. Diese Fundstücke dienen ihr als Rohmaterial für neue Objekte, zu denen sie Farben, Formen, Texturen und Materialien aus ihrer Heimat Israel hinzufügt und so Substanz, Erinnerung, Wahrnehmung, Lokalität und Fremdheit vermischt. Aus diesen Objekten möchte Naama Levit eine Art „Zwischenraum“ schaffen, mit Objekten, Texturen und Materialien, die die Vielfalt und „Glokalisierung“ unserer Gesellschaft repräsentieren.

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