Albert Fischer: „70 Nachwuchs-Uhrmacher pro Jahr sind zu wenig!“

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Service vor Ort ist das große Plus für den Handel. © ALPA PROD/ Shutterstock.com

Fragt man Albert Fischer, Präsident des Bundesinnungsverbands des Uhrmacherhandwerks, nach einer der wesentlichen Herausforderungen, mit denen die Uhrmacher in den kommenden Jahren zu kämpfen haben, so ist es der Fachkräftemangel.



BLICKPUNKT JUWELIER: Wie ist die aktuelle Situation?

ALBERT FISCHER: Im Uhrmacherhandwerk kommen wir in eine kritische Situation. Die Schere zwischen denen, die in den kommenden Jahren in Pension gehen werden und die Zahl derer, die in Ausbildung stehenden, klafft weit auseinander. Denn aktuell beenden jährlich nur um die 70 Lehrlinge in Deutschland ihre Lehre. Bei einem wachsenden Markt ist das zu wenig.

BPJ: Umgerechnet heißt das, über alle drei Lehrjahre befinden sich rund 210 angehende Uhrmacher in Ausbildung?

FISCHER: Ja, und wir waren schon einmal über 300. In den letzten Jahren stellten viele kleinere Ausbildungsbetriebe ihre Ausbildungstätigkeit ein und werden sie vermutlich nicht wieder aufnehmen. Und das, obwohl der Bedarf da wäre. Denn im Grunde genommen gibt es keinen freien Uhrmacher mehr auf dem Markt. Es geht nur mehr um gegenseitiges Abwerben.   

BPJ: Das heißt?

FISCHER: Wer ein besseres Angebot macht, der gewinnt. Es werden lukrative Pakete geschnürt etwa mit zusätzlichen Sozialleistungen, Fahrtkostenzuschüssen oder Benzingeld. Dennoch bleibt die Suche oftmals erfolglos, je nachdem an welchem Standort sich das suchende Unternehmen befindet.  

BPJ: Welche Lösungsansätze gibt es aus Ihrer Sicht?

FISCHER: Es sind zwei große Baustellen, die wir angehen müssen. Auf der einen Seite das Grundproblem des gesamten Handwerks: Wir haben zu wenige junge Menschen, die sich für diesen Beruf tatsächlich interessieren.  Auf der anderen Seite haben wir aber auch zu wenige Ausbildungsbetriebe. Um mehr junge Menschen für das Handwerk des Uhrmachers zu begeistern, planen wir eine Road Show. Mit einer Art rollender Werkstatt wollen wir junge Menschen in den Schulen oder Berufsinformationsmessen direkt und persönlich erreichen. Die Werkstatt ermöglicht das Demonstrieren von einzelnen Reparaturen, von Werkzeugen und ein erstes Eintauchen in die Welt der Uhrmacherei.

BPJ: Und mit Blick auf mehr Ausbildungsbetriebe?

FISCHER: Das bestehende Ausbildungspaket fördert jeden Ausbildungsplatz mit maximal 5.500 Euro. Das motiviert schon den einen oder anderen Betrieb, wieder den Nachwuchs auszubilden. Jedoch sehen wir, dass die Anreize noch verstärkt werden müssen.  

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BPJ: Wie hält man die Jung-Uhrmacher in Deutschland?

FISCHER: Eine gute Frage. Schauen wir etwa in die Schweiz. Die Uhrenproduktion macht dort einen steilen Höhenflug. Bis ins Jahr 2026 werden nach Schätzungen zusätzlich 4.000 Uhrmacher benötigt. Die Schweiz kann aber aus der Ausbildungsschiene heraus diesen Bedarf nur mit maximal 1.500 Jung-Uhrmachern decken. Daraus folgt, es gibt eine Lücke von etwa 2.500 Stellen und die Unternehmen werden sich in den Nachbarländern umsehen. Für uns heißt das, wir müssen rasch in die Gänge kommen und wirklich aktiv werden. Sonst wird das für unsere Branche tatsächlich katastrophalen Auswirkungen haben. 

BPJ: Inwiefern?

FISCHER: Das große Plus und eine wichtige Ertragsquelle für den Handel ist, dass wir Service vor Ort anbieten können. Wenn dies auf Grund des Fachkräftemangels nicht mehr möglich ist, dann geht uns nicht nur Umsatz verloren, sondern möglicherweise auch eine der wichtigsten Trumpfkarten gegenüber der Online-Konkurrenz. 


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