Wegfall und Neuorientierung. Die Frage stellt sich: Ist ein Standortwechsel der neue Weg zum Erfolg? Juweliere wie Wempe oder Bucherer scheinen dieser Meinung zu sein. © BPJ
DAS DILEMMA UM NÜRNBERG: IST DIE STADT NOCH ZU RETTEN? Bürokratie und veränderte Wirtschaftsbedingungen führen zur Schließung familiengeführter Juweliere. 2025 sind es Paul und Amano, die sich einreihen. Bucherer und Wempe allerdings brillieren mit Standortwechsel. Welche Chancen hat der kleine(re) Fachhändler in Nürnberg noch und ist die Tendenz zu großen Filialisten ein genereller Trend? Blickpunkt·Juwelier hat den Wirtschaftsstandort Nürnberg unter genauer die Lupe genommen. Fazit: Es gibt Möglichkeiten!
Es ist noch nicht allzu lange her, da verband der Deutsche mit der Stadt Nürnberg Eleganz, Kreativität und Innovation. Es war ein pulsierendes Zentrum des Handels. Heute allerdings werden Attribute wie Verwahrlosung, Leere und Innenstadtsterben lauter und lauter. Vor allem für Luxus-Branchen gestaltet sich der Standort zunehmend unattraktiver. Während große Marken wie Louis Vitton, Hermès oder auch Cartier abgewandert sind, entscheiden sich familiengeführte Juweliere immer öfter zur gänzlichen Schließung ihrer Geschäftslokale. Filialisten wie Bucherer und Wempe hingegen sind weiterhin von Nürnberg überzeugt, sehen einen Standortwechsel aber als Notwendigkeit an, um sich weiterhin für Kunden interessant zu machen. Einzig und allein Galerie Voigt als eigentümergeführtes Unternehmen sticht mit weiterhin großem Erfolg deutlich hervor. Allerdings mit einem anderen bis hin zu einzigartigen Konzept. Denn sie kombiniert exquisite Schmuckstücke mit Kunstwerken. Ein Trend, der möglicherweise zukunftsweisend für die Uhren- und Schmuckbranche werden könnte? Blickpunkt·Juwelier hat Nürnberg näher unter die Lupe genommen, mit der Branche gesprochen und dabei festgestellt: Nürnberg hat als Marktplatz eine Wandlung durchzogen, die bereits vor einigen Jahren gestartet hat. Wer diese bislang nicht wahrgenommen oder gar verpasst hat, für den bestehen allerdings auch weiterhin (Veränderungs-)Chancen, selbst als kleiner(er) Juwelier. Anpassung und Neuausrichtung sollten ab 2025 jedoch im Fokus stehen, um die Stellung am Markt nicht zu verlieren und Kunden wieder besser von den Vorteilen der Stadt zu überzeugen.
Abwanderung: Wallner stieß Abwärtstrend an
2002 startete die neue Zeitrechnung in Nürnberg. Juwelier Wallner, einst einer der bekanntesten Juwelierläden in Deutschland, wurde von Bucherer übernommen, da die bekannte Persönlichkeit Fredy Wallner in wirtschaftliche Schwierigkeiten gekommen war. Zu dieser Zeit war Nürnberg noch die zweitwichtigste Einkaufsmetropole in Bayern. Große Marken tummelten sich auf der Kaiserstraße, Nürnbergs Luxusmeile. 2016, also vor genau neun Jahren, entschied sich Louis Vuitton jedoch dazu, als erste Luxus-Marke die fränkische Hauptstadt zu verlassen und löste damit eine Kettenreaktion aus. Marken wie Hermès und Cartier folgten. Der Standort München wurde als neuer Mittelpunkt in Franken auserwählt. Damit entfernte sich das Luxussegment immer mehr aus Nürnberg. Familiengeführte Juweliere wie Schott und Vogel folgten.
