Superbrand des Fachhandels: Braucht es Silber?

Was sind die Erfolgsfaktoren von Silberschmuck-Marken?

Was sind die Erfolgsfaktoren von Silberschmuck-Marken?

Selbstverständlich braucht es Silber, denn es braucht die Preislage von unter 250 Euro. Premium-Juweliere wie Bucherer oder Wempe können diese Preislage vernachlässigen. Alle anderen nicht. Die vergangenen Monate haben allerdings gezeigt, dass nicht alle Silbermarken Erfolg am P.O.S. versprechen. Welche Faktoren zählen? Wir haben nachgeforscht.



Auch wenn derzeit die Nachfrage nach Gold und Verlobungsringen steigt, heißt das noch lange nicht, dass die Kunden ausschließlich teuer kaufen. Die Frage ist viel eher? Was kaufen die Kunden? Aus Sicht des Juweliers kann man diese Frage ummünzen: Warum tun sich einige Silbermarken derzeit sehr schwer – auch ehemals sehr angesagte Marken, die in der Vergangenheit vieles richtig gemacht, die den Markt gemacht und wichtige Impulse gesetzt haben? Auf der anderen Seite gibt es Marken, die sich im schwierigen Umfeld leicht tun. Was also sind derzeit Erfolgsfaktoren?

Fokus auf Fachhandel

Eine mögliche Antwort auf die Frage, welcher Silberlieferant derzeit erfrolgreich ist und welcher nicht, haben wir von „Blickpunkt Juwelier“ in unserer Lieferantenwahl „DIE BESTEN! Juweliere bewerten ihre Lieferanten“ definiert. Wir wollten wissen, wer die Lieblinge der Juweliere sind. Und siehe da? Die Antworten fielen bei der ersten Auflage 2020 (die Zahlen wurden noch vor dem ersten Corona-Lockdown erhoben) im Kern nicht anders aus als in der aktuellen Ausgabe (mit Zahlen von Januar 2021). Die Antworten fielen noch deutlicher aus. Zahlreiche große Brands, Konzernmarken oder Vielwerber spielen laut Befragung beim Juwelier derzeit keine wichtige Rolle. Familiengeführte, kleinere Unternehmen dagegen schon. Dominant auch die Rolle der guten, alten Großhändler, die manch einer schon abschreiben wollte.

Ein möglicher Erklärungsansatz für die Sympathie beim Juwelier und letztlich auch für den Erfolg in diesen Zeiten ist die Ausrichtung des Lieferanten auf den Juwelier.

Übernimmt der Lieferant eine Funktion?

In Krisenzeiten zeigt sich nicht nur eine Partnerschaft deutlicher, sondern auch die jeweiligen Rollen beziehungsweise Funktionen, die die Partner beim Händler spielen. Welche Funktionen kommen derweil an? Nach eigenen Aussagen hat das Xenox-Team von Alexander Stütz im herausfordernden Jahr 2020 ein zweistelliges Plus beim Juwelier gemacht. Wie geht so etwas, wollten wir von Alexander Stütz wissen. Seine Antwort: „Ich führe unseren Erfolg auch darauf zurück, dass wir alles abdecken. Unser Sortiment umfasst mehr als 1.500 Produkte. Wir decken damit rund 80 % der Gesamtzielgruppe ab. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Kunde gar nichts bei uns findet.“ Die Funktion von Xenox beim Juwelier wäre damit die des Vollsortimenters, des All-in-One-Konzeptanbieters. Verständlicherweise hält Stütz nichts davon, Silber und die Preislage von unter 250 Euro zu vernachlässigen. Seine Kollektionen sollen das Bild des Marktes abdecken. Wobei: Er hat noch eine weitere motivierende Zahl im Gepäck. Viele Trendhändler seien heute wesentlich investitionsfreudiger als noch vor drei, vier Jahren und würden auch in Gold investieren. Auch seine Marke Star Diamant habe 2020 ein Plus von mehr als 20 % gehabt.

