Polit-Streit um Mindestlohn

Krieg und Inflation: Soll der Mindestlohn noch dieses Jahr angehoben werden? (Bild: Shutterstock)

Die Bundesregierung will den Mindestlohn ab 1. Oktober auf 12 Euro/Stunde anheben. Der Handelsverband Deutschland argumentiert dagegen.


Anlässlich der an diesem Freitag stattfindenden Bundestagsberatungen über den Gesetzentwurf zur Mindestlohnanhebung bekräftigt der Handelsverband Deutschland (HDE) seine Kritik am Verfahren der Anpassung. Der Verband lehnt eine Änderung des Mindestlohns unmittelbar durch den Gesetzgeber und ohne Beteiligung der paritätisch besetzen und unabhängigen Mindestlohnkommission der Sozialpartner strikt ab. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung greife in dieser Fassung tief in die durch Artikel 9, Absatz 3 des Grundgesetzes geschützte Tarifautonomie ein.

„Mit dem Eingriff in die Tarifautonomie schafft die Bundesregierung einen gefährlichen und irreversiblen Präzedenzfall. Der Mindestlohn droht damit zukünftig vor jeder Bundestagswahl erneut zum Spielball politischer Ambitionen zu werden“, so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Wer die unabhängige Mindestlohnkommission einmal aushebele, werde dies bei Gelegenheit erneut tun. Zudem zerstöre die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde bereits zum 1. Oktober 2022 durch den Gesetzgeber wertvolles Vertrauen in das Verfahren und die Beschlüsse der Mindestlohnkommission. „Tarifbindung wird in Zukunft weniger attraktiv. Schließlich ist Planungssicherheit für die Unternehmen hierbei ein ganz zentrales Argument“, betont Genth. Tarifentgelte unterhalb von zwölf Euro pro Stunde würden mit Oktoberbeginn einfach verdrängt, obwohl nur die Tarifvertragsparteien die wirtschaftliche Belastbarkeit der Unternehmen in ihrer Branche angemessen beurteilen können. „Der Vertrauensschaden, den die Politik hier in Kauf nimmt, ist enorm“, so Genth. Es bedürfte zumindest einer Verschiebung der Mindestlohnanhebung auf den 1. Januar 2023.

Vollkommen unverständlich sei auch, warum der Entwurf der Bundesregierung trotz erheblicher verfassungsrechtlicher Bedenken nach wie vor keine Öffnungsklausel für noch laufende Entgelttarifverträge enthalte. Die Mindestlohnanhebung treffe zudem auf eine aufgrund der anhaltenden Pandemie und des russischen Krieges in der Ukraine besonders volatile wirtschaftliche Gesamtsituation. „Für große Teile des Einzelhandels sind die schweren Zeiten noch längst nicht vorbei“, so Genth weiter.

9,82 Euro Brutto beträgt der Mindestlohn derzeit. Das entspricht einer Lohnuntergrenze von 1.621 Brutto bei Vollzeit (Bild: Shutterstock)

Mini-Jobs: HDE für Dynamisierung der Verdienstgrenze 

Die ebenfalls im Entwurf der Bundesregierung vorgesehene Anhebung und Dynamisierung der Verdienstgrenze für die Minijobs begrüßt der HDE hingegen ausdrücklich. „Die Verdienstgrenze bei den Minijobs anzuheben und zu dynamisieren, ist gut und längst überfällig. Dabei muss es aber auch bleiben“, betont Genth. Minijobber seien für den Einzelhandel trotz eines starken Rückgangs in den vergangenen Jahren weiter von großer Bedeutung. Diese Beschäftigungsform sei bei den Arbeitnehmern sehr beliebt und werden in der Praxis zumeist auch ausdrücklich angefragt. Zudem seien Minijobs auch für Arbeitgeber ein wichtiges Flexibilitätsinstrument, um etwa branchentypische Stoßzeiten besser abzufedern. Vollkommen inakzeptabel sei allerdings die erneute Anhebung der Midijob-Verdienstgrenze auf nunmehr 1.600 Euro pro Monat sowie auch die Umverteilung bei den Sozialversicherungsbeiträgen zulasten der Arbeitgeber. Damit werde der Grundsatz der paritätischen Finanzierung in der Sozialversicherung im Übergangsbereich der Midijobs einfach abgeschafft. „Arbeitgeber mit hoher Teilzeitquote werden gezielt bestraft. Die Politik muss hier eine rote Linie ziehen und zumindest die Midijob-Grenze bei 1.300 Euro belassen“, so Genth.

An diesem Freitag soll der Bundestag in zweiter und dritter Lesung den Gesetzentwurf zur Mindestlohnanhebung verabschieden. Der HDE hatte seine Kritik zuvor in der Anhörung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales vorgebracht. Der Bundesrat wird den Entwurf voraussichtlich Anfang Juli 2022 final beraten.


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