Damit hat Nürnberg im Vergleich zu früher deutlich an Glamour verloren. Obwohl eine Einwohnerzahl von über 500.000 und ein Bruttoinlandsprodukt von 34,7 Milliarden Euro (Stand 2022, Quelle: Statistika.com) auf einen anderen Schulterschluss hindeuten sollten, ist der Kaufwille der Nürnberger deutlich im Abwärtstrend. Wohlhabende Bürger haben sich dem Standortwechsel großer Marken angeschlossen und zeigen sich lieber in München oder Kitzbühel, wo sie sich mehr unter Gleichgesinnten fühlen. Denn Nürnberg hat auch noch mit anderen, ähnlichen Herausforderungen wie andere Städte zu kämpfen, etwa in Bezug auf Migration. Und so hat der Wegfall von Luxusanbietern die Stadt schlicht und unauffällig werden lassen. Der Dresscode auf den Straßen, vor einigen Jahren noch exquisit und schick, ist homogener geworden. Das einstige Flair, Mode und schönen Schmuck auch zur Schau zu stellen, kaum noch vorhanden. 2025 werden Nürnbergs Luxussegment weitere Größen abhanden kommen. Juwelier Paul und Amano Jewels etwa befinden sich derzeit in Räumungsverkäufen. Auch sie werden gänzlich von der Bildfläche verschwinden. Lieferanten bedauern diese Entscheidung, denn Juwelier Paul ist/war deutschlandweit bekannt und hat in seinen besten Zeiten Marken wie Bunz, Niessing, Schaffrath oder Gellner sehr gut bedient.
Die Gründe für beide Schließungen sind mannigfaltig. Nicht nur das fehlende Marken- und Laden-Umfeld sind dem geschuldet. Auch die große Ungewissheit in Bezug auf die künftige Entwicklung der Stadt, vor allem die Innenstadt und die damit einhergehende Frage künftiger Laden-Mieter, sind ausschlaggebend. Ein Juwelier-Kollege aus Nürnberg, der an dieser Stelle nicht genannt werden möchte, weiß: „Viele unserer Kollegen haben das Interesse an ihrer Arbeit verloren, da die zunehmende Bürokratisierung und die strengen Kontrollen durch die Finanzämter – selbst bei Bargeschäften – zu ständigen Vorwürfen einer mangelhaften Kassenführung führen. Die Rahmenbedingungen sind herausfordernd, und es ist nicht mehr so einfach, mit der fortschreitenden Digitalisierung Schritt zu halten. Heutzutage ist es unerlässlich, Multichannel-Strategien zu beherrschen: Du musst sowohl vor Ort präsent sein, um Kunden herzlich zu empfangen und ein Gefühl von Gastfreundschaft auszustrahlen, als auch aktiv in sozialen Medien und auf der eigenen Website kommunizieren, um den Kontakt zu Kunden aufrechtzuerhalten.“ Auch wird erkennbar: der Start in der Uhren- und Schmuckbranche ist kein einfacher mehr. „Es dauert mindestens ein bis zwei Generationen, um ein gewisses Vermögen aufzubauen, um sich einen Ruf zu erarbeiten und besonders einen namhaften Kundenstamm aufzubauen, der das Führen großer Marken möglich und wirtschaftlich rentabel macht. Deshalb sind mittlerweile viele andere Sparten wesentlich interessanter für selbständig geführte Unternehmen geworden.“ Doch neben all den negativen Kommentaren sieht der Nürnberger-Juwelier auch einen kleinen Aufwärtstrend. „Die Politik hat erkannt, dass die Stadt als Wirtschaftsstandort wieder interessanter gestaltet werden muss. Vor allem die Innenstadt benötigt eine Neubelebung. Das nehmen einige jetzt in Angriff. Und auch wenn dies möglicherweise erst in ein paar Jahren greifen wird, der Kaufwille Nürnbergs für das Luxussegment wird wieder zurückkommen!“
2016 war ein Schicksalsjahr für die Stadt Nürnberg Louis Vuitton verließ Nürnberg, löste damit eine Kettenreaktion aus.
Zukunft der Juweliere: Alte Muster haben ausgedient
Die Mannigfaltigkeit der Ansprüche, die mittlerweile an Juweliere gestellt werden, führt bei vielen zur Überforderung. Zu umfangreich sind die neuen To-dos. Unternehmensberater wie Alexander Schmidt von Juwelier Zukunft ist sich dessen bewusst. „Es ist ein genereller Wandel im gesamten Handel wahrzunehmen. Das ist deutlich erkennbar. Was ich besonders feststelle: Alte Muster haben deutlich ausgedient.“ Dennoch, Schmidt´s Ansicht nach funktioniert der Handel auch heute noch. Doch es bedarf einer Anpassung und neuer Strukturierungen.
