Wichtig ist für Stephan LIndner im Rahmen der laufenden Diskussion, dass Juweliere vermeiden, durch eine Gleichsetzung Kunden zu verunsichern. Denn das führe, so Lindner, zur Zerstörung dessen, was Juweliere seit es sie gibt ausmacht – nämlich den Aufbau des Werts eines Edelsteins.
Es ist ein eindringlicher Appell, den Stephan Lindner, Präsident des Handelsverbands der Juweliere, an die Branche richtet. In der aktuell anlaufenden Diskussion über Naturdiamanten und synthetischen Diamanten und deren Einsatz in der Schmuckindustrie setzt er auf eine transparente Kundeninformation und rückt das Thema Werterhalt in den Mittelpunkt.
BLICKPUNKT JUWELIER: Etliche Marktteilnehmer meinen, synthetische Diamanten sind gekommen, um zu bleiben. Es sei die Entscheidung der Konsumentinnen und Konsumenten. Wie sehen Sie das?
STEPHAN LINDNER: Grundsätzlich ist der Labordiamant ein künstliches Produkt, das am Markt seinen Platz hat. Ich bin grundsätzlich nicht gegen den Labordiamanten. Der Synthetische Diamant wird seinen Platz in der Industrie finden und sucht gerade auch seinen Platz auf dem Schmucksektor. Meine Meinung ist, dass sich der Kunde frei entscheiden muss, was er kauft. Er muss richtig informiert werden. Kritisch sehe ich die verwaschene, Marketing-geprägte und zum Teil grünwaschende Argumentation, die dem Kunden etwas vormacht, was nicht so ist.
BPJ: Sie fokussieren also stark auf die großen Investments, die hinter dem neuen Produkt stehen?
LINDNER: Es gibt momentan eine sehr starke Marketing-Offensive. Aus meiner Sicht wird versucht, das Ertragspotenzial eines neuen Produkts, über dessen Rahmenbedingungen noch nicht viel bekannt ist, abzuschöpfen. Wobei das Abschöpfen nicht primär die Juweliere, sondern die vielfältigen Produzenten rund um den Globus machen. In Indien oder China kosten die Produktionsstätten und -mittel nur mehr ein Zehntel wie vor fünf Jahren. Da fallen pro Tag 50.000 Carat aus der Maschine. Das heißt, mit diesem enormen Produktionspotenzial wird versucht, durch vermeintlich hohe Caratpreise produktionsseitig hohe Profite einzufahren. Was mit Sicherheit auch gelingt.
BPJ: Welche Auswirkung haben die hohen Produktionskapazitäten?
LINDNER: Seit Beginn dieses Jahres haben sich die Preise für Laborsteine gedrittelt. Im Vergleich zu einem natürlichen Mineral, also einem Diamanten wie ihn die Natur geschaffen hat, ist der Caratpreis nicht einmal mehr ein Zehntel. Das geht in einen einstelligen Prozentsatz im Verhältnis zum natürlichen Mineral. Die Preise aber, die derzeit aufgerufen werden, sind ein vielfaches darüber, sie sind also exorbitant höher.
BPJ: Was raten sie den Juwelieren, wie sie mit der Situation umgehen sollten?
LINDNER: Ich kann jedem Juwelier nur dazu raten, sich zu informieren und abzufragen, wie seine Kunden dazustehen. Es muss jeder Juwelier seine ureigenste Einstellung prüfen, wie groß die Distanz und die Gemeinsamkeit zwischen einem synthetischen Kunstprodukt und einem natürlichen Mineral, dem Diamanten, ist. Denn, beginne ich heute, wie es teilweise in den Werbebotschaften geschieht, einen synthetischen Stein mit einem Diamanten gleichzusetzen, dann ist das eine Gratwanderung, die im unglücklichsten Fall die Zerstörung des klassischen Geschäftes der gesamten Juwelier-Branche bedeutet.
BPJ: Inwiefern ein Zerstörungspotenzial?
LINDNER: Man macht sich den Markt selbst kaputt, wenn man hier auf den Synthese-Zug aufspringt und nicht ganz klar und deutlich den Unterschied erklärt! Im Wettbewerb ist Wahrheit das A und O. Wenn ich anfange, das zu vermischen, dann tue ich mir überhaupt keinen Gefallen, denn ich verunsichere den Kunden. Letztendlich führt die Gleichsetzung zur Zerstörung dessen, was Juweliere, seit es sie gibt, ausmacht – nämlich den Aufbau des Werts eines Edelsteins.
„Eine Gleichsetzung von Naturdiamanten mit synthetischen Diamanten führt zur Zerstörung dessen, was Juweliere, seit es sie gibt ausmacht - nämlich den Aufbau des Werts eines Edelsteins.”
BPJ: Das heißt für die Kundenansprache?
LINDNER: Wenn der Kunde heute einen Zirkonia haben will, dann erhält er einen Zirkonia. Wenn der Kunde heute einen Diamanten haben will, dann erhält er einen Diamanten. Wenn der Kunde einen synthetischen Diamanten haben will, dann erhält er einen synthetischen Diamanten. Aber für mich als Juwelier ist es die Verantwortung, den Kunden darüber aufzuklären, wo die Unterschiede sind.
