Branche im Umbruch: Uhren werden zur Nebensache (Teil 2)

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Der Trend bei den Luxusuhren geht eindeutig weiter dahin, sich auf weniger Juwelier-Partner in Metropolen und mehr Mono-Brand-Stores zu konzentrieren.

Höchste Zeit, zu handeln. Große Uhrenmarken reduzieren ihr Fachhandelsnetz und setzen zunehmend auf Mono-Brand-Stores und ausgewählte Großstädte. Jetzt ziehen auch die Marken der zweiten Reihe wie Chopard und Fortis nach. Die Zukunft des Juweliers liegt eindeutig im Schmuck, vor allem im hochwertigen. (Hier können Sie den ersten Teil der Story nachlesen.)



Konzentration auf wenige Standorte

Die Konzentration im Uhrenbereich zeige sich, so Thierry Huron (früher selbst Director bei TAG Heuer), in zwei Formen: „Zum einen durch die Vertikalisierung – die Eröffnung von Mono-Marken-Boutiquen, die entweder direkt oder von Handelspartnern geführt werden. Zum anderen durch die Verringerung der Zahl der autorisierten Mehrmarken-Einzelhändler und Konzentration auf bessere und rentablere Partnerschaften in Bezug auf Standort, Verkauf, Fachwissen und Ausbildung des Personals oder Marketing-Investitionen.“

Beides bedeutet für immer mehr Fachhändler in Deutschland: Sie sind raus. Und das nicht nur bei den Top-Ten der Luxus-Uhren. Auch die Marken der zweiten Reihe fahren diese Strategie verstärkt: Fortis trennt sich von 30 Konzessionären in der DACH-Region (Deutschland / Österreich / Schweiz). Chopard hat sein globales Einzelhandelsnetz (ohne eigene Boutiquen) bereits auf weniger als 800 Geschäfte zurückgefahren, so Thierry Huron, und will weiter auf 600 reduzieren: „Wir beobachten eine zunehmende Konzentration auf die großen Städte, vor allem in Europa.“ Nur noch wenige Metropolen stehen auf der Wunschliste der Marken – hier dürfte das Beispiel des Luxus-Labels Hermès im deutschen Markt weiter Schule machen.

Was der ein oder andere Branchen-Manager gerne vergisst: Es herrscht kein Mangel an Marken. „Es gibt zu allen Marken Alternativen. Jedenfalls fast allen“, betont Joachim Dünkelmann: „Es wird zwar von vielen Lieferanten ignoriert, aber sie sind ersetzlich.“ Sicherlich mache es als Händler Sinn, sich auf einige wenige Lieferanten zu konzentrieren: „Aber es müssen in einer Kategorie immer genug im Portfolio sein, dass ein Lieferant entfallen kann, ohne dass der Sortimentsmix in Schieflage gerät.“ Denn der Trend verstärkt sich auf Betreiben der großen Luxus- und Uhrenkonzerne weiter, die wiederum Nachahmer finden. Drei Beispiele:

Richemont: Die Richemont-Gruppe reduziert ihr Fachhandelnetz. Mit IWC setzt der Konzern hier Zeichen und hat mit Cartier quasi ein Role-Model im eigenen Haus: Cartier vertreibt seit Jahrzehnten Schmuck ausschließlich über eigene Boutiquen, eine Vorlage, die Bulgari (LVMH) im Schmuckbereich später komplett
übernahm.

LVMH: Auch der Luxus-Gigant grenzt den Vertrieb über den Fachhandel der großen Uhrenmarken ein –  TAG Heuer, Zenith und Hublot – und setzt auf Mono-Brand-Stores. Die betreibt man an liebsten (und immer öfter) selbst, damit die Margen von der Produktion bis zum Endverbraucher im eigenen Haus bleiben.

Swatch Group: Omega hat in anderthalb Jahren rund 40 Monobrand-Stores eröffnet, auch Longines verstärkt den Direktvertrieb, jetzt mit der Eröffnung einer Boutique am Wiener Graben. Wie viele Fachhändler künftig mit der Marke rechnen können, ist offen.

