Stellen sich der Kritik der Handelspartner und haben bereits einen Wunsch der Juweliere umgesetzt: Die Inhaberfamilie Hirsch mit Matthäus, Robert und Nikolaus (v.l.).
Nachgefragt. Rund um das Quick-Release-System des Uhrenarmbandherstellers Hirsch hatte es im vergangenen Jahr eine heiße Debatte unter den Juwelieren gegeben. Letztlich ging es um die Frage, ob die Firma am Juwelier vorbei verkaufen will und dabei den stationären Händler vernachlässigt. Auf Anfrage von „Blickpunkt Juwelier“ geben Robert Hirsch (CEO) und seine beiden Söhne Nikolaus und Matthäus (ebenfalls Geschäftsleitung) nun gemeinsam Antwort. Sie kündigen bereits eine Änderung im Sinne des Juweliers an: Für den Fachhandel gibt es wieder eine Auswahl an Uhrarmbändern ohne Schnellwechselsystem.
BLICKPUNKT JUWELIER: Im Kern geht es in der Kritik um die These, Hirsch forciere am Juwelier vorbei den Direktvertrieb und vernachlässige den stationären Partner. Wie wichtig ist Ihnen der stationäre Händler?
HIRSCH: Für jede Konsumenten-Marke ist der stationäre Fachhandel ausgesprochen wichtig, so auch für uns – der direkte und persönliche Kontakt zum potenziellen Käufer ist durch nichts zu ersetzen.
Ein Uhrenarmband ist ein haptisches Produkt; wir möchten es anfassen, fühlen und sehen, wie es zur eigenen Uhr passt, andere Materialien und Farbvarianten ausprobieren. Online informieren und offline beim Fachhändler des Vertrauens kaufen ist seit vielen Jahren ein klarer Trend.
Natürlich gibt es auch Menschen, insbesondere junge, die ausschließlich online konsumieren. Diese sind für uns, wie auch für den Fachhändler mit eigenem Webshop, eine zusätzliche Zielgruppe, die wir nun ansprechen können. Dies steht nicht in Konkurrenz zum stationären Fachhandel, sondern ganz im Gegenteil als professionelle Ergänzung und letztlich als Unterstützung für unsere Fachhandelspartner. Ein digitaler professioneller Markenauftritt über den eigenen Webshop, wie auch die verschiedenen Internet-Kanäle ist für jedes moderne Unternehmen, das in die Zukunft und somit auch in seine Zuverlässigkeit für den Fachhandel investiert, sehr wichtig.
BJ: Geht beides zeitgleich, den Direktvertrieb forcieren und dem Handelspartner stabile Erträge garantieren?
HIRSCH: Wir unterstützen unsere Partner so gut wir können im Rahmen unserer Strategie, die Konsumenten-Marke HIRSCH Armbänder weltweit noch erfolgreicher zu machen. Und dieser Erfolg wird sich kurz- und mittelfristig sehr positiv auf die Verkaufszahlen beim Fachhändler auswirken; wichtig dabei ist aus unserer Sicht, neue Wege zu gehen und das Uhrenarmband nicht mehr allein als Ersatzteil, sondern vielmehr als Accessoire zu sehen, das zu verschiedenen Anlässen einfach ausgetauscht werden kann. Wir reden von einer entsprechenden Präsentation im Geschäft, in der Auslage, im Fenster, von Zusatzverkäufen, aber nicht von Service-Verrechnung.
BJ: Verstehen Sie den Unmut der Händler, immerhin zählt Hirsch zu einem der traditionsreichsten, stabilsten Lieferanten, der bisher stark auf den Juwelier fixiert war?
HIRSCH: Wir verstehen den Unmut der Händler. Veränderung ist immer unangenehm. Wir sind ein traditionsreicher, stabiler Lieferant für den Fachhandel und tun alles, damit das auch in 50 oder 100 Jahren so sein wird. Wir nehmen keinem Partner etwas weg, wir fahren eine Push & Pull-Strategie, die Kaufreize setzt, wie die meisten Marken in unserer Branche.
BJ: Gibt es im Hause Hirsch einen Interessenskonflikt der Generationen? Auf der einen Seite Robert Hirsch, der gemeinsam mit dem Juwelier groß und größer geworden ist, auf der anderen Seite seine beiden Söhne, die die Chance der Digitalisierung unbedingt nutzen wollen?
HIRSCH: Ganz im Gegenteil – zwischen uns Drei herrscht bestes Einvernehmen. Auf der einen Seite langjährige Erfahrung, auf der anderen Seite jugendliche Innovationskraft. So werden Werte weiter getragen und das Unternehmen wird zukunftsfit gemacht. Die Chancen der Digitalisierung muss jeder nutzen, wenn er auch in Zukunft erfolgreich sein möchte.
BJ: Um was geht es Ihnen beim Schnellwechselsystem Quick-Release, und warum wurde gleich die komplette Kollektion umgestellt?
