Body Jewelry: Es geht unter die Haut

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Rasanter Imagewandel: Body Jewelry ist am roten Teppich der Oscar-Verleihungen angekommen. Die Preise von handgefertigten Einzelstück reichen bis zu 6.000 US-Dollar. © Mariatash.com

MARKT MIT WACHSTUM UND POTENZIAL. Fine Art, High-Jewelry: keine Begriffe mit denen der Laie Piercings in Verbindung bringen würde. Eine kurze Recherche reicht aus, um dieses Vorurteil abzulegen. Bei Body Jewelry, wie es in den USA heißt, geht es verstärkt um Handwerkskunst. Zum Einsatz kommen hochwertige Materialien – bei Metallen wie Edelsteinen. Die Preise erreichen bis über 6.000 USD pro Stück, und kommen von der High-End-Marken der Branche.



Entstigmatisiert. So kann der Bedeutungswandel beschrieben werden, den eine gesamte Branche durchlaufen hat. Das zeigt sich schon allein an der im Hauptmarkt USA verwendeten Bezeichnung: Body Jewelry. Es ist die Aufwertung eines sehr weit verbreiteten Produkts, das bisher am Schmuckmarkt ein vermeintliches Nischendasein fristetet. Zu unrecht.

Von Hippies über Punks zu Fine Art

Ursprünglich wurden Piercings – so der in Österreich geläufige Begriff – mit Respektlosigkeit und Rebellion assoziiert. Sie waren die Domaine der Hippies in den 1960er-Jahren, der Punk-Bewegung der 70er-Jahre und der Raver-Kultur am Ende des vergangenen Jahrtausends.

Seither trat der politische Aspekt des Piercings in den Hintergrund und das Schmuckstück in den Vordergrund. Es dominieren Design, Ästhetik, Qualität und Handwerkskunst. Zum Einsatz kommen hochwertige Edelmetalle und -steine. Die Designer kommen aus namhaften Luxusmaisons, wie etwa Tiffany & Co. Mit dem Imagewandel ging der Bezeichnungswandel einher. Aus Piercing wurde in den USA „Body Jewelry“.

Luxusimage vom Feinsten

Mit der Hochwertigkeit und Positionierung im Luxussegment steigen auch die Preise. So reicht die Preisspanne bei höherwertigem bis hochwertigem Schmuck von 100 bis über 6.000 USD pro Schmuckstück. Dem Preissegment entsprechend und ganz im Stil der hauptsächlich US-amerikanischen Produzenten, darf es bei der Inszenierung des Markenerlebnisses an nichts fehlen. Entscheidende Faktoren sind wie bei allen Luxusbrands der Imagetransfer und das individuelle Marken-
Erlebnis – von digital bis ins Studio. Wobei gerade das Thema Studio für die Branche ein zentraler Faktor ist und langfristig sein wird.

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Imagetransfer: Luxusmarken forcieren Wandel

Der Imagetransfer – also vom Piercing im kleinen Hinterzimmer hin zu einer High-End-Kollektion – scheint einigen Produzenten in Zusammenarbeit mit exklusiven Studios mehr als geglückt zu sein. Body Jewelry ist am roten Teppich bei den Oscar-Verleihungen in Hollywood und auf den Modeschauen der Luxuslabels angekommen.

Im vergangenen Jahr kontrastierte etwa Louis Vuitton ein übergroßes Septum-Piercing den Hemd-und-Krawatten-Style. Und Top-Modell Bella Hadid trug am Laufsteg für Givenchy ein doppeltes Stirnpiercing, das die gebleachten Augenbraun betonte. Ebenso schaffte es Maria Tash, Eigentümerin einer angesagten Body-Jewelry-Marke und Studio-Kette in den USA, ihre Marke auf das Titelblatt der Vogue zu bringen – mit keiner anderen als Heidi Klum.

Wenn Instagram Vertrauen aufbaut

Die perfekte Markeninszenierung aus Design, Individualität und Qualität scheint ein Erfolgsrezept hinter dem Boom in den USA zu sein. Die hochprofessionelle Zielgruppenansprache der Top-Marken fokussiert auf die 16- bis 29-Jährigen. Ihr Konsumverhalten ist geprägt durch eine perfekt in Szene gesetzte Instagram-Bildwelt.