Machen Größen wie Bucherer und Wempe es vor und läuten in der Branche einen neuen Trend ein? Die beiden Kapazunder setzen auf Angriff: Ein Standortwechsel wird offenbar als Schlüssel zur Zukunft betrachtet, um Luxusmarken erfolgreich zu positionieren. Der Anspruch der Marken ist klar, und dem wird Rechnung getragen. Eine gemeinsame Erfahrung der beiden Unternehmen ist der Verlust der Uhrenmarke Patek Philippe, die sich in dieser Region vermehrt auf ihre Monobrandstores fokussiert. Bucherer hat mit der Standortverlegung gestartet und zog vom Hefnersplatz in die Kaiserstraße 12. Und Wempe? Inmitten großer Herausforderungen am Wirtschaftsstandort Nürnberg hat das traditionsreiche Juwelierhaus entschieden, den Standort in der Königsstraße aufzulassen und einen neuen Laden am Ludwigsplatz 15 zu eröffnen – an jener Stelle, an der sich einst der zur Münchner Hirmer Gruppe gehörende Herrenmodefilialist Eckerle befand.
Mit diesem Schritt, der Standortverlegung innerhalb Nürnbergs, beweisen Bucherer und Wempe, dass sie an die Zukunft der Stadt glauben und Kunden weiterhin hochwertige Angebote im Luxussegment bieten möchten. „Nürnberg ist eine Stadt mit großem Potenzial“, so Wempe. „Wir möchten unseren Kunden hier ein Erlebnis bieten, das sowohl lokal verankert ist als auch internationale Standards erfüllt.“
Und was wird aus dem früheren Nürnberger Wempe-Standort in der Königsstraße? In der Branche kursiert das Gerücht, dass nun Juwelier Rüschenbeck als potenzieller Nachfolger ins Spiel kommt. Schließlich erfordert der Juweliersmarkt kostspielige Investitionen, und Rüschenbeck strebt nicht nur nach mehr Standorten – nächste Neueröffnung in Leipzig – sondern hat sich auch als aktiver Mitspieler von Bucherer und Wempe etabliert. Es ist in Städten wie Münster, Frankfurt und Düsseldorf nicht mehr wegzudenken und könnte auch in Nürnberg erfolgreich sein, wenn das richtige Mixkonzept für die hohen Mieten gefunden wird. Doch wie gesagt, all dies ist momentan (nur) ein Gerücht. Kein Gerücht ist allerdings, dass sich zu Bucherer und Wempe Günstiganbieter wie Christ und NRW-Experte Kraemer dazu gesellten. Auch sie wollen sich die Anwesenheit in der Frankenmetropole nicht entgehen lassen. Dies verdeutlicht einmal mehr, wie stark die Mittelschicht als Käufergruppe zurücktritt. Christ und Kraemer bieten mit ihren eigenen Strategien ein Sortiment an, das nicht unbedingt „juwelierslike“ ist, aber eine breite(re) Masse anspricht. Im Gespräch mit Blickpunkt·Juwelier erörtern auch Lieferanten ihre Sichtweisen auf diese Veränderungen. Es wird deutlich, dass die Entwicklungen am Beispiel Nürnbergs nur ein Beispiel von vielen Großstädten sind. Einen realen Fachhändler mit traditionellem Ladenlokal zu finden wird zunehmend schwieriger. Verbände oder Kombinationen (Galerie Voigt kombiniert Schmuck mit Kunst) finden immer mehr Einzug in die Traditionsbranche. Endkunden werden mit gebotenem Mehrwert „eingefangen“. Wie das geht? In Nürnberg macht dies Galerie Voigt vor. Geführt von Eva und Björn Grossmann schafft das Nürnberger Unternehmen eine einzigartige Symbiose aus Kunst und Schmuck. Dieses besondere Konzept hat zahlreiche Marken überzeugt und zeigt eindrucksvoll, dass es funktionieren kann. Ursprünglich 1972 als Galerie für zeitgenössische Kunst gegründet, zählt Voigt heute zu den renommiertesten Schmuckgeschäften im deutschsprachigen Raum. Die Leidenschaft für Kunst und hochwertigen Schmuck ist seit Jahrzehnten Teil der DNA des Unternehmens. Mit über 60 verschiedenen Schmuckdesignern und Goldschmieden, darunter internationale Preisträger, sowie einem sorgfältig kuratierten Portfolio an Marken wie Pomellato und Tamara Comolli zeigt Voigt, wie Kunst und Schmuck in perfekter Harmonie zusammenfinden können.
