Die Nachfolge zur regeln, ist für Juweliere heutzutage eine Herausforderung. Ganz gleich, ob Familienmitglieder oder Externe übernehmen. © New Africa/ Shutterstock.com
Fast ein Fünftel der Fachhändler hat bereits in den zehn Jahren vor der Pandemie die Türen für immer geschlossen. Damit die Nachfolge gelingt, sind neue Arbeitszeit- und Finanzierungsmodelle nötig, vor allem aber eine solide, langfristige Vorbereitung. Hier ist der zweite Teil der großen Story, den ersten können Sie HIER nachlesen.
Die externe Nachfolge aber wird immer häufiger. Auch Rolex-Fachhändler werden heute immer öfter nicht mehr vererbt, sondern von anderen Rolex-Partnern übernommen. Soeben war bei Thoma in Baden-Baden Räumungsverkauf. Nittel aus Freiburg wird dort das Geschäft nach Umbau im August neu eröffnen. Juwelier Böhnlein mit seinem Stammhaus am Grünen Markt in Bamberg hat über die Jahre expandiert und zum Beispiel in Heilbronn den Traditionsjuwelier Beilharz übernommen. Die Übernahme durch Kollegen funktioniert nicht nur im absoluten Luxussegment: In Bad Lippspringe hat Janina Klahold 2022 den Juwelier Bose übernommen. Sie betrieb bereits das Schmuckgeschäft Monna Lisa in Altenbeken. In Bad Lippspringe hat Klarhold nun umgebaut und mit einem neuen Trauringstudio wiedereröffnet. In Unna war der Juwelier Liebehenschel zwar bereits Anfang letzten Jahres geschlossen worden. Jetzt soll hier doch wieder ein Juwelier mit Vollsortiment entstehen. Marcel Sollik, der mehr als 20 Jahre ein Geschäft in Havixbeck geführt hat, will an seine alte Wirkungsstätte zurückkehren (er hatte bei Liebehenschel gearbeitet, bevor er sich selbständig machte). Sein Geschäft in Havixbeck hat er für eine Zukunft in Unna bereits aufgegeben.
„Bei der Suche nach einem geeigneten Nachfolger kann es sich lohnen, sich in der Umgebung umzusehen”, konstatiert Axel Fritsch, „auch wenn man dafür manchmal zuerst über den eigenen Schatten springen muss.” Haben ein kleinerer Goldschmied, ein Uhrmacher oder ein Juweliere Interesse ein größeres Objekt zu übernehmen? Will ein Fachhändler aus einer nahen Stadt mit einem weiteren Geschäft expandieren? Solche Lösungen haben den Vorteil, dass der Nachfolger ein sehr genaues Bild von dem hat, was ihn erwartet.
Nicht nur in Kleinstädten wird die Suche nach einem geeigneten Nachfolger immer schwieriger. Und längst finden nicht nur Fachgeschäfte mit geringem Umsatz, sondern auch florierende Juweliere mit der Nachfolge schwer. Dafür gibt es vor allem drei Gründe: Die hohe Arbeitszeitbelastung, die Finanzierung und den „Reformstau”: Wenn der letzte Umbau ebenso lange her ist wie die letzte Sortimentsüberarbeitung, und die Umsätze nicht mehr stimmen, wird manche Kleinstadt ihren letzten Juwelier verlieren. Bei den Themen Arbeitszeit und Finanzierung aber gibt es durchaus erfolgversprechende Modelle. Jüngere und damit potenzielle Nachfolger wollen nicht „nur” arbeiten und scheuen daher eine Selbständigkeit. Eine mögliche Lösung:
Immer mehr Juweliere bleiben nach dem Vorbild der Friseure am Montag geschlossen. Die Juwelier Kuhnle in Fürth, Reiffert in Bornheim und Bonkhoff in Homburg sind dafür nur drei funktionierende Beispiele. Was der Entlastung des Personals dient und zum Teil dem Fachkräftemangel geschuldet ist, kann auch für Nachfolger ein attraktives Modell sein, um zumindest etwas mehr Work-Life-Balance für sich zu gewinnen. Auch der Dienstag steht durchaus zur Disposition.
