Hans-Jürgen Mühle wird 80 – ein Leben für die Uhren

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Hans-Jürgen Mühle mit seinem Sohn Thilo.

Über ein halbes Jahrhundert arbeitet Hans-Jürgen Mühle in der Glashütter Uhrenindustrie: Von der Übernahme des väterlichen Betriebs im Jahr 1970 über seine Zeit als GUB-Geschäftsführer bis zur Wiedergründung des Unternehmens seiner Vorfahren hat er die Geschichte des Ortes miterlebt und mitgeprägt wie kaum ein zweiter. Geboren wurde Hans-Jürgen Mühle am 22. September 1941 in Schweidnitz. Heute wird der Gründer von Nautische Instrumente Mühle- Glashütte 80 Jahre alt.



Herr Mühle, Sie werden heute 80 Jahre alt: Eine gute Gelegenheit für einen Rückblick auf Ihr ereignisreiches Leben. Welche Erlebnisse sind Ihnen dabei besonders im Gedächtnis geblieben?

Ein ganz besonderes Ereignis war jeweils die Geburt meiner drei Kinder: Bettina und Thomas wurden 1965 und 1967 in Beierfeld geboren, wo wir in zwei Zimmern des Hotels „Zur Krone“ lebten. Ich arbeitete dort als Konstrukteur im „VEB Messgerätewerk Beierfeld“ und es war absolut keine Wohnung in der Erzgebirgsstadt zu bekommen. Thilo wurde dann 1968 in Zossen geboren, nachdem ich ein Angebot des Ziegelkombinats Klausdorf angenommen hatte und in der Abteilung für Haushalts- und Mikrotechnik einen Mikroschalter neu entwickeln sollte. Die damit verbundene Wohnung in Blankenfelde-Mahlow machte den kleinen Schalter zu einer sehr verlockenden Herausforderung.

Aus frühester Kindheit stammt dagegen eine sehr eindrückliche Erinnerung an unsere Flucht aus Schweidnitz. Im eiskalten Winter hat uns von dort ein Lastwagen der Wehrmacht mit nach Dresden genommen. Zwar war eine Plane über dessen Ladefläche gespannt worden, aber die Schneeflocken bedeckten nach und nach die Steppdecke, unter der ich mit meiner schwangeren Mutter saß. Sie mühte sich sehr damit und wischte den Schnee immer wieder mit ihren Händen von der Decke, um uns vor dem Erfrieren zu schützen.

Als junger Mann war dann die Übernahme des Betriebs „Ingenieur Hans Mühle“ ein einschneidendes Ereignis. Einerseits der frühe Tod meines Vaters, anderseits führte mich dies wieder zurück nach Glashütte, wo ich als Mitinhaber und Geschäftsführer unserer Firma ins berühmte kalte Wasser gesprungen bin. Denn als Ingenieur für Feinmechanik-Optik und Konstrukteur hatte ich von der betriebswirtschaftlichen Seite eines Unternehmens noch nicht so viel Ahnung und musste mir in kürzester Zeit viel Neues aneignen.

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Hans-Jürgen Mühle in jungen Jahren.

Wenn Sie die vergangenen 80 Jahre in einem Satz zusammenfassen wollten: Wie würde dieser lauten?

Mich freut, dass ich mir bis heute das Interesse für verschiedenste Dinge bewahrt habe, noch immer bereit bin dazu zu lernen und vor allem auch neugierig auf Neues bin.

Dazu passt ja sehr gut Ihr persönliches Lebensmotto, demzufolge man nicht dem nachtrauern soll, was man sowieso nicht mehr ändern kann – und lieber nach vorne schauen soll. Gibt es aber nicht doch etwas, das Sie sich zurückwünschen oder anders gemacht hätten?

Wie sagt man so schön: „Hinterher ist man immer schlauer.“ Wenn man auf eine frühere Entscheidung in seinem Leben zurückblickt, wird es also immer etwas geben, was man nun anders machen könnte. Aber auch wenn etwas nicht optimal lief – wie etwa den Aufhebungsvertrag mit der GUB ohne Abfindung abzuschließen – kann man dies immer noch zum Guten wenden und zum Beispiel ein eigenes Unternehmen gründen. Im Ganzen betrachtet gibt es deshalb nichts, was ich wirklich anders machen würde.

1994 haben Sie das Unternehmen Ihrer Familie wiedergegründet. Wenn Sie heute auf 27 Jahre Nautische Instrumente Mühle-Glashütte zurückblicken: Was kommt Ihnen spontan in den Sinn? Und welches war das schönste Erlebnis als Firmenchef und -gründer?

In den Jahren nach der Gründung von Nautische Instrumente Mühle-Glashütte gibt es schon einige Dinge, die uns sehr gut gelungen sind. Besonders gern erinnere ich mich dabei an die Anfangszeit des Unternehmens, wie wir drei Ingenieure – Bernhard Köhler, Siegfried Krumpolt und ich – erst einmal das Firmengebäude renovieren mussten und gleichzeitig unsere neuen Marine-Chronometer konstruiert haben, die dann reibungslos vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Hamburg zugelassen wurden.

