Zum Einstieg von Juwelier Bucherer ins Vintage-Geschäft ein Kommentar von Ulrich Voß, Chefredakteur „Blickpunkt Juwelier“.
Online ist Bääh!? Gebraucht ist Bääh!? Mit einem Schlag hat Juwelier Bucherer das Thema Vintage geadelt! (Siehe hier.) Schon im vergangenen Jahr wurde deutlich, dass sich Bucherer zu neuen Ufern aufmacht und mit dem Kauf des Mitbewerbers Tourneau eigentlich etwas ganz Neues im Sinn hatte: Bucherer wollte von Tourneau das Thema Vintage lernen. Offenbar ist diese Lernkurve sehr steil. Denn bereits in diesem Sommer, so hört man, will Bucherer auch in Europa Vintage verkaufen.
Vintage? Das ist das, was man eigentlich aus dem Schaufenster verbannen, allerhöchstens in der Hundezone zeigen will. Wie viel Musik in diesem Thema allerdings spielt, zeigen so ziemlich alle Zahlen die es hierzu gibt. Steigerungsraten in den vergangenen Jahren von bis zu 30 %, sagt Vontobel-Analyst René Weber. Andere Studien sprechen von jährlichen Steigerungsraten von neun Prozent. Chrono24-Chef, der im vergangenen Jahr selbst um 30% von 1 auf 1,3 Mrd. Euro Handelsvolumen zugelegt hat, geht von einem Gesamtvolumen des Vintage-Marktes von etwa 15 Mrd. Euro aus. Dies wäre in etwa der Umsatz, den die Top 12 der Branche (Rolex, Omega, Cartier, Longines, Patek, Tissot, Audemars, IWC, TAG Heuer, Jaeger-LeCoultre, Harry Winston und Hublot) mit ihren neuen Uhren machen.
Wie würden Sie entscheiden, wenn Sie Bucherer wären? Vermutlich würden Sie die Segmente mit Wachstumspotential suchen. Und dies ist sicherlich nicht die Neuuhr – vor allem wenn man die aktuellen Entwicklungen der Hersteller Audemars Piguet, Richemont & Co. in Sachen Eigenvertrieb betrachtet.
Vintage ist sexy. Wer sollte das besser wissen als der weltweit größte Rolex-Konzessionär. Auch aus heutiger Sicht kann man sagen, dass Rolex in den vergangenen Jahren strategisch alles richtig gemacht hat. Die Begehrlichkeit ist gestiegen – auch wenn dazu die Produktion und die Händlermarge reduziert wurden. Warum also sollte Bucherer um begehrte Vintage-Modelle einen Bogen machen? Warum nicht teilhaben am Hype um Paul Newmans Daytona und Rekordpreise bei Sotheby’s oder Phillips? Einzig ein etwaiger Image-Verlust könnte dagegen sprechen. Doch dies müsste ein Traditionshaus wie Bucherer zu händeln wissen – solange der Konsument Vintage will und mit certified pre-owned zufrieden ist.
Aus den Erfahrungen des Automobilhandels ist bekannt, dass es große Unterschiede gibt in punkto „zertifizierter Gebrauchtwagen“. Wer aber außer Bucherer könnte die Messlatte höher hängen? Eine Uhr von Bucherer ist eine Uhr von Bucherer – auch wenn sie gebraucht ist! Der Juwelier wird seine Stärke als stationäres Traditionshaus voll ausspielen. Eigentlich ein gutes Signal für den traditionellen Handel.
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