Schafelner: „Der individuelle, familiengeführte Handel ist ein Kulturwert“

Juwelier Vogl mit zwei neuen Standorten

Marius Schafelner sieht die Übernahmen als eine ideale Ergänzung, damit der individuelle, familiengeführte Handel in den Städten bestehen bleibt. Denn für ihn handelt sich um einen Kulturwert. (c)Juwelier Vogl

Schlussendlich war es doch eine Überraschung als Juwelier Vogl aus Aschaffenburg die Übernahme von Juwelier Depperich in Reutlingen und Juwelier CWM in Koblenz bekannt gab. Geschäftsführer Marius Schafelner gibt Einblicke in die eigene Strategie und rät seinen Kolleginnen und Kollegen ruhig mutig zu sein.



Blickpunkt Juwelier: In diesem Jahr feierte Juwelier Vogl sein 100 Jahr Jubiläum und setzt gleichzeitig mit zwei Übernahmen einen nächsten großen Schritt in Richtung Zukunft. Was waren die Beweggründe, gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten, diese Erweiterung der Unternehmensfamilie vorzunehmen?

Marius Schafelner: Momentan sehen wir sehr gut, wohin sich der gehobene Luxus entwickelt: Es geht darum, Marken professionell zu präsentieren und es geht um Wachstum. Bei vielen großen und relevanten Partner gibt es klare Signale hinsichtlich der Anforderungen an einen Multimarkenanbieter. Im Jahr 2019 sanierten und renovierten wir unser Geschäft und hatten dennoch schlichtweg nicht genügend Platz, um weiterhin mit den notwendigen Verkaufsflächen, etwa den heute geforderten Cornern, sowohl weiter zu wachsen als auch die Händlermarke Vogl bespielen zu können.

BPJ: Sie spielen auf die Schärfung des Markenprofils an?

Schafelner: Ja, wir müssen verschiedene Anforderungen vereinen: Wir sind Multimarkenanbieter und wir wollen zugleich die eigene Händlermarke stärken. Um das alles unter einen Hut bringen, braucht man einfach mehr Platz. Wir haben dem Rechnung getragen und vergrößern uns gerade, indem wir eine verfügbare Fläche im Nachbargebäude zu zusätzlichen Verkaufsflächen umbauen. So können wir uns zeitgemäß aufstellen,  das Stammhaus stärken und zusätzlich Spielräume für Neues schaffen.

Juwelier Vogl
Wir sind Gastgeber: Juwelier Vogl an seinem erweiterten Standort in Aschaffenburg (c)Juwelier Vogl

BPJ: Etwa nach Reutlingen zu Juwelier Depperich und nach Koblenz zu Juwelier CWM? Ging es bei beiden Unternehmen um eine fehlende Nachfolgeregelung? 

Schafelner: Ich bin mit den bisherigen Eigentümern von Depperich in vertrauensvollem Kontakt und nun war ein guter Zeitpunkt gekommen, aktiv den Vorschlag zur Übernahme zu machen. Denn das Bundesland Baden-Württemberg, seine Geografie und die Kaufkraft reizen mich. Das gleiche gilt für Koblenz und Rheinland-Pfalz. Ausschlaggebend für unsere Entscheidung war, dass es mit Depperich und Müller zwei Unternehmen gab, die von ihren Werteinstellungen gut zu unseren passen. Zusätzlich hat uns der Markt das Timing ein bisschen vorgegeben. Es war ein sportliches Jahr. Aber wenn sich die Gelegenheit ergibt, ergreift man als Unternehmer die Chancen.

BPJ: In welchen Werteinstellungen gibt es die Übereinstimmungen?

Schafelner: Veränderungen sind immer fordernd. Es braucht Kraft, die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft zu stellen. Was uns dabei wirklich unterstützt und vereint, ist die Tradition in den drei Häusern. Es gibt einen gemeinsamen Wertekodex für das Thema Handwerk, Werkstätten, die eigene Uhrmacherei und Schmuckproduktion und natürlich die gelebten Werte, wie zum Beispiel eine hohe Kundenorientierung. Die Neuorganisation und die eingespielten regionalen Teams ermöglichen es uns nun, unsere unabhängige Kompetenz in den Geschäftsbereichen weiter zu fördern. Es ist eine ideale Ergänzung, damit der individuelle, familiengeführte Handel in den Städten bestehen bleibt. Denn es handelt sich dabei um einen Kulturwert.

