Gunnar Binder ist seit Anfang des Jahres neuer CEO bei Christ. © CHRIST
Expansion, Omnichanell, CHRIST-Silber und Nachhaltigkeit! Ein Jahr nach dem Kauf der Christ Gruppe durch Morellato fällt die Bilanz des neuen Christ-CEO Gunnar Binder positiv aus. Und das nicht nur sinnbildlich, sondern auch zahlenmäßig. BLICKPUNKT JUWELIER hat das erste Interview.
BLICKPUNKT JUWELIER (BPJ): Vor etwas über einem Jahr hat Morellato die Christ Gruppe übernommen. Seit etwas über drei Monaten sind Sie der neue CEO bei Christ. Wie fällt Ihre erste Bilanz aus?
GUNNAR BINDER: Bei dem Wort Bilanz denke ich erstmal an die echte Bilanz. Und hier sind wir im ersten Jahr nach einer Übernahme positiv, und zwar auch dank der Maßnahmen, die Massimo Carraro (Präsident der Morellato Group) als Interims-CEO auf den Weg gebracht hat.
BPJ: Welche Maßnahmen sprechen Sie hier im Besonderen an?
BINDER: Unseren Fokus auf Gold-Artikel als zentrales Element plus die Anpassungen im Store-Layout. In Kombination mit unserem verstärkten Schwerpunkt auf die Filialen konnten wir diesen sehr raschen Turnaround zu einem positiven Ergebnis schaffen. Darauf aufbauend haben wir eine Strategie für 2024 ausgearbeitet, die alle unsere 7 Betätigungsfelder und alle Mitarbeiter:innen umfasst und die uns als eine Art Kompass für all unsere Aktivitäten dient. Mit dem Ziel natürlich, Christ noch mehr für die Kundinnen und Kunden attraktiv und damit weiter profitabel zu machen. Insbesondere die Expansion, der weitere Store-Umbau und die Erweiterung um wertvolle Sortimente, d.h. Schmuckbereiche im Echtschmuckbereich, werden dazu beitragen. Zugleich setzen wir stark auf Nachhaltigkeit.
BPJ: Sie sprechen die Erweiterung der Schmuckbereiche an – können Sie hier schon mehr verraten?
BINDER: Im letzten Jahr haben wir sehr erfolgreich auf Gold-Artikel gesetzt. Diese Sortimente mit werthaltigen Metallen führen wir nun mit Silber fort. Es wird also Christ-Silber geben, wobei wir auf recyceltes Edelmetall setzen. Damit bedienen wir zwei große Trends: werthaltig, aber preisgünstig und nachhaltig.
BPJ: Noch einmal zurück zu Ihrem eingangs erwähnten strategischen Kompass. Ein Kompass weist immer einen Weg. Was ist das Ziel dieses Weges?
BINDER: Christ wird seine Nr. 1 Position in Deutschland und Österreich weiter ausbauen. Und: Alle Morellato-Unternehmen streben gemeinsam die europäische Marktführerschaft an. Unser Strategie-Kompass, den wir in den letzten drei Monaten für Christ erarbeitet haben, definiert sieben ineinandergreifende Hebel mit einem klaren Fokus auf Kund:innen und Profitabilität. Das sind beispielsweise die weitere Expansion oder stärkere Gruppenintegration, aber auch Punkte wie Shopping Experience oder Digitalisierung.
BPJ: Stichwort Expansion. Wie geht es weiter? Christ ist in seiner digitalen Präsenz einzigartig stark, nun rückt aber der Retail stärker in den Vordergrund . . .
BINDER: Ja, einer unserer wichtigsten Schwerpunkte für dieses Jahr ist der Retail. In der Vergangenheit war Christ ein Online-First- Unternehmen. Das ist ein ganz anderer Schwerpunkt. Uns geht es jetzt um ein ausgewogenes Miteinander dieser beiden wichtigen Vertriebswege im Sinn einer „Omnichannel-Strategie“. Was die Erweiterung unseres Filialnetzes betrifft, so sind für dieses Jahr für Deutschland und Österreich insgesamt 10 neue Filialen geplant, wovon bereits 7 definiert wurden. Entsprechend unserem Strategie-Kompass geht es bei unserem Schwerpunkt Retail aber natürlich nicht nur um die Anzahl der Filialen, sondern auch um ein optimiertes Kund:innenerlebnis, einem starken Zusammenspiel zwischen Online und Offline, um optimal auf alle Bedürfnisse der Kund:innen eingehen und sie langfristig binden zu können und nicht zuletzt natürlich auch um Mitarbeiter:innenmotivation und –schulungen.
BPJ: Trotzdem sind aber auch online weitere Maßnahmen geplant?
BINDER: Ja, denn auch online werden wir weiterwachsen. Davon sind wir als Marktführer fest überzeugt. Omnichannel ist deutlich mehr als nur die Kombination von zwei Vertriebswegen. Wichtig ist für uns, die Kund:innen in den Mittelpunkt zu stellen. Der oder die Kund:in entscheidet, wie sie sich informiert, wo sie auswählt, wo sie kauft und wie sie die Ware erhält. Die nahtlose Verzahnung nicht nur der Verkaufswege, sondern insbesondere die holistische Perspektive auf Kund:innen ist das, was omnichannel ausmacht. In diesem Sinne werden wir versuchen mehr in CRM zu investieren, um die Kund:innenbedürfnisse noch besser zu verstehen und bedienen zu können. Dazu gehört z.B. auch ein überarbeitetes und verbessertes Kund:innenbindungsprogramm, das wir gerade mit Hochdruck angehen und das Teil unserer Strategie 2024 ist.
