Special Inflation, Teil 1: Interview mit Juwelier Willer aus Hamburg

Schaufenster von Juwelier Willer in Hamburg Wellingsbüttel. © Juwelier Willer

Schaufenster von Juwelier Willer in Hamburg Wellingsbüttel. © Juwelier Willer

Erfahrungsbericht aus der Zeit der Pandemie: Im Rahmen unseres Specials zur Inflation haben wir mit Rolf-Detlef Willer aus Hamburg gesprochen.



Im Hamburger Stadtteil Wellingsbüttel befindet sich das Geschäft von Juwelier Willer, das bereits in der dritten Generation von Rolf-Detlef Willer, seiner Frau Gabriele und nun auch Tochter Alice geführt wird.
Blickpunkt Juwelier hat Rolf-Detlef Willer darum gebeten, ein Stimmungsbild der vergangenen zwei Jahre zu zeichnen.
Dabei zeigt sich, welches Geschäftsverhalten dabei hilft, auch in veränderten oder gar schwierigen Zeiten weiterhin erfolgreich zu wirtschaften.

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Erfolgreiche Juweliers-Familie: Links Tochter Alice Willer, in der Mitte Gabriele Willer, rechts Rolf-Detlelf Willer. © Juwelier Willer
Erfolgreiche Juweliers-Familie: Links Tochter Alice Willer, in der Mitte Gabriele Willer, rechts Rolf-Detlelf Willer. © Juwelier Willer

BLICKPUNKT JUWELIER: Herr Willer, wie ist bei Ihnen momentan die Lage?

ROLF-DETLEF WILLER: Wir haben grade vor drei Wochen unser Geschäft wieder neu eröffnet, nachdem wir zwei Monate lang komplett umgebaut haben. In der Zwischenzeit haben wir von unserem Obergeschoss aus gearbeitet und die Kunden ein Stockwerk höher gebeten.
Ich kann sagen, wir sind sehr gut durch die gesamte Pandemie gekommen.

Wir hatten auch zu keiner Zeit geschlossen, weil wir eine Goldschmiede- und ein Uhrmachermeister hier haben und das Handwerk in Hamburg während der Lockdowns weiterarbeiten und auch geöffnet haben durfte.
Da das nicht jeder wusste, hatten wir in etwa 20 Prozent weniger Kunden, konnten unsere Umsätze aber tatsächlich noch um 15 Prozent steigern – und das ohne Rabatte, was uns natürlich sehr freut.

Auch während des Umbaus haben wir keine Rabatte vergeben, sondern haben ganz normal weiter gemacht, weil wir festgestellt haben, dass es nicht notwendig ist. Im gehobenen Bereich sind wir beim Schmuck sogar noch weiter gewachsen.
Es wurde vor allem Farbsteinschmuck und Brillantschmuck verkauft und markenfreie, sowie selbst angefertigte Schmuckstücke mit Brillanten usw., sowohl im klassischen als auch im modernen Stil.

Wir führen unter anderem die deutsche Marke Schaffrath und auch sehr erfolgreich die italienischen Marken Serafino Consoli und die POP Kollektionen von Adolfo Courrier.
Serafino Consoli ist im Moment tatsächlich die Marke im Haus, die am stärksten gewachsen ist und als Einzelmarke den größten Umsatz macht.

Schmuck der Marke Serafino Consoli, die bei Juwelier Willer sehr erfolgreich läuft. © Serafino Consoli/Juwelier Willer
Schmuck der Marke Serafino Consoli, die bei Juwelier Willer sehr erfolgreich läuft. © Serafino Consoli/Juwelier Willer

BJ: Welche Rolle spielt die Hochwertigkeit für Ihr Geschäft?

WILLER: Eine sehr große. Unser Geschäft gibt es seit 1928, es wurde zuerst von meinen Eltern geführt. Im Jahr 2000 haben meine Frau Gabriele und ich das Geschäft übernommen. In all den Jahren in der Branche haben meine Eltern nicht so großen Wert auf Marke gelegt, sondern mehr auf Eigenprodukte, nicht zuletzt aus Margengründen.

Damals hatten meine Eltern sechs Geschäfte in Hamburg und waren die größte Kette in der Stadt. Ende der 80er wurden diese Geschäfte schließlich verkauft und unser jetziges Geschäft im Stadtteil Wellingsbüttel behalten.

