Standorte der Zukunft (Teil 1): Das Erlebnis Kauf

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Wo sind die neuen Wege zum Shopping – für den Juwelier und seine Kunden? © ProduktionPering/ Shutterstock.com

Lage. Lage. Lage. Die 3L-Grundregel des Immobilienkaufs gilt auch für den Standort des Juweliers. Doch wo werden künftig Schmuck und Uhren gekauft und in welchen Lagen liegt die Zukunft des Fachhandels? Welche Konzepte braucht es für die Innenstädte und die Einkaufszentren? Der erste Teil der Bestandsaufnahme.



Die Frequenzen in den Innenstädten sinken – und dies nicht nur wegen der Schließungen von Galeria-Filialen. Top-Immobilien in den Innenstädten bleiben trotz generell sinkender Gewerbemieten fast unerschwinglich und auch das Konzept Einkaufszentrum funktioniert längst nicht mehr überall. Die Städte und mit ihnen die Schmuck- und Uhrenbranche stehen vor gewaltigen Herausforderungen, wenn die Innenstädte und mit ihr die Fachhandelslandschaft lebendiger werden sollen. An immer mehr Standorten fehlt der klassische Juwelier mit Vollsortiment (und idealerweise einer Goldschmiede) bereits. 

Das Branchenbild der Innenstädte dominieren immer stärker die Filialisten und CHRIST und Kraemer. Dazu kommen (noch) die großen Schmuck- und Uhrenabteilungen von Galeria Karstadt Kaufhof. Dazu der unabhängige Luxus-Juwelier, oft der örtliche Rolex-Konzessionär, sowie edle Geschäfte betrieben von Wempe, Brinckmann & Lange (CHRIST GROUP) oder Pletzsch (Kraemer-Gruppe). Viele Vollsortimenter sind angesichts der hohen Mieten in den A-Lagen der Innenstädte in den letzten zwanzig Jahren abgewandert oder haben aufgegeben. Insgesamt hat ein Fünftel der Juweliere in Deutschland in den letzten zehn Jahren für immer die Türen geschlossen.

Klar ist: Auch die Hersteller wünschen sich die Belebung der Fachhandelslandschaft: „Als Marke wünschen wir uns wieder eine größere Vielfalt der Juweliere in den Innenstädten”, sagt der Inhaber einer großen Manufaktur in Pforzheim: „Das ist zwar nicht unser Geschäft – aber wir sehen die Schwierigkeiten an den unterschiedlichen Standorten”. Die Trauring-Manufaktur Rauschmayer macht es jetzt zu ihrem Geschäft: Gemeinsam mit Juwelieren will sie in den nächsten Jahren eine Reihe von Monobrand-Stores eröffnen.

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Neue Wege zum Shopping – bei der Galeria führen sie nicht nur hier in München in die Sackgasse.

Trotz sinkender Frequenzen und steigender Online-Shopping-Angebote steht die Schmuck- und Uhrenbranche mit einem Umsatzplus von 20 Prozent 2022 stationär glänzend da. Der Kunde will wahre Werte eben real erleben. „Wie in keiner anderen Branche dominiert der inhabergeführte Fachhandel nach wie vor den Markt”, so Stephan Lindner, Präsident des Handelsverband Juweliere (BVJ): „Bei aller Digitalisierung der Kommunikation und Investition in den E-Commerce-Bereich ist das persönliche Erlebnis, die Fachberatung und das Anprobieren im Verkauf von Schmuck und Uhren weiterhin erfolgsentscheidend,” so Lindner. Die Zahlen bestätigen das: Der E-Commerce-Umsatz von Schmuck und Uhren ist nach der Pandemie 2022 wieder auf einen im Vergleich mit anderen Branchen sehr guten Stand von zwölf Prozent zurückgegangen.

Laut einer aktuellen Untersuchung des IFH Köln liegt der Marktanteil des Fachhandels in 2022 bei 68,7 Prozent. Über die Hälfte der Umsätze (50,7 Prozent) im stationären Fachhandel werden vom nicht-filialisierte Handel erwirtschaftet (Quelle: Branchenfokus Schmuck & Uhren 2023, IFH Köln). Aktueller Stand: Die Menschen kaufen mehr Schmuck, auch wenn die Juweliersdichte sinkt.

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Einkauf muss ein Erlebnis sein

Die Voraussetzung dafür, dass es so bleibt: „Das Erlebnis,Einkauf” muss stimmen, nicht nur beim Juwelier, sondern auch in dessen Umfeld”, sagt Konsumenten- und Handelsforscher Jens Krüger, CEO von Bonsai Research: Gerade angesichts der Verödung vieler Innenstädte, die zwar nicht erst seit gestern Thema ist, aber durch die Pandemie einen Schub erhält. „Vielen Juwelieren gelingt es in ihren Geschäften ausgezeichnet, eine Atmosphäre zu schaffen, in der man sich als willkommener und gut beratener Gast fühlt”, so Jens Krüger. Noch aber werde zu wenig über die Ladentür hinausgedacht: „Der Fachhandel wird künftig viel stärker an Kooperationen mit anderen Unternehmen, Kunst- und Kultur-Initiativen denken müssen, um nicht nur sich selbst, sondern seinen Standort insgesamt attraktiv zu gestalten.“ Vor fünf Jahren hat Jens Krüger die Zukunftsstudie „2036 – Wie kauft Deutschland übermorgen ein” mitverantwortet. Schon damals sagten 77 Prozent der Deutschen: „Gerade weil so viel in Zukunft virtuell abläuft, werden Erlebnisse in der realen Welt umso wertvoller.“ Die Thesen von damals kann Krüger nach wie vor unterschreiben, nur sei manches schneller eingetroffen als erwartet: „Der soziale Aspekt des Einkaufens, der Austausch mit anderen Menschen – ob Shoppingbegleitung oder Verkäufer– hat durch die Pandemie noch einen deutlichen Schub erlebt.” 

Dafür braucht es das, was die Handelsforscher als Aufenthaltsqualität bezeichnen – gerade die hat in den letzten Jahren bekanntlich in vielen Innenstädten nachgelassen. Das Aus für Galeria-Filialen (aktuell sollen weitere 47 Häuser geschlossen werden) ist nur die Spitze des Eisbergs. Kaum ein Tag vergeht ohne die schlechte Nachricht über Filialschließungen – von Görtz über Orsay bis myToys. Die IHK-Studie „Zukunftsfeste Innenstädte: Zwischenbilanz und Strategien“ rechnet dauerhaft mit 14 bis 15 Prozent Leerstand in den Innenstädten – im Bundersdesdurchschnitt. Leerstand aber ist ein Killerkriterium für den Wohlfühlfaktor. 

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