Emotion wecken

Ein weiterer Erfolgsfaktor in diesen Tagen ist die Funktion der Emotion. Als Altmeister bewährt sich auch in diesen Tagen die Marke Engelsrufer. Ihr großes Plus ist das Storytelling. Für Harald Baumann, Head of Sales an Operations von Engelsurfer, ist es die DNA der Marke eine Geschichte mit den Kollektionen zu verbinden, die Menschen tief berührt und mit der sie eine emotionale Verbindung aufbauen können. Wie gut dies im Fall von Engelsrufer funktioniert, kann an einem aktuellen P.O.S.-Beispiel gezeigt werden: Christ. Nach drei Jahren Pause gehen die beiden Unternehmen seit Herbst 2019 wieder gemeinsame und nach Aussagen von Baumann auch erfolgreiche Wege. Baumann: „Es gibt einen immer stärker werdenden Trend für das Thema Storytelling. Schmuck ist für viele einfach nicht mehr genug. Sie wünschen sich Bedeutung und Symbolik“, sagte Baumann im Interview mit „Blickpunkt Juwelier“. In den vergangenen Jahren habe man festgestellt, dass der immer jünger werdende Endkundentrend weg gehe vom einzelnen großen Schmuckstück hin zu mehreren, dafür kleineren Schmuckstücken. „Stichwort filigran und Layering stehen bei uns hoch im Trend“, so Baumann.

"Es gibt einen immer stärker werdenden Trend für das Thema Storytelling. Schmuck ist für viele einfach nicht mehr genug. Sie wünschen sich Bedeutung und Symbolik." (Harald Baumann, Engelsrufer)
"Es gibt einen immer stärker werdenden Trend für das Thema Storytelling. Schmuck ist für viele einfach nicht mehr genug. Sie wünschen sich Bedeutung und Symbolik." (Harald Baumann, Engelsrufer)

Junge Kunden ansprechen

Von einer „Magnetfunktion“ von Silber für jüngere Zielgruppen kann auch Bernd Wolf berichten. Bernd Wolf: „Wir beobachten in unseren Stores, dass die Zielgruppe sehr breit geworden ist. Waren es früher hauptsächlich Frauen ab 35 Jahren, so haben wir heute auch viele junge Frauen, die von unserem Schmuck begeistert sind und sobald der Geldbeutel es zulässt ihr erstes BERND WOLF Schmuckstück kaufen – oder es sich schenken lassen. Wir haben in unseren Stores immer wieder das besondere Erlebnis, dass Frauen aus drei Generationen bei uns einkaufen.“ In diesem Fall relativiert sich der Preisunterschied zum Goldschmuck.

Wie echt ist Silber?

Keine Schwierigkeiten mit dem Image von Silber hat Jason Newman, Exportleiter und Country Manager für Deutschland der Festina Group. „Silber ist ein Edelmetall wie Gold, wirkt aber durch seine Farbe moderner und spricht dadurch ein jüngeres Publikum an“, sagt er. Für die Festina-Group ist Silber also nicht der günstigere Goldersatz, sondern ein Baustein, zielgruppenorientierte Kollektionen auf den Markt zu bringen. Den Mehrwert seiner Silber-Marke Lotus Silver sieht er im Preis-Leistungsverhältnis, das er als unschlagbar bezeichnet. Newman: „Lotus Silver bietet ganze Sets zum Preis eines Einzelstücks des Mitbewerbs. Somit ist die Preislage ideal für Spontankäufe, die für viel Frequenz am P.O.S. sorgen. Um die Kaufentscheidung abzusegnen, muss nicht erst der Familienrat tagen.“ Ebenso müssen keine Kompromisse im Material gemacht werden. Der Erfolg am P.O.S. lässt sich sehen. Lotus Silver habe sich seit 2010 international sehr gut entwickelt und ein kumuliertes Umsatzwachstum von 250 Prozent erzielt. Die VK-Preise liegen zwischen 19 bis 79 Euro VK, der Durchschnittsbon bei 34 Euro und die Marge bei 2.5.

Keine Kompromisse

Welchen Nimbus Silber beim Konsumenten hat, wissen auch Kunden von Thomas Sabo. Die deutsche Silberschmuckmarke hat das Material populär gemacht und in bislang ungeahnte Preisregionen geführt (siehe nächste Doppelseite). Doch schlichtes „Silber“ wird bei der Premium-Marke nicht verwendet, vielmehr 925 Sterlingsilber in seiner ureigenen, unrhodinierten Art. Wenn Farbe ins Spiel kommt, bei Thomas Sabo ist dies Gelbgold- oder Roségold, handelt es sich um eine qualitativ erstklassige Vergoldung, die in der Branche seinesgleichen sucht. Kompromisse gibt es hier nicht.