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Back to the Roots – zurück zum Schmuck

Sich als Händler auf die Attraktivität einzelner Marken zu verlassen, wird zum immer größeren Risiko: „Wenn man sich zu einseitig aufstellt, ist der Verlust der Lizenz schmerzhaft, im Einzelfall gar existenzbedrohend“, warnt Joachim Dünkelmann, Geschäftsführer des Bundesverbands der Juweliere, Schmuck- und Uhrenfachgeschäfte e.V. (BVJ): „Eine gesunde Mischung von Marken, aber auch im Mix aus Uhren und Schmuck hilft dabei, Abhängigkeiten zu vermeiden.“ Die gute Nachricht unter den vielen schlechten: Die Dominanz der Uhren besteht objektiv betrachtet vor allem in der Wahrnehmung. Denn die Uhren sind durch ihre Marketingausgaben „lauter und sichtbarer als der Schmuck“, so Joachim Dünkelmann: „Aber wir steuern auf eine Umsatzverteilung in der Branche zu, in der die Uhr mit weniger als einem Viertel des Volumens zur schicken Nebensache wird.“ Schmuck dominiert beim Umsatz, aber auch bei den Stückzahlen das Geschehen. Betrachtet man die Ertragslage, ist der Anteil der Uhr am wirtschaftlichen Erfolg des Händlers noch viel niedriger. 

Mit den Bestrebungen vieler Hersteller, ihre Fachhandels-Infrastruktur zu reduzieren, steigt der Druck auf die verbliebenen Partner. „Der Uhren- und Schmuckfachhandel muss sich heute mit immer anspruchsvolleren Anfragen von Top-Marken auseinandersetzen“, konstatiert Thierry Huron. Joachim Dünkelmann findet härtere Worte: „Aus Handelssicht sind die Forderungen einzelner Marken in Bezug auf Positionierung, Markenumfeld und Pflichtsortimente zum Teil absurd oder schlicht unverschämt.Dünkelmann rät dem Fachhandel permanent aufs Neue prüfen, was eine Marke einem bringe und was sie einen koste. Der Einsatz von Schaufensterfläche, Werbeengagement, Präsentationsmöbeln, Kapitalbindung für Sortimente, Mitarbeiterschulung und vieles mehr müsse sich rechnen: „Wenn die Anforderungen höher werden, die Spanne aber nicht steigt, kann die Wirtschaftlichkeit einer Marke beim Juwelier schnell kippen. Zumal dann, wenn der Hersteller bei den Lieferzeiten und / oder der Zuteilung bestimmter Modelle den eigenen Onlineshop und seine Mono-Brand-Stores bevorzugt bebandelt.

„Warum also lassen sich so viele Juweliere ihr Business und ihren Auftritt von Uhrenlieferanten vorschreiben, die ihnen immer mehr auf der Nase herumtanzen?, fragt Joachim Dünkelmann. Natürlich gäbe es Gründe für das Führen starker Uhrenmarken, so der BVJ-Chef. Seine Empfehlung: „Auch, wenn es abgedroschen klingen mag: Der Juwelier muss die Marke sein und er darf sich nicht durch einzelne Markenlieferanten dominieren lassen.“ Hier bietet Premiumschmuck großes Potenzial.

Für den Fachhandel, der nicht ganz auf die Uhr verzichten will, gibt es durchaus Chancen, nicht nur mit etwas günstigeren Marken. Wenn man auf Rolex, Patek und Audemars nicht mehr zählen kann, lässt sich diese Lücke durchaus auch mit Luxuriösem füllen, betont Thierry Huron: „Dieses Vakuum bietet Top-Einzelhändlern auch die Möglichkeit mit kleinen, unabhängigen High-End-Uhrenmarken zusammenzuarbeiten, wie H. Moser & Cie, Bovet, Greubel Forsey, Girard Perregaux, Ulysse Nardin, De Bethune, Jacob & Co, Ressence, Urwerk und so weiter“, betont der Geschäftsführer von The Mercury Project: Die Chancen stehen aktuell gut: „Alle diese Marken sind dabei, ihr Einzelhandelsnetz umzustrukturieren, und streben nach der Spitze des Einzelhandels.“

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