300 Euro – und dann? Ein Zukunftsausblick

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Juwelier Philippe Marie über den Abschied von den Einstiegspreisklassen.

Entschlossen. Der Juwelier Haarhaus im nordrhein-westfälischen Gevelsberg ist ein alteingesessenes Familienunternehmen und kann auf eine Geschichte von bald 115 Jahren zurückblicken. Nicht nur das Geschäft hat Tradition, sondern auch die Beziehungen zu den Generationen von Familien und Kunden, die den Juwelier aufsuchen.

Schon vor einigen Jahren haben Philippe Marie und seine Frau Diana die Entscheidung getroffen das günstige Preissegment zu verlassen und sich nicht nur vom Trendschmuck, sondern auch von Uhrenmarken verabschiedet. Der neue Fokus liegt verstärkt auf hochwertigem Schmuck und dem oberen Bereich der Preisskala.



Blickpunkt Juwelier: Herr Marie, wie kam es zu der Entscheidung sich mit Juwelier Haarhaus preislich nach oben zu orientieren?

PHILIPPE MARIE: Es ist schwierig, alles abzudecken und das wollten wir auch nicht mehr. Es geht auch nicht alleine um die Preislagen, sondern zum Beispiel auch darum, das Personal zu finden, wenn man ein hochfrequentiertes Geschäft hat. Noch mehr Kunden zu bedienen, kann für uns keine Alternative sein, denn es werden nicht mehr die Frequenzen erreicht, die man früher hatte – zumal viele Marken nicht mit uns als Partner auf Augenhöhe gearbeitet haben. Wir wollen mit den Lieferanten Freundschaft pflegen, deswegen arbeiten wir mit kleineren Partnern und haben die Trendmarken komplett hinter uns gelassen.

Natürlich verlieren wir dadurch auch Kunden, doch das ist eine bewusste Entscheidung, die uns in allen Aspekten guttut.

BPJ: Wie erleben Sie das Kaufverhalten Ihrer Kunden?

MARIE: Durch die Entscheidungen, die wir in den letzten drei, vier Jahren getroffen haben, hat sich die Frequenz nach unten bewegt. Das hat mit unserer Neu-Positionierung zu tun, aber auch mit den Entwicklungen im Handel, der allgemeinen Konjunktur – Covid, Inflation und den Folgen des Ukraine-Kriegs. Wir beobachten auch, dass die Frequenz bei anderen Geschäften und Branchen nachgelassen hat, und das, obwohl unsere Kleinstadt im Vergleich zu vielen anderen Städten im Umkreis überdurchschnittlich dynamisch ist.

Die Entwicklungen der letzten Jahre haben wie ein Beschleuniger gewirkt. Mit diesem Fakt müssen wir umgehen können.

Mittlerweile bezeichnen wir uns selbst als Luxus-Geschäft und nehmen das Wort „Luxus“ bewusst in den Mund. Die Menschen, die zu uns kommen, haben Bedarf. Sie wollen etwas erleben und brauchen Fachberatung. Die Beziehung zu den Kunden ist persönlicher geworden und sie kaufen vermehrt Schmuckstücke, die wertstabiler, zeitloser und ein Stück weit als Wertanlage zu betrachten sind.

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Juweliere Diana und Philippe Marie haben sich entschieden, mit ihrem Geschäft den Weg zur Hochwertigkeit zu gehen. Die Strategie ist ein Erfolg.

BPJ: In welcher Preislage starten Sie mit Ihrer Ware?

MARIE: Früher haben wir etwa ein Drittel unseres Umsatzes mit der Preislage bis 300 Euro erzielt, vielleicht sogar mehr. Allerdings ist das schon ein paar Jahre her. Doch jetzt ist es kein Segment, dem wir uns strategisch widmen. Der Einstieg soll nun bei uns eher ab 300 Euro stattfinden und entsprechend kaufen wir auch ein.

