Special Inflation, Teil 2: Interview mit Juwelier Steinbreder aus Melle

Interieur bei Juwelier Steinbreder nach dem geplanten Umbau der Geschäftsfläche. © Juwelier Steinbreder

Interieur bei Juwelier Steinbreder nach dem geplanten Umbau der Geschäftsfläche. © Juwelier Steinbreder

Zwei weitere Stimmen zu unserem Themen-Special Inflation sind Sylke Wortmann und Frederic Wortmann, die den Juwelier Steinbreder aus Melle vertreten. Was sie aus der Pandemie gelernt haben, lesen Sie hier.



Im Niedersächsischen Melle hat der Juwelier Steinbreder seinen Sitz. Hier betreut Familie Wortmann mit Freude und Leidenschaft die Kunden des Juweliergeschäfts. Blickpunkt Juwelier hat mit Sylke Wortmann und Sohn Frederic Wortmann gesprochen, um zu erfahren, welche Lehren der Juwelier aus der Pandemie gezogen hat.

Lesen Sie auch unseren Hauptartikel zum Thema Inflation sowie eine weitere Stimme aus der Branche, den Juwelier Willer aus Hamburg.

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Familie Wortmann von Juwelier Steinbreder: Tochter Carolin, Stefan Wortman, Sylke Wortmann und Sohn Frederic. © Juwelier Steinbreder
Familie Wortmann von Juwelier Steinbreder: Tochter Carolin, Stefan Wortman, Sylke Wortmann und Sohn Frederic. © Juwelier Steinbreder

BLICKPUNKT JUWELIER: Frau Wortmann, wie ist beim Juwelier Steinbreder aktuell die Lage?

SYLKE WORTMANN: Aktuell befinden wir uns in der Umbauphase und planen Ende September eine Neueröffnung. Wir vergrößern uns auf über 350 Quadratmeter und setzen dabei konsequent auf exklusive Präsentationsräume. Zudem erschließen wir die obere Etage mit Winter- und Dachgarten, um Kunden noch mehr Exklusivität bieten zu können.

FREDERIC WORTMANN: Wir wollen eine Wohlfühloase schaffen und weg vom klassischen Ladengeschäft mit Stehverkauf, hin zu kleinen separaten Loungebereichen. Die Kunden, die zu uns nach Melle kommen, haben eine sehr hohe Aufenthaltsdauer. Diese werden wir ihnen noch angenehmer gestalten.
Aktuell bieten wir nur vier Sitzmöglichkeiten im Geschäft, die zu den Stoßzeiten regelmäßig ausgebucht sind. Wir benötigen mehr Räumlichkeiten, in denen man separater und intensiver sprechen kann.

SYLKE WORTMANN: Wir trennen uns von den Mainstream-Trendmarken. Wenige, individuelle Schmuckmarken im Einstiegssegment führen wir trotzdem weiter, um auch jüngere Kunden an unser Geschäft zu binden.

Konzept für den Wintergarten- und Außenbereich bei Juwelier Steinbreder. © Juwelier Steinbreder
Konzept für den Wintergarten- und Außenbereich bei Juwelier Steinbreder. © Juwelier Steinbreder

BJ: Wie haben Sie die Pandemie erlebt?

SYLKE WORTMANN: Die Coronazeit hat uns viel gelehrt. Unter anderem, den Kontakt zu unseren Kunden zu halten und zu intensivieren. Man muss sich neue Strategien überlegen und so haben wir uns hingesetzt und die Kunden persönlich angerufen. Manchmal fragten wir die Kunden einfach nur nach ihrem Befinden.
Ganz zu Beginn der Pandemie haben wir unseren Topkunden eine kleine Schmuckbox zukommen lassen, mit der Botschaft: „Don‘t worry be happy“. Sie dankten uns das zum Teil mit Blumen und auch telefonisch.
So hat man sich insgesamt deutlich besser kennengelernt und sich nicht aus den Augen verloren. Die Kundenbindung ist dadurch noch viel enger geworden, sodass wir trotz der Umstände zwei starke Geschäftsjahre verzeichnen durften.

BJ: Welche Beobachtungen haben Sie beim Konsumverhalten Ihren Kunden gemacht?