BPJ: Sprechen Sie bei den Unterschieden explizit den Werterhalt an?
LINDNER: Der ganz klare Unterschied ist der, dass der Diamant ein Edelstein ist. Und was heißt Edelstein? Er ist selten. Er ist natürlich. Er ist ein Mineral und nicht reproduzierbar. Er ist endlich. All das trifft auf den synthetischen Diamanten nicht zu. Er ist unendlich. Denn, so wie heute die Produktionsstätten wie die Pilze nach dem Regen aus dem Boden schießen, kann man davon ausgehen, dass diese einen unerschöpflichen Vorrat an synthetischen Steinen auf den Markt bringen werden und der Preis für diese unerschöpflichen Synthesen wird gegen Null gehen.
BPJ: Geht es dabei um Transparenz?
LINDNER: Ja, denn irgendwann wird bei der jetzigen Entwicklung zwischen dem Preis der zuvor verwendeten künstlichen Imitat-Steine und den Synthesen kein Unterschied mehr sein. Selbst wenn die Marketing-Maschinerie verkaufen möchte, dass zwischen Natur und Synthese kein Unterschied besteht, so stimmt das nicht. Eine heute gekaufte Synthese ist morgen nichts mehr wert. Es gibt keinen Zweitmarkt dafür und die Synthese ist daher nicht mehr wieder verkaufbar. Für viele Käufer spielt jedoch der Werterhalt des Diamanten eine entscheidende Rolle.
BPJ: Das heißt für Sie in der Praxis?
LINDNER: Man muss aufpassen, dass klar zwischen einem Diamanten mit Preis X und einem synthetischen Diamanten, der höchstens ein Zehntel oder gar nur ein Hundertstel von X hat, unterschieden wird. Sage ich das in aller Deutlichkeit dem Kunden, dann kann er für sich die für ihn passende Entscheidung treffen. Sage ich jedoch dem Kunden, er könne den Halbkaräter mit einem Diamanten für einen Betrag X und den gleich großen synthetischen Diamanten für nur den Betrag 0,5X kaufen, dann stimmen die Relationen nicht. Denn es entspricht nicht dem, was die Realität heute schon abbildet. Statt über die Preise zu sprechen, liegt der Fokus auf dem fairen Hintergrund von synthetischen Diamanten. Für einige mag das zutreffen. Der Großteil der Steine kommt jedoch aus China und Indien und die benötigte Energie kommt zu zwei Drittel aus fossilen Brennstoffen oder Atomenergie. Daher ist das aus meiner Sicht Schönfärberei.
BPJ: Seitens der Juweliere besteht eine gewisse Besorgnis, dass mit den synthetischen Steinen die Möglichkeit von Betrügereien Tür und Tor geöffnet würde.
LINDNER: Das liegt auf der Hand. Das fängt aus meiner Sicht schon da an, wo zwar gesagt wird, der synthetische Stein sei grüner und billiger, aber dennoch viel Geld dafür verlangt wird. Als Juwelier selbst komme ich nicht daran vorbei, mich weiterzubilden und meine Analysemethoden zur ertüchtigen. Seit Jahrzehnten wird untersucht, ob ein natürliches Mineral vorliegt oder ein Substitut. Heute muss ich unterscheiden, ob es ein natürlicher Diamant oder eine Synthese ist. Dafür gibt es spezielle Analysegeräte. Wenn ich mir dann immer noch nicht sicher bin, muss ich mir Hilfe holen. Da sind Labore, wie etwa die Deutsche Gemmologische Gesellschaft in Idar-Oberstein oder das GIA ein äußerst kompetenter und guter Anlaufpunkt. Der Aufwand dafür ist nicht hoch.
„Aus meiner Sicht wird mit einer sehr starken Marketingoffensive versucht, das Ertragspotential eines neuen Produkts, über dessen Rahmenbedingungen noch nicht viel bekannt ist, abzuschöpfen. Wobei das Abschöpfen nicht primär die Juweliere, sondern die vielfältigen Produzenten rund um den Globus machen.”
BPJ: Sie meinen also bereits beim Ankauf der Steine, sollte man Vorsicht walten lassen?
LINDNER: Habe ich als Juwelier Bedenken, dass ich die falsche Ware bekomme, dann muss ich mich mit meinem Lieferanten und Hersteller zusammensetzen und fragen, woher sie die Steine beziehen. Ich persönlich habe das bisher schon so gehandhabt. Ich wollte sicher gehen, dass die Steine, die ich beziehe mit den UN-Resolutionen übereinstimmen und ich auf das „system of warranties“ bauen kann. Das „system of warranties“ hat dazu beigetragen, dass der Markt einer anderen Verunsicherung, nämlich jener der Konfliktsteinen, bereinigt wurde. Aber das Thema ist abgearbeitet. Die Lieferanten sind sich ihrer Verantwortung bewusst und bestätigen heute, wo sie ihre Steine herbekommen.
