FAMILIENTRAGÖDIE (Teil 1). Die Genfer Luxus-Uhrenmanufaktur Patek Philippe dünnt ihr Ladennetz aus, setzt auf Boutiquen und geht den Weg wie beispielsweise die Luxusmarke Hermès. Die ist inzwischen bereits ganz vom Fachhandel abgerückt. 

Es traf den Juwelier wie ein Schlag:  Patek Philippe kündigt die Zusammenarbeit. Die Marke hatte seinem Betrieb jahrelang viel abverlangt. Da stand er nun auf diesem Münchner Event und offenbarte, dass die Luxusuhren der großen Genfer Uhrenmanufaktur in seinem Laden künftig keine Rolle mehr spielen. Der Grund: Patek Philippe dünnt das Ladennetz um 30 Prozent aus. Alteingesessene Familienbetriebe werden damit Opfer einer neuen Strategie, die im Sektor einer kleinen Retail-Revolution gleichkommt.

Eine der Intentionen dahinter angeblich: sogenannte Flipper – Leute, die die traditionell massiv limitierten Patek-Uhren kaufen, um sie mit mächtig Profit wieder zu veräußern. Neu kosten Patek Philippe-Uhren in der Regel bekanntlich jenseits der 20.000 Euro. Nach oben sind da kaum Grenzen gesetzt.

Was wurde aus der Maxime „Aus einer Familie für eine Familie“?

Die einst von der Familie Stern und deren Oberhaupt Thierry Stern, dem Präsidenten hinter der Luxusmarke, so hochgeachteten Familienbetriebe verlieren, so scheint es, für Genf nun an Relevanz. Vor allem Locations außerhalb von Metropolen sind es, deren Türen laut Stern nun schließen, während das Markenerlebnis in eigenen Welten verstärkt inszeniert wird. Heißt: Der Weg zu Uhren-Aficionados und -sammlern wird nun zunehmend über Salons und Boutiquen selbst beschritten. Eine Ausdünnung im Dienste der Exklusivität und ein echter Philosophie-Bruch, hat Patek Philippe doch neben stets eingeforderter Loyalität auch die Familienwerte ihrer Retailer immer besonders hochgehalten. Für Belieferung und Zuteilung wurden Familienbetriebe präferiert, die ihren Fortbestand über Generationen hinweg glaubhaft machen konnten.

Patek will aber nicht nur Substanzielles über familiäre Verhältnisse, kommende Generationen und deren hoffentlich elaborierte Ausbildungen und Qualifikationen wissen, sondern auch über Kunden und potenzielle Käufer. Im Zeitalter des Datenschutzes werden sie dazu angehalten, beim Juwelier ihres Vertrauens persönliche Daten preiszugeben, die in Folge den eigenen Salons und Boutiquen zugespielt werden. Dort, wo nicht nur die Margen für Patek Philippe attraktivere sind und die geschlossene Gesellschaft es nur mit dem „Ferrari“ zu tun bekommt und andere Marken nicht stören, sind diese natürlich hilfreich. Denn die Kasse klingelt, die Umsatzanstiege in den Boutiquen belegen es.

Frag nach bei Wempe! Die neue Patek Philippe-Boutique des renommierten Juweliers an der Hamburger Binnenalster ist ein Abenteuerland für die oberen Zehntausend. Wie sich die Verbindung Patek Philipp-Wempe entwickelt hätte, wenn letzterer sich der teuren Monobrandstore-Idee verschlossen hätte? Vor dem Hintergrund, dass Wempe bereits an mehreren Standorten Patek Philippe verloren hat, kann man es sich ausmalen. Tatsache ist: Nicht wenige Familienbetriebe, die Patek Philippe über Jahre Service und Expertise zur Verfügung gestellt haben, stehen nun ohne denjenigen da, der sie solvent gemacht hat. Die Angst der Übriggebliebenen: vom Giganten auch bald nicht mehr gebraucht zu werden!

Lesen Sie im zweiten Teil der Story:

Wie Patek Philippe in künftige Generationen investiert, wie es sich im Windschatten von Hermès und Rimowa lebt und welches Diktat Präsident Thierry Stern an seine Konzessionäre abgibt.