(Teil 2) Patek Philippe lässt viele Familienbetriebe fallen

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Von den neuen Modellen der Marke wird der Fachhandel immer weniger profitieren: Auf fast ein Drittel des Händlernetzes will Patek Philippe künftig verzichten.

FAMILIENTRAGÖDIE (Teil 2). Die Genfer Luxus-Uhrenmanufaktur Patek Philippe dünnt ihr Ladennetz aus, setzt auf Boutiquen und geht den Weg wie beispielsweise die Luxusmarke Hermès. Die ist inzwischen bereits ganz vom Fachhandel abgerückt. Hier geht es zum ersten Teil des Berichts.



Eine Patek Philippe als Investition in künftige Generationen

Was das 1839 gegründete Unternehmen Patek Philippe schon lange erkannt hat: Seine Kunden wollen es nicht nur nicht leicht, sondern sogar richtig schwer haben. Preisgabe von persönlichen Daten, Wartezeit und Wartelisten sowie Zuteilung befeuern anscheinend den Markt und dessen Begierden. Händler sind dazu angehalten, vor allem die „Hot Cookies“ nur an ihnen persönlich bekannte Kunden zu veräußern. Auch das von Patek Philippe gern kolportierte Romantik-Szenario, eine „Nautilus“ oder „‎Calatrava“ über Generationen weiterzugeben, lässt die Herzen vermögender Altvorderer höherschlagen, denen für die Highend-Zeitmessgeräte auch kein Weg zu weit ist. Wenn es in gesamt Mittelfranken jetzt keine Patek Philippe-Uhren gibt, geht die Reise eben nach München. Wobei der Genfer Luxushersteller längst nicht nur die Herren der Schöpfung in Ekstase versetzt: Mit der 1999 lancierten „Twenty~4“ hat auch die Damenwelt seit bald 25 Jahren eine distinguierte Begleiterin an der Hand. Wie man auf der Warteliste nach oben rutscht? Noch immer ein Mysterium. 

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Im Windschatten von Hermès und Rimowa

Dass ein Unternehmen dieser Größenordnung Vertriebswege verschlankt und optimiert, ist im Luxussegment nichts Neues – im Gegenteil. Weshalb die Ausdünnung auch dem Zeitgeist geschuldet sein könnte. Das für seine Luxusartikel weltweit bekannte französische Unternehmen Hermès hat es ja bereits vorgeturnt und einst ebenso sämtliche Multibrandstores gecancelt sowie den Ausbau des Boutiquen-Netzes in Metropolen wie München, Hamburg oder Berlin forciert. Eine Strategie, die den Weg für Luxusmarken vorgeben könnte und den Franzosen ökonomisch alles anderes als zum Nachteil gereichte: Die Hermès-Aktie fährt derzeit ein Alltime-High nach dem anderen ein. 

Analogien findet man aber auch beim Kofferhersteller Rimowa. Die Anforderungen des Kölner Unternehmens an dessen Fachhändler waren einst ebenso harte, ehe man vorwiegend in Monobrandstores, Pop-up-Stores und Flagship-Stores investierte. Rimowa ließ Ende 2015 den französischen Luxusgüterkonzern LVMH Moët Hennessy – Louis Vuitton 80 Prozent der Firmenanteile übernehmen. Der krempelte umgehend alles um. Zahlreiche deutsche Rimowa-Händler durften nach einer radikalen Zäsur in der Vertriebsstrategie und einer damit einhergehenden Generalkündigung die Luxuskoffer nicht mehr veräußern. Zwar konnten sich die Händler gnädigerweise wieder um den Vertrieb bewerben, doch die neuen Auflagen – unter anderem ein Mindesteinkaufswert von 200.000 Euro pro Jahr –  waren für viele nicht mehr zu stemmen. Für die Branche damals ein echter Schock, machten doch nicht wenige Händler bis zu 50 Prozent ihres Umsatzes mit Rimowa. Ist es auszuschließen, dass Thierry Stern die Braut schmückt und plant, das vor über 180 Jahren gegründete Familienunternehmen zu verkaufen? Auch darüber wird in der Branche bereits gemunkelt.

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Patek Philippe im Schaufenster sind eine Auszeichnung für jeden Juwelier. In Zukunft werden viele alteingesessene Juweliere darauf verzichten müssen.

Patek Philippe — die erste Marke, die den Fachhandel nicht mehr braucht

Ganz sicher lässt sich von den Beispielen Hermès, Rimowa und eben Patek Philippe ableiten, dass Juweliere für austauschbar gehalten werden. Dass nicht nur sie zum Erfolg einer Marke beitragen. Und dass Liaisonen mit kongenialen Partnern heute rascher denn je ein Ende finden können. Der Trend geht in Richtung einer Verzahnung von eigenen Online-Bereich mit den Boutiquen. Vielleicht läuft ja dem Juwelier die Zeit für Uhren gerade davon. Die ungleich sicherere Zukunft offeriert der Schmuck. Daran, dass Kunden im Stationären das Abenteuer suchen und sich und ihre Preziosen im Spiegel sehen wollen, wird sich so schnell ganz sicher nichts ändern. 

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Edel und lieber alleine: Patek Philippe hat harte Anforderungen an seine Konzessionäre und hat als Unternehmen die Freiheit, sich gegen sie zu entscheiden.

Zum Diktat von Patek Philippe

Patek Philippe stellt gewaltige Ansprüche an seine Retailer, die in der Regel Familienbetriebe sein müssen. Konzessionäre haben zudem einen offiziellen Nachfolger namhaft zu machen, der Geschäft und Marke vollumfänglich weiterführt. Darüber hinaus muss jeder Fachhändler eine Person als eine Art Patek Philippe-Markenpaten abstellen, die sich im Rahmen von Schulungen breites Wissen, das später auch in Genf abgeprüft wird, aneignen muss. Ein Mitarbeiter des Ladens soll zudem auch immer Uhrmacher sein. Im Auftrag von Patek Philippe gilt es für den Händler weiters, von Kunden und Interessierten persönliche Daten (Beruf, Kontaktdaten etc.) einzuholen sowie Befragungen durchzuführen. Darüber hinaus forderte Patek Philippe in den letzten Jahren zunehmend mehr exklusiven Platz für die Marke in den Geschäften der Konzessionäre („Markencorner“).

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Von Genf aus werden den Händlern die Anforderungen diktiert.

Thierry Stern

Schon als Kind haben den 1970 geborenen Thierry Stern die Taschenuhren seines Vaters und Vorgängers Philippe Stern fasziniert. Der Sohn besuchte eine Wirtschaftsakademie sowie die Genfer Uhrmacherschule und absolvierte auch ein Praktikum bei Wempe in Frankfurt. Im Jahr 2009 folgte er seinem Vater als Präsident des Unternehmens nach. Ein essenzieller Parameter im Unternehmen ist für den 53-jährigen „Nahbarkeit“, weshalb die Tür zu seinem Büro in der Regel offensteht – buchstäblich.

Stern gilt als unprätentiöser „Präsident zum Anfassen“. Botschaft und Claim seiner Manufaktur: „Eine Patek Philippe gehört dir nie ganz alleine – sie ist eine Investition in künftige Generationen.“ Auch Thierry Stern hat seine erste Armbanduhr, eine stählerne „Nautilus“, im Alter von 20 Jahren von seinem Vater bekommen. „Wie es bei unserer Familie einfach Tradition ist“, meinte er einmal.


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Thierry Stern gilt als Präsident zum Anfassen.
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