Corona: Grenzüberschreitende Logistik braucht klare Regeln

Stau-Chaos wegen Corona. (Credit: swa182 / Shutterstock.com)

Stau-Chaos wegen Corona. (Credit: swa182 / Shutterstock.com)

Die aktuellen Vorschriften für Einreisende nach Deutschland stellen die gesamte Transport- und Logistikbranche vor eine Zerreißprobe.


Ohne Nachbesserungen wird es bei der Versorgung der Bevölkerung zu Engpässen kommen, berichtet der Handelsverband Deutschland (HDE).

Nachbesserungs-Forderungen des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e.V., des Handelsverbands Deutschland – HDE e.V. und des Deutschen Fruchthandelsverbands e.V. auf einen Blick:

  • Sofortiges Ende der unüberschaubaren Verordnungslage auf Bundes- und Länderebene
  • Übersichtliche und einheitliche Kommunikation (geänderter) Melde-/ Test- und Quarantänevorschriften in deutscher und englischer Sprache auf einer bundesweiten Plattform
  • Schaffung einer geeigneten Testinfrastruktur mit Testdokumentation in den zulässigen EU-Sprachen, v.a. an den Grenzen
  • Generelle Ausnahme der „Transport Workers“ von Test- und Quarantänepflichten wie in der Empfehlung des Rats der Europäischen Union vom 01.02.2021 kommuniziert
    Zum Hintergrund:

    1. Sofortiges Ende der unüberschaubaren Verordnungslage auf Bundes- und Länderebene

    Die Vorschriften für Einreisende nach Deutschland werden zum Teil auf Bundesebene (Coronavirus-Einreiseverordnung; Melde-, Test- und Nachweispflichten) und zum Teil auf Länderebene (Quarantäneverordnungen) geregelt. Jedes Bundesland hat dabei unterschiedliche Quarantäneregelungen, weil die zu Grunde liegende Muster-Quarantäneverordnung, die vom Bundesinnenministerium koordiniert wird, nicht bindend ist. Die bestehenden Vorschriften sind entsprechend uneinheitlich:

    Für Lkw-Fahrer gibt es in Deutschland (außer in Brandenburg) nirgends die von der EU-Kommission dringend empfohlenen und in fast allen anderen Staaten umgesetzten grundsätzlichen Ausnahmen von Test- und Quarantänepflichten. In manchen Bundesländern (Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern) müssen Fahrer z.B. nach der Rückkehr aus Virusvariantengebieten (in M-V: auch bei Rückkehr aus Hochinzidenzgebieten) ausnahmslos in Quarantäne. In der Folge fehlt das ohnehin knappe Fahrpersonal, um die Lieferkette weiterhin am Laufen zu halten. Diesbezüglich war die Vorschriftenlage in der ersten Welle im Frühjahr deutlich besser geregelt.

    2. Einheitliche Kommunikation (geänderter) Melde-/ Test- und Quarantänevorschriften in deutscher und englischer Sprache auf bundesweiter Plattform

    Die Regelungen sind in ihrer Summe (v.a. durch die unterschiedlichen Länderregelungen) in der Praxis kaum mehr zu durchblicken. Insbesondere die 16 unterschiedlichen Länder-Quarantäneverordnungen werden ständig geändert. Die Veröffentlichung im Internet ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich und es fehlen konsolidierte Texte. Es gibt keine offizielle deutschsprachige Übersicht über die Gesamtheit der Corona-Regelungen, geschweige denn eine wenigstens englischsprachige Übersetzung für ausländische Fahrer. In anderen EU-Staaten sind solche offiziellen Informationen eine Selbstverständlichkeit. Damit wird rechtskonformes Verhalten in Deutschland zum Glücksspiel. Das gilt für deutsche Unternehmer und ihre Lkw-FahrerInnen, aber umso mehr für die über 40% gebietsfremden Transportdienstleister.

    3. Schaffung einer geeigneten Testinfrastruktur mit Testdokumentation in den zulässigen EU-Sprachen

    Die Coronavirus-Einreiseverordnung schreibt Lkw-Fahrern bei Einreise aus Virusvariantengebieten generell und bei Einreise aus Hochinzidenzgebieten im Falle von Aufenthalten von über 72 Stunden die Durchführung eines Corona-Tests bereits vor Überschreiten der deutschen Grenze vor. Die Tests dürfen zudem nicht älter als 48 Stunden sein. Es existiert allerdings keine Testinfrastruktur, v.a. nicht an den Grenzen, die mit dem Lkw angefahren werden kann und wo der Fahrer auch die erforderliche Testdokumentation in einer der zulässigen EU-Sprachen erhält (D/E/F). 

    Wenn Einreisetests trotz allem als unumgänglich betrachtet werden sollten, muss auch die erforderliche Infrastruktur dafür geschaffen werden! Frankreich z.B. fordert Tests von Fahrern, die aus GB und Irland einreisen, hatte aber zuvor mit den beiden betroffenen Staaten über die Einrichtung von Testzentren verhandelt und diese veranlasst. Deutschland hingegen zeigt wenig Interesse dafür, wie seine Testvorschriften überhaupt eingehalten werden können, und überlässt es den Lkw-Fahrern und -Fahrerinnen, unterwegs auf eigene Faust geeignete Testmöglichkeiten zu finden. Das Bundesgesundheitsministerium verweist freundlich auf die Möglichkeit, sich in französischen Apotheken testen zu lassen – eine unlösbare Aufgabe mit bis zu 4 Metern hohen, 2,60 Metern breiten und 18,75 Metern langen 40-Tonnern!

    4. Generelle Ausnahme der „Transport Workers“ von Test- und Quarantänepflichten 

    Zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit sind dringend einheitliche und unbefristete Ausnahmen für den Güterverkehr notwendig: Die 72 Stunden-Ausnahmen in der Coronavirus-Einreiseverordnung und vielen Länder-Quarantäneverordnungen sind praxisfremd und unzureichend angesichts gesetzlich vorgegebener Lenk- sowie Tages- und Wochenruhezeiten. Güterverkehr spielt sich im EU-Binnenmarkt regelmäßig grenzüberschreitend ab. Die EU-Kommission hat daher aufgrund der systemrelevanten Bedeutung des grenzüberschreitenden Güterverkehrs die sog. Green Lanes eingeführt, die einen reibungslosen Grenzübertritt und das Aufrechterhalten der Lieferketten ermöglichen sollen. Der Rat der EU hat zudem am 01.02.2021 eine Empfehlung ausgesprochen, wonach Grenzschließungen unzulässig sind, soweit sie den Warenverkehr beeinträchtigen, und bestimmt, dass „transport workers“ generell von jeglicher Quarantäne- und Testpflicht auszunehmen seien! Alle anderen EU-Mitgliedsstaaten haben das bereits umgesetzt.

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