Nachfolger gesucht (Teil 1): Wie die Übernahme funktionieren kann

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Die Nachfolge zur regeln, ist für Juweliere heutzutage eine Herausforderung. Ganz gleich, ob Familienmitglieder oder Externe übernehmen. © New Africa/ Shutterstock.com

Fast ein Fünftel der Fachhändler hat bereits in den zehn Jahren vor der Pandemie die Türen für immer geschlossen. Damit die Nachfolge gelingt, sind neue Arbeitszeit- und Finanzierungsmodelle nötig, vor allem aber eine solide, langfristige Vorbereitung. 



Eine erfolgreiche Übernahme steht und fällt mit der Fähigkeit, der Begeisterung und dem Engagement des Nachfolgers”, sagt Axel Fritsch. Aber natürlich kommt es auch auf die Lage, das Umfeld und den Zustand des Geschäfts an. Der erfahrene Außendienstler und Markengründer (Spirit Icons und Fritsch Sterling) kennt vermutlich jedes Geschäft in Deutschlands Norden und hat dementsprechend viele gelungene und auch weniger gelungene Übernahmen erlebt –und das Sterben vieler Juweliergeschäfte.

Eine gute Planung ist aus Sicht von Axel Fritsch das A und O: „Eine Nachfolge sollte mittelfristig vorbereitet werden.” Einen Drei- bis Fünf-Jahresplan hält Fritsch für realistisch: „Kurzfristig einen Nachfolger zu finden, gleicht eher einem Glücksspiel”. Auch Thomas Steininger, Geschäftsführer der Juwelierverbund-Gruppe DIADORO, hat die Erfahrung gemacht, dass „es neben dem Tagesgeschäft oft mehr Zeit braucht als angenommen, bis alles vertraglich geregelt ist und die Übernahme erfolgen kann.” Nicht nur das Finanzielle. „Es liegt in der Natur der Sache, dass der Nachfolger manches anderes machen will als der Vorgänger, der das Geschäft oft jahrzehntelang geführt hat.” 

Nicht nur bei Übernahmen innerhalb der Familie erfolgt häufig ein sukzessiver Übergang, der einvernehmlich und verbindlich geregelt werden muss. Wie lange unterstützt der Vorgänger seinen Nachfolger noch im Geschäft? Wer hat welche Verantwortlichkeiten, ist in welchen Fällen Ansprechpartner für Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter? Bei DIADORO hat man Checklisten für die Übergabe erarbeitet und fungiert auch als Moderator – „und manchmal auch als Mediator, der hilft, die unterschiedlichen Vorstellungen von Vorgänger und Nachfolger in Einklang zu bringen. Zudem unterstützen wir persönlich und mit diversen Tools den Nachfolger dabei in seine neue Rolle hineinzuwachsen.”

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Eine der Herausforderungen dabei ist: „Wer sein Geschäft übergeben will, unterliegt oft einem Wunschdenken, was die Ablösesumme angeht”, weiß Thomas Steininger: Aber in unserer Branche hätten sich die Verhältnisse bei den meisten Übergaben grundlegend verändert, betont Steininger: „Die ,Verhandlungsmacht' liegt heute meist bei den Jungen – weil es mehr Geschäfte gibt, die zur Übergabe anstehen als  potenzielle Nachfolger.” Dieser Trend werde sich in den nächsten Jahren noch verstärken, ist Steininger überzeugt.

Dabei waren die Zahlen schon vor der Pandemie dramatisch. Jeder fünfte Einzelhändler im Bereich Uhren und Schmuck hat im Zeitraum zwischen 2011 und 2019 seine Türen für immer geschlossen. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Zum einen der generelle Strukturwandel – gerade in den Innenstädten (siehe Seite 16). Zum anderen wirkt die hohe Arbeitszeitbelastung auf die nächste Generation oft ebenso abschreckend wie die nötigen Investitionssummen. Hinzu kommt: Viele kleinere Juwelier-Geschäfte, meist in ebenso kleinen Orten, rechneten sich für den bisherigen Inhaber zwar noch so eben, werfen für einen Nachfolger aber dauerhaft nicht mehr genug ab. Ein Problem, das heute angesichts noch steigender Mieten in manchen Lagen auch florierende Fachgeschäfte treffen kann.

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Im Team stark: Der Juwelier am Rathaus in Haren wird seit einem Jahr von Helen Schlotmann und Mechthild Tiek geführt. Die beiden früheren Mitarbeiterinnen haben das Juwelier-Geschäft Jongebloed übernommen. Das Feedback der Kundschaft ist gut und das Geschäft läuft.

Doch immer öfter ist aber gar kein Nachfolger in Sicht. Die Pandemie und Unsicherheiten angesichts von Krieg, Krise und Inflation hat auch geplante Übergaben scheitern lassen – in allen Branchen. 

„Neben dem Fachkräftemangel steuert unsere Wirtschaft auch auf eine Unternehmerknappheit zu“, sagt Peter Adrian, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer DIHT: „Vor allem in Handel, Gastronomie und bei den Dienstleistungen droht vielen Unternehmen beim Generationswechsel mangels Nachfolger das Aus.“ Innerhalb von vier Jahren (2022 bis 2026) werden in Deutschland 190.000 Unternehmens-Nachfolger gesucht, davon 34.900 allein im Handel.

Die Historie der Juweliere in Deutschland ist voller erfolgreicher Beispiele dafür, dass die Übegabe von einer Generation auf die nächste – innerhalb und auch außerhalb der Familie – funktionieren kann. Ob Juwelier Wilm in Hamburg (seit 250 Jahren in Familienbesitz), Juwelier Fridrich in München (seit mehr als 150 Jahren), Mühlbacher in Regensburg oder Schumann in Bad Godesberg (beide fast 120 Jahre). Nur vier Beispiele von vielen. Was in vielen Juweliers-Familien Tradition war, ist allerdings längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Ein Kernproblem: Die junge Generation ist immer weniger bereit, die hohe arbeitszeitliche Belastung einer Selbständigkeit und deren Risiken auf sich zu nehmen. Zudem hat sie heute eine Fülle anderer beruflicher Möglichkeiten als die, das elterliche Geschäft zu übernehmen. Wohl dem, der einen Nachfolger in der Familie hat. Zwar läuft auch hierbei nicht immer alles problemlos – aber diese Probleme sind in der Regel lösbar. 


5 Tipps wie die Übernahme gelingt

  • Langfristig planen
  • Offen kommunizieren
  • Verbindlich handeln
  • Finanzierungsmodelle prüfen
  • Für den Nachfolger werben
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