FREDERIC WORTMANN: Grundsätzlich können wir sagen, dass sich der Durchschnittsverkaufspreis immens gesteigert hat. Die Akzeptanz für ein deutlich hochpreisiges Segment existiert. Die Themen Wertigkeit und Nachhaltigkeit gewinnen immer mehr an Bedeutung.
Zudem konnten wir beobachten, dass sich viele unserer Kunden mit der Materie Schmuck und Uhr intensiv von daheim aus beschäftigt haben und nun in unser Geschäft kommen.

Sitzgelegenheiten sorgen für eine gemütliche Atmosphäre bei der Beratung und erhöhen die Verweildauer. © Juwelier Steinbreder
Sitzgelegenheiten sorgen für eine gemütliche Atmosphäre bei der Beratung und erhöhen die Verweildauer. © Juwelier Steinbreder

SYLKE WORTMANN: Die Kunden hatten außerdem Zeit, „ihre Ecken aufzuräumen“, wodurch sie auf Schmuckstücke gestoßen sind, die teilweise seit Jahren nicht mehr getragen worden waren. Mit dem Wunsch, genau diese Schmuckstücke umarbeiten zulassen, kamen die Kunden dann zu uns.

FREDERIC WORTMANN: Umarbeitung, Anfertigung und Unikatschmuck waren ein Thema, das zu einem deutlichen Zulauf in der Goldschmiedewerkstatt geführt hat. Auch personell konnten wir wachsen, sodass wir mittlerweile sieben Goldschmiede beschäftigen können.
Mit unserem Atelier hatten wir ein Umsatzwachstum von fast 40 Prozent. Nach Wellendorf ist unsere eigene Werkstatt die zweitstärkste Marke in unserem Haus.

BJ: Was können Sie aus dem Verhalten der Verbraucher für Ihr Geschäft ableiten?

FREDERIC WORTMANN: Wir werden uns noch weiter im hochpreisigen Segment positionieren. Das betrifft in erster Linie unser Markenportfolio, aber auch unsere eigenen Kollektionen. Wir müssen unsere Kompetenzen weiter ausbauen, besser und häufiger uns und unser Team schulen, damit wir noch kompetenter beraten und noch individueller auf Kundenwünsche eingehen können.

Malerisches Melle: Für einen Besuch beim Juwelier Steinbreder nehmen die Kunden auch gerne eine längere Fahrt auf sich. © Wikimedia/ T. E. Ryen
Malerisches Melle: Für einen Besuch beim Juwelier Steinbreder nehmen die Kunden auch gerne eine längere Fahrt auf sich. © Wikimedia/ T. E. Ryen

BJ: Inwieweit ist das aktuelle Weltgeschehen bei Ihnen zu spüren?

FREDERIC WORTMANN: Man merkt, dass der Krieg die Kauflaune drückt. Wirtschaftlich spüren wir es zwar nicht, aber wir erleben es in den Gesprächen. Man darf nicht vergessen, dass viele unserer Kunden uns besuchen, um sich etwas Gutes zu tun, mal den Gedanken aus dem Alltag zu entkommen, weshalb wir es als unsere Aufgabe verstehen, die Damen und Herren abzulenken.

BJ: Wie sieht aktuell ihr Orderverhalten aus?

SYLKE WORTMANN: Aufgrund des Umbaus halten wir uns aktuell etwas zurück. Zudem überdenken wir unser Portfolio, um nach der Fertigstellung mit der ein oder anderen Überraschung um die Ecke kommen zu können.

BJ: Welche Pläne haben Sie noch für dieses Jahr?

FREDERIC WORTMANN: Wir wollen die Wiedereröffnung, wenn es die Coronasituation zulässt, mit 600 Gästen feiern, das Markenportfolio straffen und mit neuen Herstellern ergänzen. Zudem veranstalten wir ab September zweimal im Monat einen „Ladies Lunch“, bei dem wir Lieferanten und zehn bis zwölf Damen oder Ehepaare zu uns einladen. Dank des Kundenfeedbacks können wir dann im Anschluss gezielter und individueller einkaufen, was eine bessere Lagerdrehung und weniger gebundenes Kapital bedeutet.

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