BPJ: Noch einmal zurück zu Retail: Das neue Kundenleitsystem soll das Kundenerlebnis in den Vordergrund stellen. Darüber hinaus führt ein Leitsystem auch stets zu bestimmten Produktgruppen, markenmäßig und/ oder auch preistechnisch.
BINDER: Christ setzt dabei zunächst einmal auf eine sehr klare und übersichtliche Präsentation unserer sehr breiten Juwelierskompetenz. Die Bereiche Uhren und Schmuck werden deutlich getrennt, wir zeigen weniger pro Marke, dafür jedoch so viele Marken wie möglich. Diese klare Linie beginnt beim Schaufenster und setzt sich im Innenraum fort. Zusätzlich weisen visuals auf die verschiedenen Schmuckbereiche wie Gold, Gold Farbstein, Gold Diamant und neu auch Silber etc. hin. Auch was mögliche Änderungen bei den Marken betrifft, trennen wir die Bereiche Uhren und Schmuck. Bei den Uhren ist v.a. die sehr erfolgreiche Maserati-Uhr dazu gekommen, hier wird sich nicht mehr sehr viel ändern. Für den Schmuckbereich sieht das anders aus. Ganz klar werden wir einen noch stärkeren Fokus auf unsere Eigenmarken legen. Schon aus Platzgründen wird es hier zu Änderungen im Fremdmarken-Sortiment kommen müssen. Und natürlich haben wir mit Morellato den Vorteil einer funktionierenden asiatischen, aber auch europäischen supply chain. Wir suchen jetzt auch keine eigenen Lieferanten mehr, sondern setzen auf das etablierte Netzwerk von Morellato – und haben zusätzlich dort den Kostenvorteil.
BPJ: Das wird stets als der große Vorteil dieser Big & Big-Kombination zwischen dem starken Produzenten Morellato und dem starken Christ-Vertrieb genannt . . .
BINDER: Dabei – und das ist ein ganz wichtiger Punkt – ist es jedoch falsch, Morellato lediglich auf seine Rolle als Produzent zu begrenzen. Mein Verständnis ist, dass Morellato insbesondere die Markttrends im wholesale in verschiedenen Märkten und im Retail in Italien und Frankreich exzellent kennt und daher über ein extrem großes Know-how verfügt, was funktioniert und was nicht. Als Marktführer in Deutschland wissen wir wiederum, was hier funktioniert. Darin liegen aus meiner Sicht eine große Stärke und ein gegenseitiges Befruchten. Übrigens: So unterschiedlich sind die Märkte nicht. Rund 80 Prozent ist vergleichbar, lediglich etwa 20 Prozent landestypisch.
BPJ: Wer ist jetzt bzw. wird künftig für das Design bei Christ zuständig sein?
BINDER: Design ist nicht alles. Es geht um Merchandising, d.h. die sinnvolle Planung, welche Marken, welche Sortimente und welche Preispunkte besetzt werden – heute und zukünftig. In diesem Sinne hat die Einkaufsabteilung bei Christ eine umfassendere Aufgabe erhalten. Merchandising wird eine der Kernkompetenzen von Christ sein.
BPJ: Mit der neuen Marke Live Diamond setzt Christ auf labgrown Diamanten. Werden diese Ihrer Meinung nach in Zukunft eine wichtigere Rolle spielen?
BINDER: Wir bieten beides an, sowohl labgrown Diamanten als auch natürliche Minendiamanten. Grundsätzlich kommen die Anfragen zu laborgezüchteten Diamanten oftmals von einer preissensibleren Käufer:innenschaft, aber oft auch einer Kundschaft, der Nachhaltigkeit wichtig ist. Wir sehen die Chance von Live Diamond vor allem in der Nachhaltigkeit, zusätzlich natürlich zur Preisgestaltung.
BPJ: Abschließend: Im Vorjahr gab es den Plan als Großhändler anderen Juwelieren anzubieten. Wie ist hier der aktuelle Status?
BINDER: Dieses Projekt haben wir inzwischen umgesetzt. Wir sind mit der nxt lvl Gesellschaft, einer 100% Tochter von Christ, im wholesale aktiv. Der Auftritt auf der Inhorgenta im Februar war sehr ermutigend. Trotz allem handelt es sich natürlich um ein sehr junges und kleines Projekt, das hohes Potential hat, aber auch Zeit braucht, um sich zu entwickeln. Hier können wir übrigens auch wieder von den Vorteilen profitieren, die sich aus der wholesale Expertise von Morellato ergeben. Das Markenportfolio zum Start ist eine ausgewogene Mischung aus verschiedenen Marken wie Jette, Esprit oder Morellato Armbändern mit konsumigen Preislagen und Trendcharakter.
BPJ: Danke für das Gespräch.