BPJ: Zukunft des selbständigen, unabhängigen Fachhandels ist ein gutes Stichwort. Sie haben zu Beginn erwähnt, dass Sie im Stammhaus ausgebaut haben. Im Zuge dessen richteten Sie im vierten Stock eine Schmucklounge ein – also eine Art „Bel Etage“. Was ist die Zielsetzung dahinter?

Schafelner: Über Jahrzehnte sind wir mit unseren Kunden aktiv in Beziehung getreten und haben uns eine hohe Kompetenz, etwa im Bereich Events, aufgebaut. Mit der neuen Schmucklounge gehen wir den nächsten Schritt. Sie ermöglicht es uns, noch spezieller auf die Kundenbedürfnisse einzugehen. Die wohnliche Atmosphäre schafft für das Beratungsgespräch eine angenehme Situation, die es in einem klassischen Ladengeschäft in dieser Form nicht gibt.

Familie Voss und GF Schafelner
Eine Erfolgsgeschichte: Peter und Sybille Voss, Inhaber von Juwelier Vogl und Geschäftsführer Marius Schafelner (c)Koch

BPJ: Das klingt nach Gastfreundschaft.

Schafelner: Durchaus. Wir sind gerne Gastgeber! Dazu möchte ich auch meine Kolleginnen und Kollegen ermutigen. Gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten und einem Rückgang des internationalen Tourismus gilt es, den Fokus wieder verstärkt auf die lokale Kundschaft zu richten und gute Beziehungen aufzubauen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass das am besten gelingt, wenn wir Erlebniswelten schaffen – sowohl persönliche im Laden, als auch digitale nach außen.

BPJ: An der digitalen Erweiterung der Kundenbeziehung geht also kein Weg vorbei?

Schafelner: Davon bin ich überzeugt. In vielen Gesprächen zum Thema Strategie höre ich, dass man dann eine hohe Wertschätzung erhält, wenn man sich auf seine Kernaufgaben konzentriert. Dazu zählt, seine Kunden persönlich gut zu kennen. Man muss aber auch verstehen, wie wir die Bedürfnisse unserer Zielgruppe mit digitalen Services erfüllen können. Wenn wir für die Zukunft gut aufgestellt sein wollen, müssen wir beides können. Es braucht viel Professionalität, um nachhaltig erfolgreich zu sein.

BPJ: Die Zukunftsfragen sind für viele in der Branche sehr drängend. Der Druck einer hochprofessionellen Markenpräsenz der Luxusindustrie wächst. Gleichzeitig steigt in diesem Bereich die Uniformität. Das drückt sich am deutlichsten in der Schaufenstergestaltung aus – in jeder Stadt die gleiche. Birgt das Potential für Juweliere?

Schafelner: Ich finde diesen Punkt ganz wichtig. Die Vielfalt im Einzelhandel zu stärken, ist einer unserer Motivatoren in der Weiterentwicklung. Denn während sich die Konzerne in den letzten Jahren stark auf das Tourismusgeschäft verlassen haben, erleben wir momentan eher eine Deglobalisierung, Nationalisierung und Regionalisierung. Dass inhabergeführte Händler die Vielfalt besser schaffen als Monobrands, das sieht man aus meiner Sicht sehr gut am Beispiel der Maximilianstraße in München.

BPJ: Was bedeutet Vielfalt konkret?

Schafelner: Vielfalt bedeutet etwa, den Kunden individuell abzuholen. Das ist eine der Grundtugenden eines inhabergeführten Fachhändlers. Das machen wir seit jeher nicht anders. Daher bin ich optimistisch gestimmt.

