Ohne Auswahl und Service geht es nicht

Der Konsument ist bereit, mehr für Service auszugeben – nicht zuletzt aus den Erfahrungen des Lockdowns heraus, als diese Leistungen schlicht nicht angeboten werden konnten, beziehungsweise durften.

Der Konsument ist bereit, mehr für Service auszugeben – nicht zuletzt aus den Erfahrungen des Lockdowns heraus, als diese Leistungen schlicht nicht angeboten werden konnten, beziehungsweise durften.

Händler, die ihre Zukunftsfähigkeit analysieren wollen, sind nach den Lockdowns um zwei wesentliche Erfahrungen reicher. Egal auf welchem Niveau der Händler spielt oder an welchem Standort er ist: Ohne Auswahl und ohne Service geht es nicht!



Die Bedeutung des Service

Verzettelung oder Kundenbindung? Nervig oder nützlich? Unwirtschaftlich oder lukrativ? Der Service, und vor allem der Quick-Service ist im Uhren- und Schmuckhandel umstritten. Während sich andere Branchen nach solchen Chancen der Alleinstellung und Kundenbindung sehnen, behandeln einige Juweliere das Thema stiefmütterlich. Die Zeit während der Lockdowns, in denen die Werkstatt mitunter über die Öffnungsmöglichkeit des Ladengeschäftes entschieden hat, und die Zeit nach den Lockdowns hat gezeigt, dass der Konsument den Service schätzt. Dieser Punkt allein sollte die generellen Kritiker verstummen lassen.

Wie rechnet sich Service?

Die Nachfolgefrage lautet nur: Wie rechnet sich Service? Am Beispiel der Uhrenarmbänder wird deutlich, dass sich Mut lohnt. Sowohl bei den Preisen für Lederarmbänder als auch den Margen ist mehr drin. Der Durchschnittspreis für Lederarmbänder liegt im deutschen Fachhandel bei derzeit etwa 36 Euro, wobei viele Händler bereits diese Preise kaum erreichen. Die Luft nach oben ist aber da, spätestens wenn man gemeinsam mit dem Lieferanten eine Strategie entwickelt und umgesetzt hat. Ebenso ist bei der Marge mehr drin. Die gute Nachricht von Günter Gröning, Geschäftsführer der Uhrenarmband-Manufaktur Colditz: „Wir werden derzeit oft und regelmäßig von Kunden gebeten, die Kalkulation auf 3.5 oder sogar 4.0 zu erhöhen. Bisher hat noch kein Händler diesen Schritt zurückgenommen oder hätte dadurch mit uns weniger Umsatz gemacht.“

Ähnliche Erfahrungen haben Juweliere gemacht, die ihre Service-Leistungen moderat erhöht haben. Der Konsument ist bereit, mehr für Service auszugeben – nicht zuletzt aus den Erfahrungen des Lockdowns heraus, als diese Leistungen schlicht nicht angeboten werden konnten, beziehungsweise durften.

Kundenbindung als Ziel

Heute geht am Service kein Weg vorbei. War es vor zehn Jahren, zu Hochzeiten von Pandora, Fossil, Sabo & Co., noch vergleichsweise einfach, eine erfolgreiche Positionierung zu realisieren, indem man sich nach den großen Lifestyle-Brands orientieren konnte und zumeist erfolgreich damit war, so braucht es heute mehr. Ohne Service, ohne After-Sale, ohne Trauringe wird es schwer – mit Werkstatt, Graviermaschine und Einstiegsgold-Sortiment leichter! Eine der wichtigsten Faktoren des Service ist die Kundenbindung. Für Alexander Stütz von Xenox ist die Kundenbindung „das Essentielle“, wie er sagt: „Wenn ich eine gute Kundenbindung habe, folgt automatisch eine Frequenzerhöhung, weil sich gute Leistung herumspricht. Wenn ich gute Arbeit leiste, guten Service biete, gern und gut berate, dann wird sich das mittelfristig herumsprechen.“

Partylaune hilft

Guido Abeler von Engelkemper Münster rechnet in den nächsten Monaten mit einem steigenden Bedarf in der Silberpreislage. Der Grund: „Jeder sehnt sich zurzeit wie noch nie zuvor nach einem fröhlichen Abend mit Freunden oder einer nachgeholten Hochzeitsfeier.“ Der Bedarf nach Schmuck steige aus zwei Gründen. Zum einen möchte man selbst zum neuen Outfit auch ein schönes neues Schmuckstück oder eine passende Uhr tragen. Zum anderen braucht es Geschenke. Abeler: „Auch wenn sich der derzeitige Trend gerade etwas zugunsten hochwertiger Artikel verschiebt, sitzt das Geld für Geschenke in kleinen und mittleren Preislagen immer noch lockerer in der Tasche und erfordert auch deutlich weniger Beratungsbedarf.“ Deshalb sein Appell: „Lager ist wichtig, der Endverbraucher ist das Warten leid!“

Verkauf durch Auswahl

Die Bedeutung der Produktauswahl beim Händler wird nirgends so deutlich wie dort, wo es am offensichtlichsten ist: der Drehvitrine. Wer Auswahl bietet, wirkt kompetent und verkauft. Wer nicht nachzieht und Löcher im Sortiment offenbart, macht einen schlechten Eindruck.

In der Lockdown-Zeit war die Drehvitrine für viele Händler „eine gute, leuchtende Deko“, sagt Hermann Bender von Max Fröhlich. Nun aber verwandelt sie sich wieder in eine „stille Verkäuferin“. Nach Einschätzung Benders ist es ganz gleich, bei welcher Art von Händler die Vitrine steht, sie funktioniert: „Jeder Artikel verkauft sich leichter, wenn er sichtbar ist und nicht in der Schublade geheim gehalten wird.“ Trotzdem aber brauche es immer auch Mitarbeiter. Es seien schon Vertriebsformen vom Markt verschwunden, die nur über Vitrine versucht haben, personalsparend zu verkaufen. Der Erfolg liege dazwischen. 

Auch Großhandels-Kollege Engelkemper aus Münster plädiert grundsätzlich dafür, dass so viel Ware wie möglich offen präsentiert wird. Die Drehvitrine biete eine hervorragende, wenn nicht sogar neben dem Schaufenster die beste Möglichkeit der direkten Vorauswahl durch den Endverbraucher. Der Endverbraucher sei es heute aus allen anderen Bereichen gewohnt, sich selbst einen Überblick zu verschaffen, sagt Engelkemper-Chef Guido Abeler. Wichtig sei nur, dass die Entscheidung für einen Kauf im entscheidenden Moment positiv vom Personal unterstützt wird, damit es auch zu einem Abschluss komme. Abeler: „Eine erste Vorauswahl schließt eine sich anschließende Beratung ja nicht aus.“

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