Vorteil Platzhirsch! Lokales Sortiment ist wichtiger als größte Auswahl

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Nicht die Marke definiert das Angebot und gibt die Orientierung vor, sondern der Händler.

Das ideale Angebot am POS ist nicht das größte Sortiment, sondern das passende. Je besser der örtliche Händler seine Kunden kennt, desto treffsicherer kann er sein Sortiment gestalten – und ist somit allen Mitbewerbern voraus. 



Es gibt aktuell viele Gründe, den Kopf in den Sand zu stecken und von Uhren Abschied zu nehmen. Anders ausgedrückt: Viele Lieferanten machen es dem Uhrenjuwelier derzeit nicht leicht. Zu offensichtlich ist die Strategie, am „komplizierten, unliebsamen, margenfressenden Händler“ vorbei direkt zu verkaufen. Man hat den Eindruck, als ob es seit Corona und Lockdown mehr Uhrenhersteller sind, die nicht nur den Kontakt zum Verbraucher vor allem via Social Media forcieren, sondern auch den direkten Verkauf an ihn. Doch ungeahnt der offenen Frage, ob diese Strategie erfolgsversprechend ist (vor allem für Volumenmarken wie TAG Heuer oder Breitling im Unterschied zu exklusiven und Stückzahlenlimitierten Luxusanbietern wie Audemars Piguet), zwingt sie den Konzessionär zum Umdenken. Die Sicherheit der lebenslangen Zusammenarbeit mit dem Lieferanten gibt es nicht mehr. 

Die Lösung liegt im „bewusst anderen Angebot“. Nicht die Marke definiert das Angebot und gibt die Orientierung vor, sondern der Händler. Dazu ist entscheidend wichtig, seine Zielgruppe zu kennen und zu definieren. Als Glücksgriff hat sich in diesem Zusammenhang das Click & Collect in Lockdownzeiten herausgestellt.

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Für Frank-Michael Müller vom Uhrenmonitor ist klar, welchen Schwerpunkt das Uhrensortiment eines Händlers haben sollte. Es sollte eine Auswahl an interessanten Marken sein, über die der Händler etwas erzählen kann, beispielsweise die Geschichte der Uhr, erzählt am Beispiel der Einzeigeruhr am Freiburger Münster (links) und seiner modernen Version von Meistersinger.

Das Wichtigste daran: Es hat die Beziehung zwischen Juwelier und Kunden gefestigt. Unisono berichten Händler und Lieferanten von gestiegenen Durchschnittspreisen. Die „Neusituation“ des Einzeltermins beim Juwelier hat zu einer Intensivierung des Beratungs- und Verkaufsgesprächs geführt. Es war eben nicht schlimm, nicht mehr große Events zu veranstalten, sondern sich (notgedrungen) auf die besten Kunden zu konzentrieren. Wie bei der Positionierung des Portfolios, so hat es auch eine Neudefinition des Kundenkreises gegeben.

Den mathematischen Gesetzen des Pareto-Prinzips (80-zu-20-Regel) folgend, konnte der Juwelier den Großteil seines Umsatzes mit wenigen, aber den richtigen Kunden machen. Nur mit dem Unterschied, dass der Juwelier nicht 80 Prozent des Ergebnisses mit 20 Prozent des Gesamtaufwandes erreichen konnte, sondern nicht selten mehr als 100 Prozent.

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Vom Vollsortimenter zum Luxusspezialisten: Juwelier Abeler in Wuppertal hat seinen Weg gefunden und sich nun klar positioniert.

Verkaufserfolg Click & Collect

Click & Collect hat dem Juwelier große und exklusive Aufmerksamkeit gebracht. Genau dies ist heutzutage notwendig für Verkaufserfolg. Im Aufmerksamkeitsdschungel der modernen Zeit konkurrieren Tausende Informationen, Angebote, Optionen gegeneinander. Kein Mensch kann diese Vielzahl aufnehmen, geschweige denn verarbeiten. Zum eigenen Schutz blendet das Gehirn den Großteil aus. Es sei denn, es ist von persönlicher Bedeutung – diese Informationen werden wahrgenommen!

Auf den Handel bezogen, braucht es eine Spezialisierung. Der Obst- und Gemüsehändler tut das mit regionalem Angebot, das der Kunde sofort wahrnimmt. Der Supermarkt richtet eine Bio-Ecke ein. Der Fahrradhändler wird zum Spezialisten für E-Bikes oder Gravel-Bikes. Wie die Sortimentsgestaltung beim Juwelier aussehen könnte und nach welchen Gesichts- punkten der Händler vorgehen könnte, das haben wir Frank-Michael Müller vom „Uhrenmonitor“ gefragt (siehe Interview auf der nächsten Seite).

In Bezug auf das Produkt geht es letztlich um Glaubwürdigkeit. Welches Angebot ist das richtige? Es ist sicherlich nicht das größte Angebot – dann hätte der Kunde ja längst seine Uhr bei Chrono24 oder beim Hersteller gekauft – sondern das richtige. Diesen Punkt zu klären, ist eine der Kernaufgaben eines Juweliers. „Wer alles kann, kann nichts richtig“, sagt der Volksmund. Generalisten oder „Vollsortimenter“ gibt es unter den Uhren-Juwelieren kaum noch. Juwelier Abeler in Wuppertal, der von Fossil bis Rolex alles geboten hatte, hat sich neu aufgestellt, neu aufstellen müssen – und sich verständlicherweise für den Rolex-Weg entschieden. Der Grund, warum es kaum noch Vollsotimentler gibt, lässt sich an zwei Perspektiven deutlich erkennen. Der Käufer, egal ob für Fossil oder für Rolex, sucht den Experten. Ebenso tut es der Lieferant. Die Zukunft gehört dem glaubwürdigen Experten und seinem erstklassigen und maßgeschneiderten Experten-Angebot!