Gemeinsame Werte verbinden: Die Standorte in Aschaffenburg, Reutlingen und Koblenz leben die Tradition aus Handwerk und hoher Kundenorientierung. (c)Basile2020

BPJ: Was stimmt Sie optimistisch?

Schafelner: Im Grunde prägt eine sich wiederholende Pendelbewegung die Struktur im Handel. So gibt es das Thema Monobrand einmal mehr und einmal weniger. Nach starken letzten Jahren scheinen sich die Dinge nun etwas zu normalisieren. Viele Hersteller werden nun gefordert sein, die Boutiquen auch wirtschaftlich zu betreiben. Für Juweliere bedeutet es, dass man sicherlich mutig sein darf! Ich denke daher, dass wir sowohl bei den Themen Monobrand als auch Vielfalt, unsere Positionierung schärfen sollten.

BPJ: Was ist der klare Asset des inhabergeführten Fachhandels?

Schafelner: Jeder Kunde ist individuell – und wir können darauf eingehen. Sprich, wir können ihm das bieten, was für seine Kaufentscheidung wichtig ist. Als inhabergeführte Händler haben wir hier einen klaren Vorteil gegenüber vielen Markenboutiquen. Und es freut uns zu sehen, dass viele Hersteller von diesem Vorteil nach wie vor überzeugt sind und weiter an uns glauben.

BPJ: Welche Rahmenbedingungen braucht es dafür? 

Schafelner: Um gute Antworten für die Zukunft geben zu können und Retail-Wachstum zu erzielen, braucht es eine gesunde Größe und Professionalisierung, etwa in den Servicewerkstätten und im digitalen Vertrieb. Dabei sind Uhrmacher und Goldschmiede gleichermaßen gefragt.

BPJ: Im Uhrenbereich bieten Sie Certified Pre-Owned an. Welchen Mehrwert hat der Geschäftsbereich?

Schafelner: Im Bereich Certified Pre-Owned finde ich es richtig und wichtig, dass wir von der Firma Rolex so tatkräftig unterstützt werden. Denn nur gemeinsam können wir hier auch gegenüber dem Zweitmarkt die richtigen Antworten finden und denjenigen, der sich für eine gebrauchte Uhr entscheidet, zurück in den Fachhandel holen. Gerade bei diesem Thema geht es um Vertrauen. Ich hoffe daher, dass andere Marken folgen werden. Nur so können wir dem Kunden die Sicherheit geben, dass er ein echtes, überarbeitetes Produkt mit einer neuen Gewährleistung erhält.


BPJ: Wie schätzen Sie die Marktpotentiale ein?

Schafelner: Es ist kein leichter Markt und das Angebot ist kein Selbstläufer. Dieser neue Geschäftsbereich fordert viel Aufmerksamkeit. Insofern gehen wir ihn sehr strategisch an. Denn ganz grundsätzlich bedeutet es für den Uhrenfachhandel ein Umdenken. Er findet sich nämlich auf der Einkaufsseite wieder. Aber im Einkauf liegt ja bekanntlich der Gewinn. Das bedeutet, hier muss man neue Kompetenzen entwickeln, man muss seine Marge erarbeiten und es braucht eine gewisse Skalierung, damit sich der Geschäftsbereich schlussendlich auch auszahlt. Aber es ist ein Weg, der den Fachhändler stärkt. Denn mit den Serviceeinheiten bieten wir dem Endkunden etwas, das viele andere nicht können.

BPJ: Das Thema Kundenbindung ist schon mehrfach im Gespräch gefallen. Das geht Hand in Hand mit der digitalen Kundenreise. Wie binden Sie Ihre Kunden online? Welche Erfahrungswerte, aber auch Erwartungshaltungen haben Sie?

