Ein Geschäft nach dem anderen schließt. Wie kann der Juwelier in der heutigen Zeit überhaupt überleben? Und wenn es nicht weitergeht, wie sollte er sein Geschäft beenden, ohne dabei auch noch ein Minus zu machen? Eine Checkliste hilft.
Die Zeiten werden härter. Dem Einzelhandel und damit auch dem Juwelier weht ein eisiger Wind entgegen. Der Online-Handel explodiert, der Druck der Konzerne wächst, Miet- und Personalkosten steigen, Umsätze fallen, und die Frequenz in den Innenstädten nimmt weiter ab. Warum in die City fahren, wenn man rund um die Uhr im Netz bestellen kann und dabei noch spart? Das sehr schleppend angelaufene Weihnachtsgeschäft ist nur ein Indikator für diese Entwicklung, von der niemand weiß, wohin sie führen wird. Einige Marktforscher rechnen bis 2020 mit einem Umsatzminus von 11,5 %. In den nächsten fünf Jahren könnten bis zu 45.000 Läden vor Ort gefährdet sein. Die Aussichten sind mehr als düster – und der Juwelier bekommt die Anzeichen dafür bereits mit voller Wucht zu spüren. Viele fragen sich: Soll ich überhaupt weitermachen, wenn am Jahresende ohnehin nichts übrig bleibt? Oder muss ich mein Geschäft nur neu ausrichten, um auf dem Markt wieder eine Chance zu haben? Andere wiederum haben sich längst entschlossen, ihr Geschäft endgültig zu schließen.
Analysen sind ein Muss
Hier kommt die Walter Lehmkühler GmbH aus Hagen ins Spiel, die seit 1997 Räumungsverkäufe für Juweliere durchführt. Mittlerweile sind es weit mehr als 300 Branchenkunden, wie beispielsweis Juwelier Abeler aus Wuppertal oder Juwelier Brandes aus Garbsen, die mit dem Unternehmen zusammengearbeitet haben. Doch ein Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe steht erst am Ende eines langen und komplizierten Entscheidungsprozesses. Für Juweliere, die sich unsicher sind, ob es sich überhaupt lohnt, noch einmal mit dem Geschäft durchzustarten, oder doch besser aufzugeben, gibt es eine Art Checkliste, anhand derer die wichtigsten Parameter erhoben werden, und aufgrund derer der Experte seine Kunden anschließend berät. Lehmkühler: „Um die richtigen und jeweils immer sehr individuellen Antworten geben zu können, sind vielschichtige Analysen erforderlich.“ Zunächst werden die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen ausgewertet, dann wird die Ist-Situation analysiert.
Besonderes Augenmerk wird auf die Kostenstrukturen und auf den Umsatz der einzelnen Warengruppen gelegt. Lehmkühler: „Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sind oft zu hohe Nachlässe und ein nicht an den Umsatz angepasstes Warenlager.“ In einem weiteren Step wird das regionale Markenumfeld der Mitbewerber vor Ort erst ermittelt und dann genauestens unter die Lupe genommen, um etwaige Kannibalisierungseffekte zu erkennen. Weiterer Faktor innerhalb der Bestandsaufnahme ist die Personalstruktur und daraus resultierende Fragen wie: Stehen die Personalkosten im Verhältnis zu Umsatz und Ertrag? Wie viele Mitarbeiter sind beschäftigt? Wie steht es um die Profitcenter Werkstatt und Service? Ist hier eine Rentabilität ablesbar? Nicht zuletzt werden die Raumkosten der bewirtschafteten Fläche beurteilt. Sind diese wichtigen Faktoren negativ, ist der Lösungsansatz zu prüfen, inwieweit Kostenstrukturen wie Mietzins, Personalkosten, Warenportfolio, Markenstruktur und die Marktchancen im regionalen Markt angepasst werden können.
Lehmkühler: „Führen die gewonnenen Erkenntnisse weiter in die Richtung negativer Kennzahlen, muss zusammen mit dem Kunden über eine Schließung des Standortes konsequent nachgedacht und diese eventuell umgehend umgesetzt werden.“ An diesem Punkt stehen dann Themen, wie beispielsweise die Neuvermietung des Geschäftes und der Umgang mit dem Personalbestand, auf dem Plan.
Positiver Neuanfang
Sollten die aus der Checkliste gewonnenen Zahlen, Daten und Fakten allerdings positiv ausfallen, führen die Lösungsansätze naturgemäß in eine ganz andere Richtung: Wie kann ein Standort neu aufgestellt werden? Wie hoch sind die Investitionen? Wie sieht eine neue Marketingstrategie aus? Wie setzt sich das Warenlager zusammen? Wie straffe ich die vorhandene Personalstruktur? Wie aktiviere ich die stillen Reserven des Warenlagers? Wie setze ich die Modernisierung meines Geschäftes um? Ist eine Hochfrequenzlage für meine neue Ausrichtung noch zeitgemäß, oder ist ein neuer Standort in einer exklusiven Lage sinnvoller? Die Antworten sind schwierig. Pauschale Lösungen kann es nicht geben, denn so individuell jeder einzelne Juwelier ist, so unterschiedlich sind auch die jeweiligen Aufgabenstellungen im Detail. Dennoch gibt es Standards, die insgesamt gelten. Beispielsweise beim Thema Verkauf. Lehmkühler hat gemeinsam mit einem Trainer Coaching-Programme entwickelt, mit denen Juweliere und deren Mitarbeiter geschult werden. Nach der Devise: Produktwissen allein genügt nicht, um Kunden zum Kauf zu animieren. Auftreten, Psychologie und Kommunikation sind ebenfalls entscheidende Faktoren. Lehmkühler: „Wir wollen aus Verkäufern echte Überzeuger und Markenbotschafter machen. Das führt zu mehr Umsatz und Motivation beim Verkaufen.“
Doch was nützt dies alles, wenn das Flair im Juweliergeschäft nicht stimmt und sich der Konsument dort von vorne herein nicht wohlfühlt? Lehmkühler: „Das Schaffen einer angenehmen und exklusiven Verkaufs atmosphäre in den Geschäftsräumen ist heutzutage auch eine große Chance, sich von Mitbewerbern deutlich abzugrenzen und dem Trend Online zu trotzen.“ Um dem Verbraucher eben diese Erlebnis- und Verkaufslandschaft bieten zu können, bedürfe es an Erfahrung, Planung und tiefen Kenntnissen über die Abläufe eines modernen Juweliers. Lehmkühler: „Wir nehmen aber nur einen Beratungsauftrag an, wenn wir zur Lösung des Problems beitragen können.“
Checkliste: Aufgeben oder Weitermachen?
1. Auswertung der betriebswirtschaftlichen Kennzahlen
2. Fundierte Analyse der Ist-Situation
3. Kostenstruktur
4. Markenportfolio
5. Regionales Markenumfeld
6. Personalstruktur
7. Personalkompetenz bzw. Qualifizierung
8. Standortbestimmung
9. Definition und Umsetzung der geeigneten Maßnahmen
10. Investition für die Neuausrichtung
11. Regionale Marktanalyse
12. Erstellung eines Businessplan
Was Walter Lehmkühler der Branche rät, gibt's im JuwelierTV-Interview:
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