Warnsignal für den freien Uhrenhandel: Das Ende von Les Ambassadeurs?

Renato Vanotti Les Ambassadeurs

Der Fall Les Ambassadeurs zeigt beispielhaft, wie sich das Kräfteverhältnis zwischen Konzernen und Einzelhändlern verschiebt – und was Fachhändler künftig erwartet. Bild: Renato Vanotti, Präsident der zur Excellence Holding gehörenden Uhrenkette. © SCMP

Der traditionsreiche Schweizer Retailer Les Ambassadeurs steht vor dem Aus. Die Ursachen sind strukturell – und sie werfen grundlegende Fragen zur Zukunft des unabhängigen Uhrenfachhandels auf.



Die Lage ist ernst: Les Ambassadeurs, einst Synonym für internationale Haute Horlogerie in der Schweiz, steht vor einer tiefgreifenden Transformation – oder dem Aus. Mit dem Rückzug des Hauptinvestors Thamer Abdullah Al-Rayes droht der Luxusretailer, der zur Excellence Holding gehört, seine Flagship-Stores an der Zürcher Bahnhofstrasse und der Rue du Rhône in Genf aufzugeben. Die Suche nach neuen Investoren läuft, erste Zusagen gibt es – etwa von Independents wie Bovet. Doch ob das genügt, bleibt unklar. Noch zieren Marken wie Blancpain, Omega oder Parmigiani die Schaufenster – zu Tiefstpreisen. Doch hinter den Kulissen kämpft Les Ambassadeurs ums Überleben.

Die Exklusivadressen in Zürich und Genf werden aufgegeben, neue Investoren werden gesucht. Ohne sie ist die Zukunft ungewiss. Renato Vanotti, Präsident der zur Excellence Holding gehörenden Uhrenkette, bringt es auf den Punkt: „Ohne die Uhren der Massenhersteller lassen sich die hohen Mieten an 1A-Lagen nicht mehr finanzieren.“

Krise auf drei Ebenen

Die Ursachen für die Schieflage sind vielschichtig: Erstens lasten massive Mietkosten in den besten Lagen schwer auf der Bilanz – nicht refinanzierbar ohne Volumengeschäft. Zweitens hat sich Les Ambassadeurs strategisch auf unabhängige Uhrenmarken konzentriert, die zwar Prestige, aber nicht die notwendigen Stückzahlen bringen. Drittens: Der Rückzug großer Hersteller wie Richemont, Swatch Group, Audemars Piguet und Richard Mille – die einstige Markenvielfalt schrumpfte dramatisch.

Les Ambassadeurs in der Krise
Die Les Ambassadeurs-Boutique in Zürich steht vor dem drohenden Aus. © Les Ambassadeurs

Zeichen einer Zeitenwende

Der Fall Les Ambassadeurs ist kein Einzelfall. Er offenbart, was viele Händler fürchten: Die großen Konzerne treiben die Erosion des freien Einzelhandels voran – bewusst oder als Kollateralschaden. Richemont pusht seine Time Vallée-Initiative, Rolex hat mit dem Kauf von Bucherer ein ganz neues Kapitel aufgeschlagen, Swatch Group verzichtet komplett auf ein eigenes Multibrand-System. Die Folge: Der freie Einzelhandel wird zur Randfigur. „Die grossen Uhrenkonzerne sind unsere Totengräber“, sagt Vanotti. Ein Satz, der in der Branche für Aufsehen sorgt – und zum Nachdenken anregt.

Vom Prestige-Store zur prekären Nische

Les Ambassadeurs hatte versucht, mit Unabhängigkeit zu punkten – ein Spezialist für Independents, abseits der ausgetretenen Markenpfade. Doch das funktionierte nur solange, wie der Markt breit war. Die Realität ist heute anders: Wer kein Rolex, Omega oder Cartier hat, bleibt oft außen vor. Und selbst der viel zitierte Boom der kleinen Manufakturen reicht nicht aus, um Flächen an der Zürcher Bahnhofstrasse oder Genfer Rue du Rhône zu tragen.

Denn immer mehr Marken setzen auf eigene Monobrand-Stores oder E-Commerce – zulasten des stationären Multibrand-Fachhandels. Die COSC-Zertifizierung mag noch ein Qualitätsmerkmal für echte Uhrmacherei sein, doch im Vertrieb dominiert die Strategie der vertikalen Integration. Die klassischen Händler werden dabei zunehmend zu Bittstellern – oder ausgebootet.

Indikator für ein größeres Problem

Der Rückzug von Les Ambassadeurs aus den Luxusmeilen bedeutet nicht nur eine Standortverlagerung, sondern eine strategische Kapitulation. Und er wirft Fragen auf: Wie kann Fachhandel in Zukunft funktionieren? Wie viel Unabhängigkeit ist wirtschaftlich überlebensfähig? Was bedeutet das für kleinere, familiengeführte Häuser – wie Beyer in Zürich, wo sich Nachfolgefragen stellen?

Vorerst bleibt Les Ambassadeurs mit dem Standort Luzern und dem Onlineshop aktiv – sowie mit Watches of Switzerland in der gleichen Stadt. Doch auch hier ist unklar, wie lange noch. Die Interlaken-Filiale wird aufgrund des ausbleibenden asiatischen Gruppentourismus bereits geschlossen.

Les Ambassadeurs-Boutique in Luzern – diese läuft noch gut. © Les Ambassadeurs

Ein Modell vor dem Ende oder vor dem Neustart?

Vielleicht markiert das Ende von Les Ambassadeurs auch eine Chance. Eine Leerstelle, aus der Neues entstehen kann – flexiblere Modelle, digitalere Zugänge, kuratierte Vertriebskonzepte mit weniger Fläche und mehr Nähe zur Zielgruppe. Denn wie Vanotti sagt: „Der Markt braucht den Fachhandel – aber in einer neuen Form.“

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