HIRSCH: Es geht uns darum, die Auffassung des Armbandes zu verändern, wie wir es bereits mit zahlreichen Innovationen in den vergangenen Jahren gezeigt haben (Bsp. HIRSCH Rembordé, Performance Kollektion usw.). Das Schnellwechselsystem ermöglicht ein unkompliziertes Auswechseln des Accessoires Uhrenarmband zu verschiedenen Anlässen. Viele Luxus-Uhrenmarken folgen diesem Trend und stellen seit Jahren mehr und mehr auf das Schnellwechselsystem um. Als internationaler Marktführer und Pionier trägt HIRSCH Armbänder direkt dazu bei.
Die Umstellung des kompletten Sortiments war eine strategische und auch kommerzielle Entscheidung, auch vor dem Hintergrund, dass 95 % aller Uhren mit unserem System abgedeckt sind.
BJ: Sie sehen das Uhrenarmband als Accessoire zur Uhr, als „schönstes Kleid der Uhr“ und eben nicht als Bedarfsartikel. Haben Sie Beispiele, wo solch eine Transformation vom Bedarfs- zum Konsumartikel gelungen wäre?
HIRSCH: Die Uhr ist wahrscheinlich eines der repräsentativsten Beispiele für eine solche Transformation. Früher zum Ablesen der Zeit benötigt – heute Stilobjekt, Accessoire und Luxusartikel.
Für uns war das Uhrenarmband schon immer das „schönste Kleid der Uhr“. Es steckt ganz viel Innovationskraft und Liebe zum Detail in jedem Armband – wir haben uns diesem Leitsatz seit Anbeginn des Unternehmens verschrieben.
Fast alle Produkte, die wir heute verwenden, waren einmal Bedarfsartikel und sind zu Konsumartikeln, zu Lifestyle-Produkten geworden. Das geht von Kleidung zu Möbeln, von Taschen und Lederwaren zu Uhrbändern.
Unsere Uhr, unser Armband, sind Ausdruck unseres persönlichen Stils und spiegeln ein Stück weit wider wer wir sind. Der Trend geht zur Individualisierung. Da passt das Armband perfekt dazu.
BJ: Juweliere bemängeln am Quick-Release-System, dass die Ansätze nicht immer passen. Bei geringsten Abweichungen von der Norm könne man die Bänder nicht mehr montieren, müsse den Schnellwechsel-Stift des Stegs herauszwicken und durch einen normalen Federsteg ersetzen. Kann man diese Situation verbessern?
HIRSCH: Insbesondere bei älteren Uhren gibt es Norm-Abweichungen aufgrund von Abnutzung. Diese betreffen sowohl Schnellwechsel-Federstege als auch normale. Als innovatives Unternehmen arbeiten wir auch in diesem Bereich ständig an Verbesserungen.
Wir bedanken uns bei unseren Partnern für ihr Feedback. Dadurch können wir unser Angebot verbessern und haben als Folge daraus unser Sortiment um eine Auswahl an Uhrarmbändern ohne Schnellwechselsystem für den Fachhandel erweitert.
BJ: Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen mit Quick-Release: Wechselt der Konsument tatsächlich?
HIRSCH: Aus dem Feedback, das wir erhalten, erwarten sich die meisten Konsumenten bereits ein Schnellwechselsystem. Inwieweit und wie oft sie dann das Band tatsächlich wechseln, dafür gibt es derzeit noch zu wenig Daten. Allerdings bemerken wir, sowohl in der Kommunikation mit unseren Partnern als auch im Kontakt mit Konsumenten, dass mehr mit der Uhr experimentiert wird. Beispielsweise werden mehr Farben gekauft.
BJ: Verkauft der Juwelier auch mehr Bänder seit Quick-Release?
HIRSCH: Bedingt durch die aktuelle Ausnahmesituation durch Corona und Lockdowns wäre eine Einschätzung dieser Entwicklung verfrüht.
BJ: Verkauft ein Juwelier, der mit eigenem Webshop gut online aufgestellt ist, Ihre Uhrenarmbänder besser als ein purer stationärer Juwelier?
HIRSCH: Das kann man so nicht sagen. Es gibt großartige Beispiele für beide Varianten. Grundsätzlich ist es gut für jeden Standort, auch über das Internet gefunden zu werden, denn unser Leben spielt sich aus einer Kombination aus Online- und Offline ab.
BJ: In der Vergangenheit ist eigentlich jeder große Hersteller mit Wechselbändern gescheitert, egal ob Gucci oder Raymond Weil. Warum sollte es heute anders sein?
HIRSCH: Mittlerweile gibt es auch immer mehr Schweizer Luxus-Uhrenmarken, die ein Schnell-Wechsel-System anbieten. Die Konsumenten kennen daher diese Systeme, sehen die Vorteile und fragen aktiv danach. Es ist eine Idee, deren Zeit gekommen ist.
BJ: Wurde der Juwelier von den Wünschen des modernen, schnell entscheidenden Konsumenten überholt?
HIRSCH: Das glauben wir nicht. Der Verkauf wird immer eine Kombination aus Online und Offline sein. Dort, wo es persönliche Beratung gibt und das Sortiment auf die Wünsche des Konsumenten abgestimmt ist, wird es immer Nachfrage geben. Zudem sind viele Konsumenten sehr treu und kaufen immer wieder gerne beim Händler ihres Vertrauens und lokal.