"Wir haben in unseren Stores immer wieder das besondere Erlebnis, dass Frauen aus drei Generationen bei uns einkaufen." (Bernd Wolf, Bernd Wolf)
"Wir haben in unseren Stores immer wieder das besondere Erlebnis, dass Frauen aus drei Generationen bei uns einkaufen." (Bernd Wolf, Bernd Wolf)

Design wagen

Auch Design kann ein solch starkes Argument in wilden Zeiten sein. Einer, der weiß, wie Design kommerziell funktioniert ist Michael Nordahl Andersen. Seine Marke Nordahl Andersen steht für zarten Schmuck in klassisch-dänischem Design. Er erzählt: „In Dänemark haben wir eine lange Tradition, ernsthaft mit Design zu arbeiten. Diese reicht von der Einrichtung der Häuser mit Möbeln, Lampen und vielen anderen Wohnaccessoires, bis hin zu einer breiten Palette von Modemarken in der Textilindustrie. Nicht zuletzt haben wir auch ein Unternehmen wir Lego. Gutes Design hat eine langfristige Haltbarkeit, die die Produkte zeitloser macht.“ Bezogen auf den Schmuck und den Geschmack in Deutschland überrascht er mit einer Aussage: „Die Deutschen mögen in der Regel lieber farbige Steine und größere Schmuckstücke als Verbraucher in vielen anderen Ländern.“ Seine Lösung für den deutschen Markt ist daher eine klare Segmentierung seines Markenportfolios. Neben seiner Hauptmarke Nordahl Andersen führt er Nordahl Jewellery für Frauen, die immer auf dem neuesten Stand sein wollen. Joanli Nor richte sich eher an Frauen, die funkelnde Steine lieben und Siersbøk an Frauen, die gutes, klassisches Design schätzen. Wer also seine Zielgruppe kennt, kann passend für sie eine Marke mit hohem Designfaktor finden. Sprich: Silberschmuck kann auch in schwierigen Zeiten gut funktionieren, wenn Positionierung und Segmentierung beim Händler stimmen.

Beispiel Fossil und Sabo

Beispiel Fossil Group: Der Konzern hat in der Vergangenheit über Jahre, fast Jahrzehnte hinweg kaum Fehler gemacht. Was auf den Markt kam, wurde erfolgreich. Selbst wer sich Emporio Armani zutraute und das passende Umfeld erzeugte, war erfolgreich mit dieser vergleichsweise hohen Preislage. Sogar begleitende Schmuckkollektionen der Uhrenmarken funktionierten bei der Fossil Group wunderbar. Selten lag der Konzern mal daneben und musste korrigieren, wie beispielsweise bei der ersten Schmuckkollektion von Diesel, die im Nachhinein betrachtet zu hochpreisig war. Auf die Frage von „Blickpunkt Juwelier“, warum so wenig schief geht, antwortete der damalige „Mister Fossil“ in Deutschland, Christian Coenen, scherzhaft: Alles, was in Europa auf den Markt komme, sei bereits im Heimatland USA getestet. Die USA sie das Testfeld für Deutschland.

Für Fossil-Group-Juweliere gab es lange Jahre nur eine Richtung – aufwärts. Sollte der Konzern auch noch so viele ergänzende Marken und Kollektionen auf den Markt bringen, sie hatten ihren Platz in der Vitrine des Handelspartners auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht verdient. Fossil wurde zur Brot & Butter-Marke, alle anderen Marken füllten – fein abgestimmt – bestimmte Löcher in der Zielgruppenansprache. Alles war gut! Das System funktionierte. Heute aber spielt die Gruppe keine dominante Rolle mehr am P.O.S., außer vielleicht dass sie aus der Historie heraus eine große Sichtbarkeit hat.

Beispiel Tomas Sabo: Auch Thomas Sabo tut sich derzeit nicht leicht im Handel. Der scheidende Diadoro-Chef Werner Probst erklärt sich dies so: „Thomas Sabo war ja deshalb erfolgreich, weil es eine Marke war, die die Kunden kaufen und die die Juweliere auch aufgrund der guten Marge verkaufen wollten“, so Probst, der allerdings gleich darauf die Kraft der Marke einschränkt: „Der Erfolg von Thomas Sabo war nicht nur das exzellente Marketing, sondern auch der lenkende Verkauf der Juweliere.“ Sprich: Ohne Juwelier weniger Erfolg am P.O.S.

Probst weiter: „Ich denke, dass die Strategie vieler Markenlieferanten nicht wie gewünscht aufgegangen ist, weil sie die Rolle des Juweliers unterschätzt haben. Nur wenige Kunden kommen ins Geschäft und wollen eine ganz bestimmte Marke kaufen. Und selbst wenn das so ist, bietet in 80% dieser ohnehin wenigen Fälle ein guter Verkäufer eine passende Alternative.“ Probst geht also von der Kraft des mündigen Verkäufers aus. Die Umfrageergebnisse der „Lieferantenwahl“ von „Blickpunkt Juwelier“ unterstützen diese These.

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