Schweizer Uhren: Wachstum gerade angesichts der Inflation

Der Wunsch nach edlen Zeitmessern ist auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten groß. © Shutterstock

Der Wunsch nach edlen Zeitmessern ist auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten groß. © Shutterstock

Eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung Deloitte zeigt die künftige Marktentwicklung: Wachstum gerade wegen der Inflation, Boom bei CPO-Uhren und ein steigender, aber (noch) sehr geringer E-Commerce-Anteil von 15 Prozent.



Trotz hoher Inflation und geopolitischer Unsicherheiten herrscht in der Schweizer Uhrenindustrie eine optimistische Stimmung. Mit gutem Grund, wie die Analyse der Unternehmensberatung Deloitte zeigt. Edle Zeitmesser sind begehrt, auch und gerade bei der jungen Zielgruppe und jenen, die in wirtschaftlich turbulenten Zeiten verstärkt auf alternative Investments setzen.

Unter den Vertretern der Schweizer Uhrenindustrie herrscht mehrheitlich die Meinung, dass sich der Wachstumstrend der letzten beiden Jahre heuer fortsetzen wird, wenn auch nicht auf allen Märkten und mit der selben Intensität. Mehr als drei Viertel rechnen in den USA, die gemessen am Exportvolumen bereits jetzt der wichtigste Absatzmarkt sind, mit einer mittleren oder sogar starken Steigerung. Noch besser schätzt man die Chancen im Nahen Osten sowie in Asien ausgenommen China und Hongkong ein. Für den europäischen Markt, der mit Verzögerung aus der Corona-Krise gekommen ist, geht knapp mehr als die Hälfte von einer Umsatzsteigerung aus und ein weiteres Drittel davon, dass man das derzeitige Niveau wird halten können.

Die größten Hürden für anhaltend gute Zeiten liegen unter anderem im starken Franken, dem Fachkräftemangel und in angespannten Lieferketten, sowohl was Teile als auch fertige Uhren betrifft. Darüber hinaus sehen fast 80 Prozent der Befragten im Ukraine-Krieg und den Spannungen zwischen China und den USA eine erhebliche Belastung. Das erklärt auch, dass der Optimusmus im Vergleich zur Umfrage vor einem Jahr, als noch 77 Prozent der Manager der Uhrenindustrie mit Umsatzsteigerungen gerechnet hat, heuer deutlich niedriger ist.

Uhren als Investitionsobjekt

Das Interesse der Konsumenten an hochwertigen Schweizer Uhren bleibt hoch, trotz oder sogar wegen der wirtschaftlich unsicheren Zeiten. „Insbesondere in einem volatilen Marktumfeld mit hohem Inflationsdruck werden Luxusuhren als verlässliche Wertanlagen betrachtet. Die durch Lieferkettenprobleme und das aktuelle Wirtschaftsumfeld verursachte Knappheit an Luxusuhren zieht einen Kundenkreis an, der in der Hoffnung investiert, die Uhren zu einem höheren Preis wiederverkaufen zu können“, erklärt Studienautorin Karine Szegedi, Leiterin Konsumgüter und Luxusindustrie bei Deloitte Schweiz.

Bei fast einem Viertel (23 Prozent) der rund 5.500 Personen, die in der Schweiz, in China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Hongkong, Italien, Japan, Singapur, den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie den USA befragt wurden, steht beim Kauf einer hochwertigen Uhr der Anlage- oder Spekulationsfaktor im Fokus. Besonders ausgeprägt ist der Gedanke an einen gewinnbringenden Weiterverkauf in Singapur (33 Prozent), Hongkong (32 Prozent) und China (29 Prozent). Das könnte eine Erklärung dafür sein, dass der Anteil jener, die bereit sind 5.000 CHF oder mehr in eine Uhr zu investieren, mit 35 Prozent in China deutlich höher liegt als in der Schweiz (acht Prozent) oder in Frankreich (zwei Prozent).

Die Studie hat auch untersucht, welche Auswirkungen Engpässe im Angebot und Lieferverzögerungen auf das Kaufverhalten haben. Es sind auf jeden Fall keine negativen, denn den Wunsch nach der Traumuhr ad acta legt nur eine Minderheit.

Zwei große Wachstumsfelder

Aktuell macht der e-Commerce global rund 15 Prozent der Uhrenverkäufe aus und die Deloitte-Studie geht davon aus, dass sich dieser Anteil – vor allem durch die Präferenz der jungen Zielgruppe für das Onlineshopping – bis 2030 verdoppeln wird. Markenboutiquen und Fachhandelsgeschäfte bleiben damit in naher Zukunft zwar weiterhin die wichtigsten Verkaufsplattformen bleiben werden, aber sowohl Uhrenhersteller als auch ihre Vertriebspartner müssen die digitalen Kanäle ausbauen und stärker auf Omnichannel-Strategien setzen.