BJ: In Ihrer Brand-Strategie liest man, das Ziel sei es, Hirsch zu einer Konsumentenmarke zu machen. Ist damit der Juwelier abgeschafft?
HIRSCH: Ganz im Gegenteil – unser Ziel ist, den Konsumenten in den Mittelpunkt zu stellen und ihm das optimale Erlebnis sowohl Online als auch in den Geschäften zu ermöglichen. Der stationäre Handel spielt dabei eine wesentliche Rolle. Durch eine höhere Markenbekanntheit, die heutzutage hauptsächlich über Online-Marketing wie beispielsweise Google Ads oder Social Media erzielt wird, erhöht sich die Nachfrage nach unseren Produkten auch in den Geschäften. Es ist kein Entweder-oder sondern ein miteinander, welches uns in Zukunft begleiten wird und essentiell ist, um dieses Ziel zu erreichen.
BJ: Wann ist dieses Ziel, Konsumentenmarke zu sein, erreicht?
HIRSCH: Der Markenaufbau ist kein Sprint, sondern ein Marathon, es ist ein laufender Prozess. Wir sind überzeugt, dass es weitere Zielgruppen für Uhrenarmbänder gibt, die wir bisher noch wenig erreichen konnten – die jüngere Zielgruppe, die weibliche Zielgruppe, eine sehr Mode-affine Zielgruppe. Aus diesem Grund gab es in letzter Zeit Innovationen wie das John-Performance Band im Camouflage-Look für die jüngere Zielgruppe oder das Lindsey-Performance Band für die weibliche Zielgruppe.
BJ: Die Kernkollektion von Hirsch, bemängeln Juweliere, sei kleiner geworden und sobald es Abweichungen gibt, beispielsweise wenn man Bänder ohne Schnellwechsel-Stift haben will, gebe es gewaltige Aufschläge, lange Wartezeiten, da das Band eine Sonderanfertigung geworden ist und individuell angefertigt wird. Kann es hier eine flexiblere Lösung geben?
HIRSCH: Unsere frühere Kollektion war riesig, hier waren viele Uhrenarmbänder dabei, die kaum nachgefragt wurden. Die überarbeitete HIRSCH-Kollektion ist immer noch sehr groß, wir haben in der aktuellen Kollektion über 4000 (!) verschiedene Uhrenarmbänder, die wir anbieten (inklusive aller Ansatzbreiten, Längen und Farben).
Flexibilität in unserem Sortiment ist uns nach wie vor sehr wichtig. Deshalb haben wir die Möglichkeit geschaffen, unsere Armbänder den Bedürfnissen der Konsumenten anzupassen, beispielsweise bei Ausschnitten oder Armbändern ohne Schnellwechsel-Stift. Für spezielle Armbänder, die wirklich einzeln handgefertigt werden müssen, benötigen wir mehr Zeit und sie haben selbstverständlich ihren Preis, was bei Unikaten normal ist. Wir bemühen uns aber, alles so rasch wie möglich abzuwickeln.
BJ: Wie ist die aktuelle Situation der Außendienstbetreuung in Deutschland und Österreich?
HIRSCH: Rolle und Aufgaben im Außendienst ändern sich in allen Branchen hin zu mehr Beratungsleistung, sowohl was Produkt, Sortiment und Warenumschlag betrifft als auch Marketing und gemeinsame Kundenevents. Seit wenigen Wochen ist unser stark verbesserter B2B-Webshop online, sodass wir noch schneller und besser über Neuerungen informieren und unsere Fachhandelspartner ihre Bestellungen einfacher erledigen können. Natürlich ist unser Außen- und Innendienst für unsere Partner weiter erreichbar, sei es persönlich oder auch telefonisch.
BJ: Zankapfel Preisauszeichnung: Hirsch hat umgestellt und zeichnet nicht mehr einzeln jedes Band aus, sondern nur noch komplett auf einem Preisblatt. Nach eigener Aussage sei dies auch auf Wunsch der Juweliere geschehen, die individuell kalkulieren und auszeichnen wollen. Andere Juweliere aber bemängeln das Fehlen des Preises am Band, da viele Konsumenten zur Kaufentscheidung sofort den Preis wissen wollten. Wie ist der Status Quo bei der Preisauszeichnung derzeit?
HIRSCH: Wir sind ein international agierendes Unternehmen, das immer zwischen den verschiedenen Wünschen der einzelnen Märkte abwägen muss. Für die Mehrheit unserer Partner, sowohl national als auch international, ist die bestehende Preisauszeichnung die bevorzugte Lösung.
BJ: Wie kalkuliert Hirsch derzeit seine Bänder?
HIRSCH: Wir kalkulieren die Einzelhandelsmarge unserer Uhrenarmbänder ähnlich wie es bei anderen Anbietern von hochwertigen Accessoires üblich ist, und dies weltweit gleich. Unser gemeinsames Ziel ist die Erhöhung des Durchschnittspreises, des Umsatzes im Geschäft und des Gewinns, sowohl für uns als auch für unsere Partner.
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