Lockdown: Juwelier Jürgen Grün klagt

Juwelier Jürgen Grün stellt sich erneut quer und sucht in Sachen Lockdown den Weg über die Gerichte.

Juwelier Jürgen Grün stellt sich erneut quer und sucht in Sachen Lockdown den Weg über die Gerichte.

Juwelier Jürgen Grün will den aktuellen Lockdown nicht unbeteiligt über sich ergehen lassen und stellt sich quer. Sein Druckmittel ist die „Überbrückungshilfe III“ der Bundesregierung.


Er ist ein Mann der klaren Worte und der schnellen Ideen. Juwelier Jürgen Grün aus Crailsheim, der sich bereits im April erfolgreich gegen die Schließung seiner Filiale im bayerischen Ansbach gewehrt hatte, stellt sich erneut quer. Er will auch in der aktuellen Lockdown-Debatte seine Füße nicht stillhalten. Für sich und seine Kollegen aus dem Uhren- und Schmuckfachhandel hat er eine Idee parat, wie man doch noch an Finanzspritzen kommt: Druck aufbauen. Und zwar über die Gerichte.

Grüns Druckmittel ist die „außerordentliche Wirtschaftshilfe für November und Dezember“ der Bundesregierung. Die „Überbrückungshilfe III“ will von der Pandemie betroffene Unternehmen, Betriebe, Selbstständige und Vereine mit bis zu 500.000 Euro Unterstützung pro Monat für direkt oder indirekt geschlossene Betriebe unterstützen. Entsprechend der Größe des Umsatzausfalls soll es Unterstützung von bis zu 90 Prozent der Fixkosten geben. Diese sind insbesondere Mieten und Pachten, Kredite und weitere fortlaufende betriebliche Ausgaben. Es handelt sich also um Kosten, die auch anfallen, wenn der Laden gar nicht geöffnet ist. Sogar eine rückwirkende Antragstellung für Dezember ist möglich, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium.

So schön so gut. Aber wer erhält die Hilfe?

Hier gibt es heftige Diskussionen. Die Version der Bundesregierung hört sich gut an. Je höher der Umsatzrückgang im Vergleich zum Vorjahresmonat ist, desto größer fällt die Hilfe aus. Sind es 70 Prozent und mehr, dann gibt es die vom Finanzminister genannte Erstattung von 90 Prozent der Fixkosten. Wer allerdings weniger als 30 Prozent Umsatzausfall zu verkraften hat, erhält keine Erstattung, berichtet die Tagesschau.

 


HDE-Chef Stefan Genth: „Ich verstehe, dass Einzelhändler sagen, sie fühlen sich hier ungleich behandelt und werden wahrscheinlich dann auch den Weg über Gerichte gehen müssen.”
HDE-Chef Stefan Genth: „Ich verstehe, dass Einzelhändler sagen, sie fühlen sich hier ungleich behandelt und werden wahrscheinlich dann auch den Weg über Gerichte gehen müssen.”

Auch Stefan Genth, Hauptgeschäftsgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), bleibt skeptisch. Er vertritt die Interessen des Einzelhandels. Die Hilfe müsste aus seiner Sicht ganz schnell kommen, denn die Kassen der Handelsunternehmen seien leer. Nach einem schnellen Geldfluss sehe es aber nicht aus. Laut Genth werde es wohl bis März dauern, bis es überhaupt Auszahlungen gibt.

Ein weiterer Punkt stößt Genth noch bitterer auf – und dies ist auch der Ansatzpunkt von Juwelier Jürgen Grün, der in dieser Sache bereits mit Steuerberatern und Anwälten gesprochen hat. Es geht um die Schlechterstellung des Einzelhandels im Vergleich zu Gastwirten und Hotelbetreibern. Den im Zuge des leichten Lockdowns seit Anfang November werden geschlossenen Unternehmen 75 Prozent des entgangenen Umsatzes erstattet. Der Einzelhandel geht leer aus. „Eine Ungleichbehandlung geht nicht“, sagt Genth. Auch Jürgen Grün prangert die Ungleichbehandlung an und wird nun selbst die Dezemberhilfe beantragen und mit der zu erwartenden Ablehnung vor Gericht ziehen. Er wünscht sich, dass ihm viele Kollegen folgen und es flächendeckend zu Prozessen kommt, sagte er im Gespräch mit „Blickpunkt Juwelier“. Grün geht davon aus, dass kein Einzelhändler die Überbrückungshilfe bekommen wird. „Die Antragsbedingungen lese ich so, dass nur die Geschäfte eine Förderung bekommen, die vor dem 16. Dezember schließen mussten.“ Dies wäre eine Ungleichbehandlung beispielsweise gegenüber Gastronomen.

Auch HDE-Chef Genth zeigt Verständnis: „Ich verstehe, dass Einzelhändler sagen, sie fühlen sich hier ungleich behandelt und werden wahrscheinlich dann auch den Weg über Gerichte gehen müssen.”

Wie der Handelsverband HDE vermutet, habe die Bundesregierung kalte Füße bekommen, schreibt der HDE. Eine Weiterführung der überaus großzügigen November- und Dezemberhilfen hätten den Bund überfordert – zumal wenn nun auch der Handel integriert worden wäre.

In Sachen Ungleichbehandlung hat es bereits ein Statement des Wirtschaftsministeriums gegeben. Laut HDE habe sich das Ministerium bereits eine Argumentation zurecht gelegt. Eine Sprecherin des Ministeriums sagte: „Eine Ungleichbehandlung im juristischen Sinne wäre dann der Fall, wenn wesentliche Sachverhalte willkürlich ungleich behandelt werden. Das ist hier erkennbar nicht der Fall, denn im November und Dezember gab es eine außerordentliche Wirtschaftshilfe für eine außerordentliche Situation, nämlich die Anordnung von Schließungen für einzelne Branchen.” Jetzt sei das anders, da alle schließen müssten. Jürgen Grün hält dagegen: “Am 16. Dezember mussten keinesfalls alle schließen. Es war nur ausgesucht der Einzelhandel. Bau und Industrie arbeiten unverändert weiter!”

Mehr zur Antragstellung der Überbrückungshilfe III lesen Sie auf der Seite des HDE.

Mehr zum Thema Lockdown und die aktuelle Frage, was bei einer aktuell diskutierten Verlängerung bis März passiert, lesen Sie auf der Seite von „Blickpunkt Juwelier“.

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