Hier im Speckgürtel haben wir mittlerweile fast den gleichen Umsatz mit dem einzelnen Geschäft wie damals mit der ganzen Kette – und meine Eltern haben damals sehr gute Umsätze erzielt und waren in Zentrallagen in Hamburg sehr gut aufgestellt.

Hamburg: Hier gab es früher mehrere Filialen von Juwelier Willer. © Shutterstock
Hamburg: Hier gab es früher mehrere Filialen von Juwelier Willer. © Shutterstock

Unser Geschäft in Wellingsbüttel haben wir schon im Jahr 2000 hochwertig umgebaut. Dadurch war es plötzlich viel einfacher, teurere Sachen zu verkaufen.

Zu Beginn haben wir auch noch bei THOMAS SABO und PANDORA mitgemacht und uns dann schrittweise von diesen Marken getrennt, als sie damit begannen, sich selbst gegenüber dem Juwelier zu bevorzugen. Ich denke, wir sind zum richtigen Zeitpunkt abgesprungen.

Diese Marken waren immer nur Teil des Nebengeschäfts bei uns, haben aber sehr viel Zeit verschlungen.

Nachdem wir uns von den Marken getrennt hatten, behielten wir fast die gleiche Menge an Kunden – vielleicht hatten wir 5 bis 10 Prozent weniger – konnten aber unsere Umsätze um 10 bis 20 Prozent jährlich steigern. Durch den Wegfall dieser Marken blieb uns mehr Zeit, die wir unseren Kunden widmen konnten. So haben wir beispielsweise auch Schmuck-Anfertigungen machen dürfen, die über 150.000 Euro hochgingen.

BJ: Welche Beobachtungen haben Sie beim Konsumverhalten Ihrer Kunden gemacht?

WILLER: Die Kunden, die in all den Jahrzehnten mit uns gewachsen sind, haben sich Wohlstand aufgebaut. Diejenigen, die uns treu geblieben sind und sich bei uns noch wiedererkennen, haben sich sukzessive ihre Werte angeschafft und Einkaräter, Zweikaräter, Fünfkaräter bei uns erworben.
Wichtig ist auch, dass wir nicht versuchen, Marken in den Vordergrund zu stellen, sondern den Namen Willer und das Team Willer.

Das Team steht bei Juwelier Willer im Vordergrund. © Juwelier Willler
Das Team steht bei Juwelier Willer im Vordergrund. © Juwelier Willler

BJ: Wie haben Sie die Pandemie in Bezug auf Ihre Kunden erlebt?

WILLER: Wir konnten eine Steigerung erleben. Die Kunden, die uns neu entdeckt haben, aber auch unsere Stammkunden, sind weniger gereist und hatten dadurch viel mehr Geld übrig. Und dieses Geld haben sie zu uns gebracht.
Unsere Kunden bekamen ihre Anzahlungen für den Urlaub zurück, und hatten auf einmal zehntausende Euro mehr auf dem Konto.

Dadurch entstanden neue Bedürfnisse, denn die Menschen wollten ja trotzdem Erfolgserlebnisse haben und haben ihr Geld unter anderem bei uns ausgegeben.
Wir konnten unsere Kunden während dieser Zeit glücklicherweise zu uns in das Geschäft bitten und hatten genügend Fläche zur Verfügung.
So konnten wir uns die Zeit nehmen, die Kunden zu beraten oder sie wie auch während des Umbaus in die Lounge im oberen Stockwerk einzuladen.

BJ: Woher kam der Impuls zum Umbau?

WILLER: Unseren letzten Umbau hatten wir im Jahr 2000, doch leider hallte es etwas in unseren Räumen. Daher haben wir uns entschieden, im Erdgeschoss noch einmal komplett umzubauen.
Wir haben Schallschutzdecken eingezogen, die alten Einbauten entfernt und das ganze Geschäft noch einmal hochwertig neu aufgebaut.

Das Konzept kam von einem befreundeten Architekten, Stephen Williams, der auch in Hamburg wohnt und unter anderem Top-Hotels gestaltet.
Die Idee, dass wir etwas machen müssen, ist über Jahre gereift, und die Gespräche mit Stephen fanden tatsächlich zu Anfang der Pandemie statt.

Wir haben dann anderthalb Jahre geplant und das mit einem Generalunternehmer umgebaut. Wir haben die Bauleitung aus der Hand gegeben und das war für uns entspannter.
Beim Betreten unseres Geschäfts bekommt man jetzt das wohlige Gefühl als stehe man in einem 5-Sterne-Hotel.