Viel Potenzial liegt auch am Second Hand-Markt. Fast ein Drittel der befragten Kunden (31 Prozent) plant für heuer den Kauf einer Uhr aus zweiter Hand, bei den unter 40jährigen ist es sogar knapp die Hälfte (48 Prozent). Die meisten motiviert dabei insbesondere die Möglichkeit, eine Luxusuhr zu einem günstigeren Preis kaufen zu können (44 Prozent), obwohl dies bei besonders begehrten Marken und Modellen ein frommer, aber unerfüllbarer Wunsch bleibt. An eine Uhr zu kommen, die nicht mehr hergestellt wird, ist für 29 Prozent der Umfrageteilnehmer ein Grund, sich dem Sekundärmarkt zuzuwenden und die Nachhaltigkeit spielt für rund ein Fünftel eine wichtige Rolle.

Die Führungskräfte aus der Uhrenindustrie schätzen den Markt für CPO-Uhren noch positiver ein als im vergangenen Jahr. Mehr als 70 Prozent sind der Meinung, dass er einen positiven Einfluss auf Markenwert und -wahrnehmung hat, fast ebenso viele (67 Prozent) halten CPO-Käufer für eine potentielle Klientel am primären Luxusmarkt und für 56 Prozent liegt in Eintauschprogrammen gebrauchter Uhren eine interessante Möglichkeit, den Verkauf neuer Uhren steigern.

Hält der CPO-Boom weiter an – und derzeit spricht nichts dagegen – prognostiziert Deloitte, dass die weltweiten Umsätze in diesem Sektor von derzeit 20 Milliarden CHF bis 2030 auf 35 Milliarden CHF steigen werden, was mehr als der Hälfte des Primärmarktes entsprechen würde.

Secondhand-Uhren werden vor allem bei Millennials und in der Generation Z immer beliebter. © Bucherer
Secondhand-Uhren werden vor allem bei Millennials und in der Generation Z immer beliebter. © Bucherer

Mehr weibliche und junge Käufer

Die Zeiten, in denen die große Mehrheit der Käufer hochwertiger Uhren älter und männlich waren, sind definitiv vorbei. In Anlehnung an den berühmten Monroe-Song zählen zunehmend auch Uhren zu den „Girl´s best Friend“. Und sowohl Umfragen als auch die Erfahrungen im Handel zeigen, dass die weibliche Klientel sehr ähnlich wie die männliche tickt. Wichtig sind vor allem Design, Funktionen bzw. Technik, handwerkliche Herstellung, Markenimage, Preis-Leistungs-Verhältnis, Prestige und Wertbeständigkeit. 44% der Frauen bevorzugen Uhren in einem typisch femininen Design und gut ein Viertel greift zu Unisexmodellen. Dementsprechend hat fast die Hälfte der Uhrenhersteller ihre Damensortimente erweitert und rund ein Drittel setzt verstärkt auf kleinere Gehäuse.

Digital Natives bevorzugen Smartwatches – klingt logisch, stimmt aber nicht. Für gut ein Drittel der Millenials und GenerationX ist der Besitz einer analogen Armbanduhr in den letzten fünf Jahren wichtiger geworden, bei den älteren Befragten liegt die Quote dagegen nur bei einem Viertel. Erklären lässt sich der Unterschied damit, dass die Jungen für die Erfüllung des Wunsches nach einem edlen Zeitmesser noch weniger Zeit und Geld hatten als die ältere Generation.

Feminine Designs und Unisex-Modelle sind bei der weiblichen Zielgruppe besonders gefragt. © Breitling
Feminine Designs und Unisex-Modelle sind bei der weiblichen Zielgruppe besonders gefragt. © Breitling

Grüne Zukunft

Die Annahme, dass durch eine steigende Zahl junger Käufer der Nachhaltigkeitsaspekt in der Uhrenindustrie wichtiger wird, bestätigt sich in der Umfrage allerdings nicht. Nur knapp ein Drittel der Befragten gibt an, dass ECR-Kriterien für sie beim Uhrenkauf wichtiger sind als das Markenimage. Ebenso viele sagen, dass Nachhaltigkeit keine Rolle spielt, wenn ihnen eine Uhr gefällt. Bei den Uhrenherstellern rückt Nachhaltigkeit trotzdem stärker in den Fokus. Für die meisten Führungskräfte (64 Prozent) sind die ethische Rohstoffbeschaffung und der Schutz der Menschenrechte die wichtigsten Nachhaltigkeitsaspekte, gefolgt von Berichterstattung und Compliance (21 Prozent) sowie Verpackungen (zwölf Prozent).

„Die Schweizer Uhrenindustrie ist zwar in der Tradition verankert, zählt aber dennoch zu den innovativsten Branchen. Das war entscheidend, um neue Materialien zu finden, die kreislauffähiger und nachhaltiger sind und eine bessere Umweltbilanz aufweisen“, erklärt Studienautorin Karine Szegedi.

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