Braucht der Juwelier eine Fachhandels-Kollektion? (Teil 1)

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Classic Tourbillon Manufacture © Frederique Constant

Er ist der Experte in Sachen Schmuck und Uhren. Er weiß, was seine Kunden wollen. Er ist mittendrin im Geschehen: Der Juwelier ist so viel mehr, als eine reine Verkaufsstelle für Uhren und Schmuck. Im Dschungel der vielen Marken ist er es, der differenziert und weiß, was er anbieten soll. Braucht dieser Experte also eine eigene Kollektion, die es nur bei ihm gibt? Oder ist die Selektion des Juweliers genug? Eines ist klar: Mehrere Wege führen zum Erfolg.



Online only! First come, first serve! Limited Edition! Special Collection! Diese und viele ähnliche Phrasen sind es, die in den Ohren vieler Konsumenten eines hervorrufen: ein Must-Have-Gefühl! Denn wer möchte nicht etwas Einzigartiges, Exklusives, Spezielles sein Eigen nennen? (Künstliche) Verknappung schafft Begehrlichkeit. Und Begehrlichkeit muss geweckt werden – nämlich vom Händler bei seinen Kunden. Wie aber kann der Händler diese Begehrlichkeit transportieren? Ein schönes, ansprechendes Schaufenster sollte zum kleinen 1×1 des Handels längst dazu gehören. Außerdem aktives Verkaufen, kompetente Beratung und eine geeignete Auswahl. Und dann gibt es da noch das Auswahlkriterium „Marke“. Denn nicht jede Marke engagiert sich aktiv im Fachhandel, möchte den Einzelhandel als Partner beteiligen und sieht darin die sprichwörtlich „letzte Meile“ des Verkaufens. Immer mehr Marken – vor allem bei den Uhren – setzen auf eigene Stores, Boutiquen, Monobrand-Geschäfte und machen so diese angesprochene „letzte Meile“ selbst – ohne den stationären Handel vor Ort.

Und dann gibt es die andere Seite der Medaille: Jene Marken, die sich gemeinsam mit dem Fachhandel dazu entscheiden, zu wachsen, die dem Händler vor Ort alles mit an die Hand geben, um erfolgreich zu sein, jene Marken, die bei uns unter „Fachhandelsmarken“ geführt werden. Genau jene Marken sind es, mit denen der Handel erfolgreich zusammenarbeiten kann, die ein Geben und Nehmen genau so verstehen und bei denen Partnerschaft im besten Sinne des Wortes gelebt wird. Dabei gehen die verschiedenen Marken freilich unterschiedliche Wege, wie es gemeinsam mit dem Händler nach oben geht. Ob der eine Weg besser als der andere ist, muss jeder Juwelier selbst für sich entscheiden. Faktum ist: Gemeinsam geht vieles leichter!

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Baume & Mercier: Das Traditionshaus setzt mit der Riviera-Kollektion ein Statement. Die Ikonen der Marke sind wichtige Verkaufsikonen für den Fachhandel.

WEG NUMMER 1: DIE EXKLUSIVE FACHHANDELSKOLLEKTION 

Was bedeutet das? Bei „Blickpunkt Juwelier“ heißt das, dass der Juwelier der einzige ist, bei dem das Produkt erhältlich ist. Noch nicht mal der eigene Online-Kanal der Marke verkauft dieses Produkt – es ist wirklich ausschließlich über den Fachhandel zu beziehen. In der Praxis sieht das oft so aus, dass die Uhren zwar auf der Homepage der Marke angepriesen und beworben werden, bei Kaufinteresse wird der Konsument aber an den nächstgelegenen Händler verwiesen.

So funktioniert das zum Beispiel sowohl bei Garmin – mittlerweile bereits mit mehreren Referenzen – als auch bei Frederique Constant oder Alpina. Auch bei Rolf Cremer ist etwa eine eigene Fachhandelskollektion für nächstes Jahr in Planung.

„Wir werden den eingeschlagenen Weg weiter verfolgen und auch in Zukunft spezielle Modelle ausschließlich über den Fachhandel anbieten. Das Konzept ist aufgegangen und wir erhalten durch- wegs positives Feedback dazu“, sagt etwa Simon Schön, Key Account Manager bei Garmin zu diesem Thema. 

