Der Fall Audemars Piguet

Audemars Piguet hat in Wien ein neues Kapitel aufgeschlagen und folgt der Strategie von Louis Vuitton. Die Boutique ist noch nicht eröffnet, allen verbliebenen Konzessionären (Bucherer und Hübner) wurde gekündigt, Graumarkthändler übernehmen zwischenzeitlich den Vertrieb – ausgestattet mit Ware der klammen Konzessionäre. Künftig sollen die Boutiquen den Großteil der 35.000 Uhren verkaufen.


Das Schicksal der neuen Strategie traf in Wien die beiden großen Händler Bucherer (ehemals Haban) und Hübner. In Deutschland sind es nicht weniger prominente Namen wie Mahlberg, Depperich oder Böhnlein. Sie alle haben AP verloren. Die Marke fiel in der Vergangenheit stets unangenehm im Graumarkt auf. Obwohl es viele Fans der Marke gibt, nicht zuletzt zählt AP für viele Uhren-Aficionados als erste Alternative zu Rolex, obwohl also eine Begehrlichkeit am Markt besteht, gab es genügend Konzessionäre, die die Uhren dem Graumarkt zur freien Preisgestaltung überlassen hatten. Dies wollte sich AP wohl nicht mehr ansehen und hat eine rigorose Lösung gefunden. Künftig will man die 35.000 Uhren, die jährlich produziert werden, am liebsten in Eigenregie verkaufen – Nachfrage ist ja vorhanden.

Diese neue Strategie wird derzeit in Wien umgesetzt (Wien hat eine riesige Juwelier-Dichte und ist als „Tor zum Osten“ der weitaus größere Markt als Berlin oder gar München). Als Vorbild können Louis Vuitton und stellenweise Apple herhalten. Die Matrix ist vergleichbar. Die Kollektion wird gestrafft und auf Topseller reduziert (bei AP ist es die Royal Oak), das Händlernetz wird verkleinert, die Marge reduziert und die Anzahl der weltweiten Boutiquen auf die Märkte angepasst.

Bei der Suche nach den Gründen für diese Strategie kann man getrost beim Juwelier ansetzen. Hohe Nachlässe schaden dem Image der Marke. Da der Hersteller eine Abnahmegarantie zu haben glaubt, wird der Händler verzichtbar.

Die Situation in Wien ist derzeit kurios. Noch ist die Boutique nicht eröffnet, doch den beiden verbleibenden Händlern wurde schon gekündigt. Ihnen ist nicht zu verdenken, wenn sie sich nun nicht mehr für die Marke einsetzen sollten. Andere Kanäle dagegen haben sich auf AP spezialisiert. Der Nobel-Secondhand-Juwelier Timelounge (Ex-Huber-Mitarbeiter) legt die Modelle noch originalverpackt ins Schaufenster und bietet bis zu 27 % Rabatt auf die ungetragenen Modelle an (siehe Foto). Luxus sieht anders aus.

Noch skurriler wird es bei Graumarkthändlern, die nicht mal mehr ein Ladengeschäft betreiben. Sie bieten ihre Ware direkt in Clubs und Bars an. Da es noch immer genügend Kunden gibt, die AP kaufen wollen, und genau diese Graumarkthändler eine Menge Leute kennen, werden Verkaufsgespräche mit dem Smartphone in bester Partylaune getätigt. Nur geht es eben nicht um illegale Drogen, sondern um ein höchst schützenswertes Kulturgut. Die im wahrsten Sinn des Wortes „vertickte“ Ware stammt vom klammen Juwelier. Kein Wunder, dass ihm gekündigt wird.

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