Einen anderen Weg ging man in Haren: Hier haben die beiden Mitarbeiterinnen, Helen Schlotmann und Mechthild Tiek im letzten Frühjahr das Juwelier-Geschäft Jongebloed gemeinsam übernommen, das jetzt als „Juwelier am Rathaus” firmiert. Auch hier aber habe das Thema Arbeitsbelastung durchaus eine Rolle gespielt: „Alleine hätte ich das Geschäft nicht übernommen”, sagt Helen Schlotmann, Mutter von zwei Kindern. Die Lösung: Als Team den Sprung in die Selbständigkeit wagen.
Vorgänger Jongebloed hatte nicht mehr damit gerechnet, noch einen Nachfolger zu finden und war dementsprechend begeistert, dass Helen Schlotmann und Mechthild Tiek übernehmen wollten. In Haren spielte auch die Bank mit. Für einen großen Umbau sind nach der Übernahme zwar keine Mittel eingeplant – aber mit dem neuen Namen „Juwelier am Rathaus”, einer Renovierung, neuer Deko und einer Überarbeitung des Sortiments ist die Veränderung dennoch spürbar und kommt bei den Kunden an. Marken wie Adora, Engelsrufer, MyTrends, Fossil oder Festina blieben. Neue wie Spirit Icons oder Fritsch Sterling kamen hinzu.
Oft fehlt es Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zu einer Übernahme bereit wären an den finanziellen Mitteln (s. u.). „Oft fehlt es auch am Mut zur Selbständigkeit”, weiß Unternehmensberater Alexander Schmidt: „Man findet kaum jemanden mehr, der ein Juweliergeschäft mit Warenbestand, Mitarbeitern und Einrichtung übernehmen will.” Für seine Kundin, Martina Waigel, Inhaberin von Juwelier Haussmann in Göppingen, nicht der einzige Grund, erst den Räumungsverkauf zu machen und dann einen Nachfolger zu suchen: „Ich wollte den Lagerbestand nicht übergeben, sondern meine Ware selbst verkaufen.” Sie hatte das Geschäft 1999 von den Eltern übernommen und hat es nie bereut: „Es ist ein Privileg, in dieser Branche zu arbeiten, weil wir es nur mit schönen Dingen – Schmuck und Uhren zu tun haben”, betont die Juwelierin: „Mein Beruf ist mein Hobby und umgekehrt.” Ihre Begeisterung ist ansteckend. In einer Werbekampagne für die „Next Generation Juwelier” wäre sie eine ausgezeichnete Protagonistin.
Ihr Geschäft, vor sechs Jahren von Heikaus umgebaut, steht glänzend da, punktet bei den Kunden mit Marken wie Al Coro, FOPE, Gellner oder Gerstner, mit Breitling, Union Glashütte, Junghans, Michel Herbelin und Jaques Lemans. Ein möglicher Nachfolger für das 90 m² Geschäft in Göppingen könnte quasi schlüsselfertig (inklusive Werkstatt) übernehmen. Und den wird sie jetzt, wo der Räumungsverkauf endet, suchen.
Solche Voraussetzungen sind nicht überall gegeben. Wenn der letzte Umbau lange her ist, die Zahl der Kunden und der Umsatz stetig nachlassen, wird es mit einer Übernahme schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Denn hier wird sich kaum ein fähiger Nachfolger „mit Begeisterung und Engagement finden”, wie ihn Axel Fritsch (s.o.) voraussetzt. Immer häufiger landen Nachfolgegesuche sogar bei eBay-Kleinanzeigen: Diverse Juweliere suchen hier einen Nachmieter / Nachfolger / Käufer – aktuell zum Beispiel in Marxloh, Menden, Moers und München.
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