Schafelner: Kundenbindung und online sind gute Stichworte. Einen Webshop zu bauen und einfach darauf zu hoffen, dass etwas im Warenkorb landet und am besten noch das Produkt mit wenig Rabatt, das ist zu wenig. Es muss das gesamte digitale Ökosystem des Unternehmens bespielt werden. Und ja, das ist dann schon komplex und genau genommen ein eigener Geschäftsbereich mit einer klaren Strategie, in dem man neue Kompetenzen benötigt. Natürlich tun sich viele traditionelle Häuser damit schwer. Es besteht kein Zweifel mehr, dass man über eine gut aufgebaute Kundenreise, die digital und stationär verbindet, mit den Kunden eine gute Beziehung aufbauen kann. Aber am Ende des Tages ist neben all den digitalen Services der Mensch an sich immer noch ein soziales Wesen. Daher ist der beste Händler jener, der die Bedürfnisse eines jeden Kunden verstehen und erfüllen kann. So entsteht Vertrauen. Der Fachhandel spielt hier eine entscheidende Rolle. Er ist in den Städten ein Teil des sozialen Lebens und hat seine Zukunftsberechtigung.

BPJ: Das bedeutet eigentlich eine Art von Re-Regionalisierung. Wie werden Sie das als Mulitbrand-Anbieter, mit teils überlappenden Markenangeboten, an Ihren drei Standorten angehen? Wie hoch wird in Zukunft auf das regionale Bedürfnis weiterhin eingegangen?

Schafelner: Das bleibt der Kern unseres Angebots. Wir wollen unseren Kunden in ihrer Region das bieten, was sie von einem professionellen Fachhändler erwarten. Wir sind nun in drei unterschiedliche Regionen aktiv und die Bedürfnisse unterscheiden sich. Aber genau darin liegt unsere Stärke. Wir sind in unserer Struktur und mit unseren Teams so aufgestellt, dass wir auf  die regionalen Bedürfnisse vor Ort eingehen können. Es ist nicht unser Ansatz, den Markt mit der Gießkanne von Paris bis New York mit gleichen Ideen zu überschütten. Bei uns zählt der persönliche Zugang zum Kunden. Dazu gehört auch, dass man Bestehendes respektiert. Daher sehen wir keine Notwendigkeit, die Marken zu verändern. Zugleich freuen wir uns, dass wir bei bestehenden Schnittmengen mit den Partnern die Zusammenarbeit vertiefen und gleichermaßen ausbauen dürfen. So werden wir an beiden neuen Standorten die Servicekompetenz nun noch erweitern und damit natürliche Synergiepotentiale heben können. Gleichzeitig können wir durch gewisse Skalierungseffekte strategische Themen, wie etwa den digitalen Bereich, mit der notwendigen Kraft bespielen. Das Ziel dabei ist, die Reichweite in Richtung Kunde ein Stück weit zu steigern.

Traditionsbewusst
Juwelier Depperich: Seit mehr als 125 Jahren eine zentrale Größe in der Innenstadt von Reutlingen.

BPJ: Mit welchen Konzepten werden Sie das angehen? Denn wie die aktuellen Daten zu Umsatzentwicklungen zeigen, sind es vor allem die mittleren Preislagen wegbrechen. Die Prognosen für das kommende Jahr 2024 sind in diesem Bereich noch sehr volatil.

Schafelner: Das ist richtig. Als Juweliere haben wir jedoch das Glück einer doch recht krisenresistenten Branche, die vor allem im hochwertigen Bereich funktioniert. Wir sehen aber durchaus, dass es im Einstieg schwerer und schwerer wird – ein Trend, vor dem auch wir uns nicht verschließen können. Das ist insofern schade, als der Kunde uns wichtig ist. Am Ende des Tages muss man jedoch auch leider sagen, dass ein gewisses Trading-up zu hochwertigen Produkten durchaus funktioniert und auch Zukunft hat. Darin spiegelt sich eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung wider, der können und werden wir uns nicht entgegenstellen.

BPJ: Sie haben an das kommende Jahr 2024 also eine durchaus positive Erwartungshaltung?

Schafelner: Wir brauchen nicht zu skeptisch sein, was das Jahr 2024 betrifft. Die Uhr und das Schmuckstück sind emotional und werthaltig. Daher stellen sie aus meiner Sicht für die nächsten Jahre eine Investmentalternative dar und haben ihre Daseinsberechtigung. Im Vergleich zu anderen Branchen sehe ich im Fachhandel daher gute Chancen.

Danke für das Gespräch!

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