Auch bei Frederique Constant gibt es immer wieder limitierte Modelle, Serien oder Kollektionen, die nur für gewisse Verkaufskanäle (stationärer Handel) oder für bestimmte Märkte verfügbar sind. „Wir haben immer wieder spezielle Modelle, die mit positivem Feedback und gutem Erfolg für die Fachhandelspartner ausschließlich dort distribuiert werden“, berichtet Managing Director Markus Rettig. Und doch ist es seiner Meinung nach nicht unbedingt notwendig, dem Fachhandel eine eigene Kollektion an die Hand zu geben, um ihn als Experten zu titulieren, denn: „Ein Experte zeichnet sich wohl dadurch aus, dass er seine Marken optimal führt, präsentiert und mit ihnen aktiv arbeitet, dass er Topseller bevorratet und ein gut geschultes Personal hat, das den Konsumenten bestens beraten kann“, ist er sich sicher. Die Fachhandelskollektion alleine ist es also nicht, die den Erfolg einer Marke oder eines Juweliers ausmacht. 

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Citizen: Mit der Kollektion Citizen-Me taucht die Marke in neue Farbwelten ein und gibt dem Fachhandel ein Tool zur Auswahl an die Hand.

WEG NUMMER 2: DER AUSGEWÄHLTE FACHHANDELSPARTNER

Weg Nummer 2 holt den aktiven Fachhändler aufs Tapet und gibt ihm mit den Kollektionen einer Marke quasi alles an die Hand, was er haben muss. So zum Beispiel bei Baume & Mercier oder aktuell eben noch bei Rolf Cremer. Denn auch Heike Heermann, Geschäftsführerin von Rolf Cremer sieht keine zwingende Notwendigkeit einer Fachhandelskollektion, denn sie sagt: „Wichtig ist grundsätzlich, dass der Händler hinter der Marke stehe und diese zielführend und mit Herzblut präsentiert und verkauft.“ Ganz ähnlich formuliert es Carsten Meyer von Baume & Mercier und fügt noch hinzu: „Das Fachpersonal unserer Juweliere transportiert Wissen, Leidenschaft und Serviceorientierung.“

Und auch Vincent Brun von Seiko, bei denen es zwar exklusive Modelle für ausgewählte Händler gibt, meint: „Es braucht nicht unbedingt eine Fachhandelskollektion, um sich als Experte zu profilieren. In erster Linie benötigt der Fachhandel großes Wissen zu den einzelnen Produkten und ihrer Geschichte, um sich als Experte zu profilieren. Mit exklusiven Modellen kann er dann noch zusätzlich trumpfen und sich von anderen Händlern abheben.

Es zeigt sich also, dass die Fachhandelskollektion alleine noch nicht der Königsweg des Erfolgs ist. Und es gibt noch einen dritten Weg.

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Garmin: Für die exklusive Garmin MarQ-Kollektion, die es nur beim Juwelier gibt, steht Fußball-Profi Bastian Schweinsteiger als Testimonial vor der Kamera.

WEG NUMMER 3: JUWELIER KNOWS BEST

Diese Strategie ist der Mix aus den vorigen beiden Wegen. Denn hier sucht der Juwelier sich seine „persönlichen“ Modelle aus einer Kernkollektion aus. Es gibt Marken, die für ein Land oder einen Zeitraum eine Kollektion vorgeben und der Juwelier ist es schließlich, der sich seine persönliche Kollektion zusammenstellt, die er in seinem Geschäft präsentiert. Dadurch kann sich der Händler einerseits auf die Erfahrung einer Marke verlassen, die mittels Zahlen, Daten und Fakten untermauern kann, welche Modelle nachgefragt werden, andererseits kann er sich aber auf sein Bauchgefühl, seine Menschenkenntnis und seine Erfahrung verlassen, welche Modelle in seinem Geschäft funktionieren werden. Und das Gute an fachhandelstreuen Marken: Es wird immer ein Weg gefunden, wenn das Bauchgefühl doch getäuscht oder der erwartete Erfolg doch ausgeblieben ist. Denn eine Partnerschaft besteht – auch im Uhrenbusiness – aus Geben und Nehmen. 

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Blickpunkt Juwelier präsentiert die Kriterien für die Auszeichnung als Uhrenfachhandelsmarke.

1, 2 ODER 3?

Egal, ob exklusive Fachhandelskollektion, Traditions-Versprechen oder ein Newcomer-Label: Wichtig ist vor allem die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Lieferant und Händler auf allen Ebenen. Denn, was nützt es dem Juwelier, wenn er Uhrenmodelle zwar exklusiv bekäme, das große Ganze aber nicht passt? So sprechen Händler und Marken unisono davon, dass die partnerschaftliche Begegnung auf Augenhöhe, Handschlagqualität und Treue das A und O einer erfolgreichen Geschäftsbeziehung sind und für die besten Umsätze sorgen – auf beiden Seiten.

Den zweiten Teil der Story können hier oder in der Blickpunkt Juwelier-Zeitung nachlesen.


Weiterlesen_BPJ_09_2023
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