Spannend war in den ersten Jahren im Bereich der Schiffsuhren auch die Entwicklung unserer intelligenten Nebenuhrwerke. Diese waren damals so einzigartig und fortschrittlich, dass sie uns viele Jahre die technologische Vorherrschaft bei automatisierten Uhrenanlagen gesichert haben. Viele bekannte Kreuzfahrtschiffe und Großyachten wurden in der Folge damit ausgestattet.

Im Bereich der Armbanduhren ist es unsere patentierte Spechthals-Feinregulierung, die mir hier sofort einfällt. Sie ist sehr stoßsicher und bietet gerade in Einsatzuhren wie dem S.A.R. Rescue- Timer und anderen sportlich genutzten Uhren einen echten technischen Vorteil. Sie kommt ja auch in den Robert Mühle Kalibern unserer Manufakturlinie zum Einsatz, auf die wir ebenfalls sehr stolz sein können.

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Hans-Jürgen Mühle zeigt den SAR Rescue Timer, eine Uhr, die den Anforderungen der Seenotrettung gerecht wird.

Herr Mühle, vor der Gründung von Nautische Instrumente Mühle-Glashütte waren Sie ab 1990 auch kaufmännischer Geschäftsführer der GUB: Wie kam es zu dieser Berufung?

Nachdem unser zweites Unternehmen „Ing. Hans Mühle“ verstaatlicht und 1980 schließlich in den VEB Glashütter Uhrenbetriebe eingegliedert wurde, bin ich in den Vertrieb der GUB gewechselt. Später wurde ich dann Vertriebsleiter für den Uhrensektor und habe ein Jahr lang auch unseren Vertriebsdirektor vertreten, der in dieser Zeit die Parteischule besuchte. Nach der Wende hat mich Siegfried Bellmann, der Betriebsdirektor der GUB; dann angesprochen, ob ich als Nichtgenosse nicht kaufmännischer Geschäftsführer werden wolle? Da habe ich kurzentschlossen „Ja“ gesagt.

Auf seinen Vorschlag hin wurde ich 1990 dann von der Treuhand berufen und sollte als einer von insgesamt fünf Geschäftsführern die GUB mit in das neue Wirtschaftssystem überführen. Es war eine spannende, aber auch schwere Zeit, da die Aufgabe auch die Abwicklung eines Großteils der GUB beinhaltete. So wurde alles, was nicht „Uhr“ war, in der Glashütter Uhrenbetriebe GmbH, wie die GUB nun hieß, eingestellt. Das waren immerhin gut 60 Prozent der Fertigung.

Nach der Gründung von Nautische Instrumente Mühle-Glashütte haben Sie zunächst Marine- Chronometer und Schiffsuhren produziert. Wie entstanden die ersten Armbanduhren?

Nach der Gründung von Nautische Instrumente Mühle-Glashütte bekamen wir öfter Besuch von Walter Lange und Günter Blümlein. Letzterer stammte aus der „Großuhr“ und hatte nicht nur Interesse an unserer Arbeit, sondern ihm war auch am Ausbau des neuen Uhrenstandorts gelegen. So sagte er immer zu mir, dass wer so präzise Marine-Chronometer baue, auch Armbanduhren fertigen müsse. Tatsächlich lag mir zu dieser Zeit bereits die Anfrage einer Werft vor, die für ihre Schiffe robuste Taucheruhren benötigte. So entwickelten wir 1995 für die von uns belieferte Werft eine Taucheruhr, die als Ausrüstung der Schiffsbesatzungen gedacht war. Durch die Ermutigung Günter Blümleins bestärkt, führten wir diese Entwicklung 1996 mit der Herren-Sport-Taucheruhr und einer seewasserbeständigen Marine-Fliegeruhr aus Titan fort.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Familienunternehmens Mühle-Glashütte?

Vor allem wünsche ich mir natürlich, dass unser Unternehmen weiterhin erfolgreich als Familien- Unternehmen besteht. Bei meinem Sohn Thilo ist es seit vielen Jahren ja in den besten Händen und ich freue mich, dass seine Kinder bzw. meine Enkel Fanny und Dustin nun auch mit an Bord sind. Darüber hinaus arbeiten schon lange mein Sohn Thomas, meine Schwiegertochter Mandy und mein Schwiegersohn Uwe im Unternehmen mit. Die Bezeichnung Familien-Unternehmen kann man bei uns also wirklich wörtlich nehmen.

Darüber hinaus liegen mir unsere Marine-Chronometer und Schiffsuhren weiterhin sehr am Herzen. Und auch wenn wir inzwischen überwiegend Armbanduhren fertigen, wäre ich sehr glücklich, wenn unsere Schiffsuhren diese Produktgruppe noch lange ergänzen.

Was haben Sie in den kommenden zehn Jahren bis zu Ihrem 90. Geburtstag vor?

Zuallererst möchte ich so gesund bleiben, wie ich es heute bin – das ist am wichtigsten. Dann freue ich mich darauf, die weitere Entwicklung unseres Familienunternehmens mitzuverfolgen. Da mich die nautische Welt auch in meiner Freizeit nicht ganz loslässt, ein- bis zweimal pro Jahr gönne ich mir eine Kreuzfahrt auf einem AIDA Kreuzfahrtschiff, habe ich mir noch einige Reisen vorgenommen: In diesem Jahr geht es dabei noch von Las Palmas quer über den Atlantik in die Dominikanische Republik. Zwei absolute Traumziele sind dann noch Südafrika und Grönland.

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