Wenn man in höheren Preislagen verkaufen will, muss man auch etwas dafür tun, dass es so wird und entsprechend gar nichts mehr unter 300 Euro ordern.

Das erfordert natürlich ein bisschen Mut. Und das geht auch nicht von heute auf Morgen.

BPJ: Der Imagewandel kam also schon vor der Pandemie und über längere Zeit.

MARIE: Genau. Wir haben stetig in kleinen Schritten an unserem Image gearbeitet, sei es bei unserem Corporate Design, den Sortimenten oder der Ladengestaltung. 2018  fand der Umbau unserer Geschäftsflächen statt. Dieses Jahr stehen wir nun besser da denn je.

Wir hatten vielleicht das Glück, dass wir diese Verwandlung schon vor der Krise begonnen hatten, aber jede Krise bietet auch eine Chance. Auch 2022 kann für viele Juweliere das Jahr sein, wo große Schritte getan werden. Man muss die Chancen trotzdem ergreifen. Der Markt ist da. Auch wenn man persönlich verunsichert ist – worauf soll man denn noch warten?


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Auch ein Umbau der Geschäftsflächen war Teil des lange vorbereiteten Imagewandels von Juwelier Haarhaus.

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BPJ: Inwieweit sind die Trends Ringstacking, Kettenlayering und Co. für Sie relevant?

MARIE: Diese Trends begleiten uns seit ein paar Jahren schon und nicht nur im Trendschmuck-, sondern auch im hochwertigen Bereich. Beispiel Finger: wo sich zu dem Antragsring gerne ein Trauring und ein feiner Memoire-Ring dazugesellen. Damit kann auch ein Anfang im wertigen Bereich gemacht werden. Beispiel Handgelenk: etwa ein Goldarmband in Kombination mit einem steinbesetzten Armband und einem Perlenarmband dazu. Diese Idee muss der Juwelier matürlich auch ein Stück weit vorleben.

Je höher die Einzel-Preislagen desto mehr spielt bei uns der altbewährte Set-Gedanke eine Rolle, wenn man über den Mehr-Umsatz spricht. So kann man dem Kunden dezent auf den nächsten Kauf einstimmen.

Ich glaube, wir erleben bei den Preisen eine Entwicklung, die nicht umkehrbar ist. Sich darauf einzustellen, erfordert natürlich Arbeit, doch unsere Kunden bestätigen uns, dass es sich lohnt. Es ist ein Paket, bei dem es nicht nur um Preislagen geht, sondern um ein Bündel von Maßnahmen, die zusammen ein stimmiges Gesamtbild ergeben müssen.

BPJ: Worauf kommt es Ihrer Meinung nach am meisten an?

MARIE: Unterm Strich muss das Ergebnis authentisch sein. man sollte mit seinem Auftritt niemanden kopieren, sondern unbedingt eine eigene Idenität schaffen, die eigene DNA pflegen.

BPJ: Welchen Rat haben Sie an Juweliere, die sich nicht über die 300 Euro trauen?

MARIE: Mehr Mut zeigen, seine Komfortzone verlassen und etwas wagen ­– auch finanziell. Bei seinen bestehenden Lieferanten, auch nach den höheren Preislagen schauen. Und wenn der radikale Schnitt nicht möglich oder denkbar ist, erstmal sich Schritt für Schritt hocharbeiten. Aus guten wie aus weniger positiven Erfahrungen lernen.

Die Richtung, die man einschlägt, entsteht auch aus der eigenen Historie heraus, denn ohne die Vergangenheit gibt es auch keine Zukunft. Ich kann nur jedem ans Herz legen, sich mit seinen Themen auseinanderzusetzen. Für uns bedeutet es: Zurück zu unseren Wurzeln.

Mein Fazit lautet: Es ist wichtig, dass man sein Geschäft mit Leidenschaft betreibt. Visionen und Träume sind wichtig. Ohne sie funktioniert es nicht.

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