Kommentar: Wert behält Wert

Der Handelsverband zeichnet ein düsteres Bild von der Zukunft des Modehandels. Kein Beispiel für die Schmuck- und Uhrenbranche, meint Ulrich Voß, Chefredakteur „Blickpunkt Juwelier“.


Das Bild des Modehandels (hier) ist glücklicherweise keine Blaupause für die Situation beim Juwelier, erst recht nicht für die des Goldschmieds. Der elementare Unterschied zwischen den beiden Branchen ist der Wert der Produkte. Ein Modeartikel, der zu Beginn der kommenden Saison aus der Mode kommt, ist fast nichts mehr wert. Professionelle Aufkäufer im Fashion-Handel, so berichtete Modehändler Ralf Schwager beim Round Table zu „Wir brauchen 3.0 zum Überleben“, bezahlen nach einem halben Jahr keine 10 % des VK mehr. Da helfen dem Modehändler auch keine bessere Marge und kein höherer Lagerumschlag im Vergleich zum Juwelier.

Ähnlich verhält es sich bei Produkten des Trendjuweliers. Wer modische Produkte hat, läuft Gefahr, dass sie aus der Mode kommen. Mit Amazon als Mitbewerber kommt dieser Zeitpunkt viel früher, ist vielleicht schon da, bevor die Ware im stationären Geschäft angekommen ist. Doch Produkte mit mehr Wert haben Mehrwert. Ein Trauring hat diesen emotionalen Wert. Auch eine Rolex, auf die der Träger hinspart. Erst recht eine Goldkette oder ein individuell hergestelltes Produkt nach Kundenwunsch. Zur Not kann eingeschmolzen werden. Dieser Wert der echten Ware ist immer vorhanden.

Die zwei wichtigsten Fragen für den Schmuck- und Uhrenhändler für die Zeit nach dem Shutdown werden sein: Muss ich bei der zu erwartenden Sale-Schlacht der Modehändler mitmachen? Und: Wird der Konsument nach Corona mit einer Sale-Brille shoppen gehen? Erste Antworten werden demnächst in Österreich zu beobachten sein, wenn nach Ostern alle kleinere Läden, also sowohl Fashion-, als auch Uhren- und Schmuckgeschäfte, wieder öffnen dürfen.

Dabei könnte der Juwelier ganz entspannt sein. Ob er nun ein „Juwelier-Produkt“ heute oder in drei Monaten verkauft, ist im Vergleich zum Mode-Händler ohne Bedeutung. An der Sale-Schlacht müsste er sich nicht beteiligen. Keine Frage, es ist bitter, mehrere Wochen keine oder kaum Einnahmen zu haben. Doch die Situation beim Schmuck- und Uhrenhändler ist nicht vergleichbar mit dem Druck des Fashion-Händlers. Dieser muss nicht nur eine gesamte Saison überspringen, sondern auch gleich die neue Ware einkaufen, obwohl er kein aktuelles Geld in der Kasse hat. Hier ist das Überleben doppelt schwer.

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