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Dieses Uhrensortiment ist nicht zufällig entstanden: Juwelier und Goldschmied Thomas Geschwill von Juwelier am Schloss in Schwetzingen konzentriert sich auf die Mittelpreislage und Lieferanten, bei denen die Zusammenarbeit stimmt.

Zur Definition seines Sortiments kann der Juwelier seine Stärke der Kundenbindung einbringen. Er kennt seine Kunden seit Jahren, weiß, was sie in der Vergangenheit gekauft haben und was nun passen könnte, er kann selbstbewusst zum Kunden hin kommunizieren und folglich auch seine individuell passende Auswahl definieren. Dazu aber benötigt er eine Bandbreite der Auswahl, damit der Kunde anprobieren, berühren, variieren kann. Im Unterschied zum virtuellen Angebot im Internet ist das stationäre Angebot ehrlicher, weil haptisch vorhanden. Kurzum: Je besser die Auswahl des Sortiments zum Kunden passt, desto glaubwürdiger wird der Juwelier wahrgenommen.

Je besser die Auswahl, desto glaubwürdiger der Juwelier

Weiterer Pluspunkt, der oftmals ein Alleinstellungsmerkmal des Platzhirsches ist, ist der Service. Denn über das Produktangebot hinaus zeichnet das Drumherum den Juwelier aus. Anders gesprochen: Gefragt ist eine Strategie, den Nachteil des nicht vorhandenen Produktes, beziehungsweise den Nachteil der bewussten Benachteiligung durch den Lieferanten wett zu machen. Unabhängig vom Produkt kann der Juwelier viele seiner Stärken weiterhin anwenden. Zwei Joker hat der Juwelier in der Hand, die ihm niemand nehmen kann, vor allem nicht dem Platzhirschen. Erstens: Wenn der Besuch beim Juwelier zum Erlebnis wird, hat der Juwelier gewonnen. Vor allem viele hoch positionierte Uhrenspezialisten haben in den vergangenen Jahren stark in den Ladenbau investiert – und zwar in den individuellen Ladenbau. Nicht Marken-Corner, sondern persönliche Wohlfühloasen der Juweliere sind gefragt. Der Juwelier als Gastgeber, als Dienstleister kann überzeugen und das Manko des fehlenden Wunschproduktes wett machen, bezie–hungsweise erst gar nicht aufkommen lassen.

Zweiter Joker ist das Menschliche. Einzelhandel – vor allem im Luxuskonsumgüter-Bereich – ist und bleibt ein Peoples-Business. Der Mensch entscheidet, nicht die Marke. Der Konsument will von Mensch zu Mensch gesehen werden. Je enger der persönliche Kontakt zwischen Händler und Kunde, desto besser können allerlei Irritationen umschifft werden. Am Ende der Analyse, was Erfolg als Juwelier ausmacht und was das Ziel des Juwelier-Seins ist, steht die gute Kundenbindung. „Gut“ bedeutet eng, intensiv aber auch sicher und unerschütterlich.

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Wenn ich Juwelier wäre

Für Frank-Michael Müller, Chef des „Uhren-Monitor“ als umfangreichste Verbraucher-Befragung zu Uhren, ist die Sache klar. Wenn er Juwelier wäre, bestünde sein Uhrensortiment aus einem gesunden Mix aus bekannten und individuellen Marken. „Gesund“ bedeutet für ihn mehr individuelle als bekannte Marken.

Schon allein aus Sicht des Eigenschutzes heraus würde Müller sein Uhrensortiment mit einem Schwerpunkt auf individuelle Marken definieren, damit man erstens beim Konsumenten als Spezialist wahrgenommen wird. Zweitens geht Müller da-von aus, dass es weiterhin zu einer Reduktion der großen Schweizer Luxus–marken, aber zeitgleich zu einem Erstarken der Alternativmarken kommen wird. Müller vermisst das strategische Vorgehen des Juweliers im Aufbau seines Uhrensortimentes. Oftmals sei das Sortiment des Juweliers eher zufällig entstanden.

Dem Zeitgeist der Individualität folgend, sieht er eine Hauptaufgabe im Sortimentsaufbau darin, Interesse zu schaffen und sich als interessanter Gesprächspartner zu zeigen. Wichtig seien Marken, bei denen man einzigartige Geschichten erzählen könne. Beispiel 1: Was ist mit Meistersinger? Für Müller interessant, weil die Marke erstens die Alleinstellung der Einzeigeruhr hat, und zweitens die Einzeigeruhr in die heutige Zeit der Entschleunigung passt. Beispiel 2: Was ist mit Mühle Glashütte? Auch interessant, findet Müller. Die fünfte Generation ist in der Führung, die sechste bereitet sich vor. Sein Prädikat: Einzigartig in Glashütte.

Müller: Das Thema der Sortimentsgestaltung werde in den kommenden Jahren auf beiden Seiten, also bei Lieferant und Händler, wichtiger werden.

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