Preissteigerungen sind eine Notwendigkeit, an die sich auch die Kunden gewöhnen müssen. © Shutterstock
Preissteigerungen sind eine Notwendigkeit, an die sich auch die Kunden gewöhnen müssen. © Shutterstock

BJ: Wie halten Sie es angesichts der aktuellen Situation mit Preissteigerungen?

WILLER: Die Preissteigerungen passieren fast täglich. Jedes Stück, das noch zu alten Preisen rausgeht, ist ein Schnäppchen. Das wissen auch meine Kunden.
Alles, was neu reinkommt, ist teurer. Aber die Kunden stören sich nicht daran. Das Preisgerede von früher ist so gut wie vom Tisch.

BJ: Wie beeinflusst die momentane Situation Ihr Orderverhalten?

WILLER: Wir pflegen tatsächlich ein recht großes Lager und können gut damit umgehen. Ich versuche immer, so sorgsam einzukaufen, dass ich Werte schaffe – entweder durch Ankäufe aber auch durch geschickte Einkäufe.
Ich kaufe möglichst rechtzeitig, weil ich genau weiß, dass die Lieferfristen für ausgewählten Schmuck Monate betragen können.

Wenn unsere Kunden auf etwas lange warten müssen, dann ist das schlecht. Ich habe also lieber eine größere Auswahl vorrätig.
Wir ordern mit der Absicht, rechtzeitig und auch ausreichend den Bedarf zur Verfügung zu haben. Ich bin mir sicher, dass die Lieferzeiten sogar noch länger werden. Deswegen ordern wir bewusst in ordentlichen Umfängen.

BJ: Was planen Sie für die zweite Jahreshälfte?

WILLER: Wir planen und organisieren Veranstaltungen für unsere Kunden im kleinen Kreis, denn wir haben festgestellt, dass sie noch nicht bereit sind, zu größeren Veranstaltungen zu gehen.
Wir beobachten aber auch: Je kleiner die Veranstaltung, desto besser die Umsätze.
Und die Kunden werden von uns explizit und persönlich eingeladen und nicht wie mit der Gießkanne mit Einladungen überschüttet.

Diese Veranstaltungen organisieren wir für unseren eigenen Schmuck, aber auch für die Marken, die wir führen. Und das sehr regelmäßig: mindestens einmal im Monat und mehr. Mit unserer Lounge im Obergeschoss haben wir hinten eine Terrasse gebaut, die ins Grüne führt. Es ist wie eine Oase, die man betritt, von Rosen und Ranken umgeben.

Wenn es mal regnet, können wir mit einer Gastro-Markise das Wetter ausschließen. Wir haben dadurch eine Zusatzfläche von knapp 40 Quadratmetern, die ein besonderes Flair bietet.

Wir veranstalten an unserer Location für unsere Gästen überwiegend blumige Shows mit inspirierend präsentiertem Schmuck.
Das tun wir gemeinsam mit unseren Lieferanten oder wir präsentieren die Schmuckstücke, die in unserer eigenen Goldschmiede gefertigt wurden. Unsere Gäste lieben das. Sie werden von uns charmant dabei begleitet und die Stimmung ist immer sehr gut.

BJ: Wie präsent ist bei Ihnen der Silberschmuck aktuell noch?

WILLER: Wir haben jetzt noch ein kleines Fenster mit Silber. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Taufschmuck für kleine Kinder, der von den Großeltern gekauft wird, sodass wir das noch führen müssen.
Es sind keine 5.000 Euro im Jahr, die wir damit an Umsatz machen.

Bei Silberschmuck wollen Kunden oftmals die Marke. Nur verhalten sich diese Marken einfach nicht sehr freundlich gegenüber dem Juwelier. Sie sind durch uns gewachsen und haben dann all die Neuheiten für ihre eigenen Shops vorbehalten.

Auch bei den Uhrenmarken sieht man den Trend, das Konzessionären gekündigt wird und sie lieber ihre eigenen Boutiquen führen, oder die Neuheiten nur in ihren Boutiquen anbieten.
Wenn die Juweliere clever sind, verabschieden sie sich sukzessive davon. Oft fehlt ihnen leider das Selbstvertrauen und sie hängen sich zu sehr an die vermeintlich sichere Marke.
In unserem Fall gibt es für unsere Kunden überhaupt keinen Grund, woanders hinzugehen, denn sie besuchen uns, um etwas reelles, und individuelles zu Erstehen.

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