Das Stichwort wie bei Cartier und Tiffany: Celebrities als Marken-Testimonials. Mit diesen wird gezielt eine Atmosphäre des Vertrauens geschaffen, das gerade in dieser Branche von besonderer Bedeutung ist. Denn das Einsetzen der Body Jewelry sind Eingriffe, die unter die Haut gehen. Celebrities vermitteln das Gefühl von Sicherheit und Qualität

Charlize Theron & Lewis Hamilton: Perfekte Inszenierung: Influencer-Marketing auf Instagram baut Vertrauen auf und bietet Eingangstor in die Welt des Schmuck für die Generation Z.

Markenerlebniswelt: Schönheitssalons für Body Jewelry

Die Atmosphäre in den Studios ihrerseits zeugen von Exklusivität und Einfühlungsvermögen. Natürlich gibt es sie auch weiterhin die Studios mit kleinen Hinterzimmern, einfachen Piercing-Produkten um rund 20 Euro. Sieht man jedoch den rasanten Imagewandel in den USA, so ist es eigentlich nur mehr eine Frage der Zeit, bis die Positionierung als Body Jewelry auch Europa stark ankommt. In vielen US-amerikanischen Städten entstehen Body-Jewelry-Studios mit Auftritten, die mit
Cartier oder Tiffany mithalten können. Es ist der Termin vor Ort, der zu einer Erlebnisinszenierung wird. Die Studios sind von exklusivsten Schönheitsfarmen kaum zu unterscheiden. Damit dies garantiert wird, gehen die High-End-Marken der Branche selektiv bei der Partnerwahl vor. 

Jung, individuell, schmuck-affin, nachhaltig

Die Frage, ob Body Jewelry als neues Eingangstor in die Welt des Schmucks gesehen werden kann, muss also definitiv mit „Ja“ beantwortet werden. Die sogenannte Generation Z hat hohe Anforderungen an Individualität und einzigartigem Design, die es ihnen ermöglicht darauf hinzusparen. Bei einer Preislage der hochwertigen Marken ab rund 200 Euro pro Stück, sind Body-Jewelry-Produkte ein guter Einstieg in die Schmuckwelt und mögliche Alternative zur bisherigen Strategie, auf Verlobungsringe zu setzen. Denn es ändert sich nicht nur die Tradition der Verlobung, auch der Altersdurchschnitt bei Verlobungen steigt. Der Erstkontakt findet also erst zu einem späteren Zeitpunkt als bisher statt.

Zusätzlich gibt es noch ein weiteres Asset für die bewusst lebende Generation Z: die Nachhaltigkeit – ökologisch wie sozial. So führen etwa Body Vision Los Angeles (BVLA) und Banter by Piercing Pagoda dezidiert an, dass ihre Produkte lokal, also in den USA, designt und hergestellt werden. Die Mitarbeiter unter besten Arbeitsbedingungen arbeiten. Die eingesetzten Materialien recycelt sind und minimale ökologische Effekte haben. Und die eingesetzten Diamanten seien nach ethischen, konfliktfreien Standards geschürft worden.

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In vielen US-amerikanischen Städten vertreten und von Prominenten geschätzt: Body-Jewelry-Studios, die in ihrem Auftritt mit Cartier und Tiffany mithalten können. © Mariatash.com

Wachstumsmarkt: Hautnah

Wie der klassische Luxusgütermarkt, ist auch der Markt für Body Jewelry im Wachsen begriffen. Der globale Body-Jewelry-Markt wird von Businessscout im Jahr 2020 auf rund 1,3 Milliarden Euro geschätzt mit einem prognostizierten Wachstum von 7,7 Prozent zwischen 2020 und 2027.

Der Hauptmarkt sind aktuell noch die USA. Es ist jedoch nur mehr eine Frage der Zeit, bis der Trend zur Erlebnisinszenierung auch in Europa stark im Wachsen begriffen sein wird. Einige europäische Schmuckhändler setzen bereits auf das bisherige Nischenprodukt und schaffen sich einen Wettbewerbsvorteil. Denn der Markt ist nicht von Big Playern dominiert und festgefahren. Im Gegenteil: Es gibt weltweit kaum Body-Jewelry-Anbieter, die einen Marktanteil über einem Prozent des Branchenumsatzes aufweisen.

Denn eines kann in diesem Segment nicht passieren: Es ist rein analog. Ohne persönlichen Kontakt geht es nicht. Bei der richtigen Atmosphäre und Qualität entsteht eine wertvolle Kundenbindung – hautnah. Es geht um Vertrauen auf Hygiene, Sauberkeit und als Gast wertgeschätzt zu werden. Eine schöne und luxuriöse Erfahrung, die für das weitere Leben und die Einstellung zu Schmuck und Juweliere prägt. 

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