Das Talent und die innovative Herangehensweise der Unternehmer spiegeln sich in der hohen Einkommenskraft und den Möglichkeiten der Region wider. Verbleiben noch fünf bis acht Nürnberger Juweliere mit dem üblichen Multibrand-Mittelklasse-Konzept – womit sich die Frage stellt, weshalb diese weiteren Anbieter auf stets gleiche Ausrichtungen konzipiert sind. Das Beispiel Junghans verdeutlicht (die Marke wird unter anderem von Wempe (Luxus) und sechs weiteren Fachhändlern angeboten), dass eine Vielzahl von Anbietern mit ähnlicher Ausrichtung dem Preis schadet und für Konsumenten wenig spannend ist. Blickpunkt·Juwelier weist in dem Zusammenhang bereits seit Jahren auf die Notwendigkeit einer differenzierten Positionierung hin. Und Galerie Voigt beweist, dass eine besondere, differenziertere Ausrichtung und ein einzigartiger Mix zum Erfolg führen können.
Weichen für die Zukunft richtig ausrichten
Worauf sollten Juweliere in Nürnberg nun setzen, um sich richtig in Szene zu setzen? Wenn es nach Alexander Schmidt geht, ist die richtige Positionierung das Um und Auf. „Ein erfolgreicher Juwelier benötigt nicht 30 oder gar 70 Lieferanten, sondern sollte sich auf eine handvoll ausgewählter Partner konzentrieren, um eine tiefere Sortimentstiefe und damit eine höhere Kundenbindung zu erreichen.“ Viele Juweliere würden feststellen, dass nur eine kleine Anzahl an Lieferanten tatsächlich lohnende Umsatzgrößen erzielen, während die restlichen kaum zur Rentabilität beitragen. Sein Konzept mit „Juwelier Zukunft“ bietet eine Plattform, die auf den Prinzipien von Einkaufsverbünden basiert, jedoch flexibler und individueller agiert. Ziel ist es, Umsätze durch höhere durchschnittliche Bons zu steigern, die Marge durch White-Label- und Hybrid-Lösungen zu erhöhen und so den Umsatz langfristig zu verdoppeln. Um dies zu erreichen benötigen Juweliere eine fünfjährige Bindung an ihre Lieferanten sowie an „Juwelier Zukunft“, um eine stabile Basis für gemeinsame Erfolge zu schaffen. Wesentliche Schritte umfassen einen kompletten Neuauftritt des Juweliers, Marketingkampagnen, Schulungen für Mitarbeiter und den Ausverkauf des alten Warenlagers, gefolgt von einem frischen Neustart. Die Anforderungen an Partner sind klar: finanzielle Beteiligungen, regelmäßige Boni und eine kontinuierliche Sortimentspflege sind unerlässlich. Letztlich ist Engagement von allen Seiten gefragt. Nur durch Vertrauen und enge Zusammenarbeit können Juweliere ihre gesteckten Ziele erreichen. Die Uhren- und Schmuckbranche Nürnbergs steht vor erheblichen Herausforderungen, die durch den Verlust namhafter Luxusmarken, zunehmender Bürokratie und den Druck der Digitalisierung geprägt sind. Doch es ist nicht aller Tage Abend. Durch Neuausrichtungen im Sortiment, Standortwechsel zu frequentierteren Geschäftslokalen sowie tieferer Auseinandersetzung mit den neuen Gegebenheiten Nürnbergs und der dortigen Kundenlandschaft steht einem positiven Ausblick auf die nächsten Jahre nichts im Wege.