BPJ: Das heißt, die Reise der Diamanten von der Produktion bis zum Juwelier ist nachverfolgbar?
LINDNER: Das ist richtig. Wenn auch nicht im Gros, so gibt es mittlerweile Möglichkeiten nachzuverfolgen aus welcher Mine die Steine kommen. Gibt es eine Kundschaft, die großen Wert darauflegt, so kann ich zertifizierte Steine mit Ursprungszeugnis bekommen. GIA bietet heute schon Diamanten mit dem GIA Diamond Origin Report an. Der Aufwand dafür ist etwas größer, aber damit kann ich die Steine von der Mine bis zum fertigen Schmuckstück nachverfolgen.
BPJ: Sie fragen also bei Juwelier Fridrich explizit auch nach dem Umgang mit synthetischen Diamanten bei Ihren Herstellern und Lieferanten nach?
LINDNER: Ja, dafür gilt der gleiche Umgang wie für Naturdiamanten. Wir fragten unsere Lieferanten und Hersteller, wie sie mit Synthesen umgehen. Unisono war die Antwort, dass sie ihre Steine von jenen Partnern beziehen, mit denen sie bereits lange zusammenarbeiten. Sie lassen alle Steinpartien prüfen. Sollten sie feststellen, dass Steinpartien mit Synthesen durchsetzt sind, dann wird bei dem Lieferanten nicht mehr eingekauft. Ich muss mich also auch hier darauf verlassen, dass alle unsere Partner entlang der Lieferkette ein durchgängiges Kontrollsystem haben. Und natürlich muss ich das selbst auch kontrollieren.
BPJ: Zusätzlich zu Kontrollkette bei den Juwelieren, braucht es aus Ihrer Sicht, im Sinne der Transparenz für Kundinnen und Kunden eine Kennzeichnung von synthetischen Diamanten, etwa beim Online-Verkauf?
LINDNER: Die CIBJO, die World Jewellery Confederation, hat hier bereits eine gültige Regelung verabschiedet. Darin ist festgehalten, dass der Begriff „Diamant“ dem natürlichen Mineral vorbehalten bleibt. Alles andere ist synthetischer Diamant und im englischen Sprachraum hat man „labratory grown diamonds“ zugelassen. Es gibt die Regelung also schon, man muss sich nur daran halten. Die andere Seite ist, dass es ein nicht justiziabler Handelsbrauch ist. Da sind jedoch die Regierung der einzelnen Staaten gefragt, das Wettbewerbsrecht so auszugestalten, dass dem Betrug hier kein Vorschub geleistet wird. Was Irreführung, Betrug oder unlauterer Wettbewerb ist, entscheiden die Gerichte.
BPJ: Es ist jedoch nicht die erste ähnlich gelagerte Diskussion in der Geschichte.
LINDNER: Wenn man sich zurückerinnert, vor mehr als 100 Jahren, kam bei der Weltausstellung in Paris die Zuchtperle auf den Markt. Da war die Diskussion ähnlich. Daraufhin hat die CIBJO die Zuchtperle klar geregelt: Etwas, das von Menschenhand ausgelöst ist und in einer Zucht entsteht, muss Zuchtperle genannt werden. Was ohne gestaltenden, menschlichen Einfluss in der Natur entsteht, dass darf sich weiterhin Perle nennen. Ähnlich jetzt. Die CIBJO hat festgelegt, es gibt den Diamanten und den synthetischen Diamant. Im deutschen Sprachgebrauch ist es festgelegt, dass es synthetischer Diamant heißt, wenn es sich um kein natürliches Mineral handelt.
BPJ: Was bedeutet die Situation für die Zukunft der Branche?
LINDNER: Wenn wir nicht ganz klar und verantwortungsbewusst unterscheiden, dann schaufeln wir uns als Branche das eigene Grab. Und nicht nur uns. Wir schädigen die komplette Diamantindustrie und alle beteiligten Personen, die entlang der Wertschöpfungskette an diesem Prozess beteiligt sind. Ich möchte abschließend nochmals betonen, dass ich mich nicht gegen den synthetischen Diamanten wehre. Es gibt einen synthetischen Rubin, einen synthetischen Saphir. Es gibt überall Synthesen, die ihren Platz gefunden haben. Genauso wird auch der synthetische Diamant seinen Platz finden. Nur dieser Unterschied muss deutlich kommuniziert werden. Sagt ein Kunde, er möchte sein Geld anlegen, also einen losen Diamanten oder auch ein Schmuckstück, das werterhaltend ist, dann darf er keine Synthese kaufen. Der Juwelier muss seiner Verantwortung gerecht werden, damit dem Kunden im Vorhinein klar ist, was er kauft und darauf hinweisen: Dies ist ein Schmuckstück mit einer Synthese, das ist ein großer Klunker, der kostet dich wenig Geld. Damit kann man vielleicht im ersten Moment groß beeindrucken, aber es gibt keinen Werterhalt.