Innenstadt von Wien: Für Roland Kaulfuß spielt ein gesundes Umfeld aus Geschäften eine große Rolle für den Erfolg des Juweliers. Kauflaune entsteht durch Vielfalt. © Shutterstock
Die Kraemer Juweliergruppe betreut mit Juwelier Kraemer und Pletzsch verschiedene Preissegmente. Roland Kaulfuß gibt Einblicke in das Konsumverhalten.
Der Geschäftsführer der Kraemer Juweliergruppe aus Köln ist grundsätzlich positiv gestimmt. Im Gespräch mit Blickpunkt Juwelier macht er aber auch deutlich, dass beim Einkauf das Umfeld eine große Rolle spielt.
Lesen Sie zu unserem Themen-Special Inflation auch den Hauptartikel, das Interview mit Juwelier Willer aus Hamburg sowie das Interview mit Juwelier Steinbreder aus Melle.
BLICKPUNKT JUWELIER: Herr Kaulfuß, wie erleben Sie derzeit das Konsumverhalten Ihrer Kunden?
ROLAND KAULFUß: Die Frequenzen sind immer noch nicht auf dem Niveau, das wir vor Corona hatten. Es gab auch eine kurze Schockstarre unmittelbar nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine. Allerdings spürt man jetzt, nachdem die Coronabeschränkungen weitestgehend weggefallen sind, deutlich, dass die Besucherzahlen in den Städten und Einkaufszentren zugenommen haben.
Damit sehen wir auch – und das wird auch so bestätigt – dass der Online-Bereich etwas stagniert. Für mich ist das ein sehr positives Fazit, denn es bestätigt: Die Menschen wollen wieder raus. Sie wollen in die Städte, sie wollen shoppen gehen und brauchen das Umfeld anderer Geschäfte. Insofern ist für uns wichtig nicht nur wie es uns geht, sondern wie es unserem Umfeld geht. Davon hängt unser Erfolg maßgeblich ab.
Natürlich beobachten wir, dass die Kunden aufgrund der allgemeinen Inflation und der Stimmungslage rund um die Energiekosten etwas bewusster und nachhaltiger konsumieren. Der Fashionbereich tut sich insgesamt etwas schwerer – das ist aber auch nicht unsere ganz große Stärke.
Die klassischen Schmuckbereiche wie Gold, Diamant, Trauringe sind definitiv gefragt und das auch insbesondere in höheren Preislagen.
Dass das Segment „Luxus“ im Moment so gut funktioniert, ist für mich ein Indiz dafür, dass das Konsumverhalten mit der Inflationsangst zusammenhängt. Wenn die Kunden Angst haben, dass der Euro weniger wert ist, investieren sie in Sachwerte. Wir machen unser Geschäft heute mit weniger Kunden, aber mit höherem Bon.
BJ: Welche Rolle spielt bei Ihnen die Hochwertigkeit beim Thema Schmuck?
KAULFUß: Wir spüren, dass das Diamantsegment in den Fokus gerückt ist. Größere Steine sind stärker gefragt und das Thema Inflationsangst ist auch hier präsent. Wir haben dieses Jahr so viele Einkaräter verkauft wie noch nie. Das gilt für Kraemer, aber auch für Pletzsch.
Daran merkt man: Wenn die Kunden investieren, dann gerne auch in zeitlose Optik und nicht unbedingt in das neueste modische Design. Die Kunden wollen schicke Ware, die sie lange tragen können und die nicht zuletzt eine gewisse Werthaltigkeit mit sich bringt. Das sehen wir auch bei Goldketten. Gold insgesamt und vor allen Dingen Gelbgold ist auch ein stärkeres Thema geworden.
BJ: Wie geht die Kraemer Gruppe mit dem Thema Inflation und den steigenden Materialpreisen um?
KAULFUß: Das ist eine enorme Herausforderung für uns alle, denn die Inflation erleben wir in vielerlei Hinsicht zum Teil sogar doppelt. Wir haben auf der einen Seite gestiegene Energiekosten und generelle gestiegene Kosten, ob das nun Papier ist, Verpackung oder ähnliches.
Dadurch steigen auch die Indexwerte, die für die Wertsicherungsklausel bei den Mietverträgen relevant sind. Somit steigen auch die Mieten – zumindest dort, wo man Mietverträge mit dieser Klausel hat und die gibt es in der Regel generell.
Durch die gestiegenen Kosten, die wir überall hinnehmen müssen – sei es bei den Mieten, Rohstoffkosten, Lohnkosten oder Fertigungskosten, die Lieferanten an uns weitergeben – kommen wir nicht umhin, Preisanpassungen vorzunehmen. Das machen wir sehr gezielt und sachbezogen.
Eine Herausforderung dabei ist, auf die Preislagen im Einstiegsbereich sicherzustellen. Es gibt immer psychologische Preisschwellen in Anfangspreislagen, bei denen man darauf achten muss, auch ich Zukunft noch etwas anbieten zu können – natürlich immer mit der Chance, höher zu gehen. Hier müssen wir uns die Frage stellen: Passt die Legierung an der Stelle? Können wir, ohne auf Qualität zu verzichten, trotzdem am Gewicht des Produktes noch etwas machen? Kann man mit anderen Steinen arbeiten? Dieses Thema begleitet uns seit Jahren. Aber wir stecken nicht den Kopf in den Sand, sondern blicken zuversichtlich in die Zukunft.
BJ: Welches Angebot planen Sie für ein erfolgreiches zweites Halbjahr?
KAULFUß: Bei uns ist das Thema Sortiment kein statisches Thema. Es unterliegt permanenten Prüfungen und Anpassungen. Meine Grunddevise bei der Sortimentsauswahl lautet: Stärken stärken. Wir versuchen nicht, das Glück neu in der Nische zu finden.
Wir haben in den letzten Jahren unseren Sortimentsanteil in Gelbgold deutlich ausgebaut. Wir wissen, dass Weißgold rückläufig ist – nicht zuletzt aufgrund der gestiegenen Rhodiumpreise – und Diamanten spielen weiterhin eine große Rolle.
Die Kraemer-Gruppe verfolgt zwei Geschäftsmodelle: Mit Juwelier Kraemer bedienen wir ein Angebot im anfangs- bis mittleren Preissegment. Mit Juwelier Pletzsch vertreten wir das mittlere bis gehobene Preissegment. Somit haben wir zwei Standbeine, auf denen wir uns gut bewegen und damit besser stehen, als wenn wir nur eines hätten. Unsere Erfahrung stärkt uns in dieser Überzeugung.
Auch wenn wir emotional alle das Gefühl haben, etwas sparen zu müssen, dürfen wir nicht vergessen: Es ist grundsätzlich ja Geld da. Unsere Kunden müssen nur einen Anlass haben und in der richtigen Stimmung sein, etwas kaufen zu wollen.
Dazu braucht es auch unsere Mitarbeiter, die diese Bedürfnisse bei den Kunden wecken und eine Stimmung schaffen, in der der Kunde sich wohl fühlt und Spaß daran hat, zu konsumieren. Dann ist er auch bereit, Geld auszugeben.
Aber: Das Umfeld muss stimmen! Wegen uns allein kommt keiner in die Stadt oder in ein Einkaufscenter, wir brauchen funktionierende Textilanbieter, wir brauchen die Geschäfte für Schuhe und Accessoires, wie brauchen die Gastronomie – die gesamte Vielfalt. Deshalb ist mir wichtiger, dass wir alle draußen wieder Geschäfte machen, attraktive Angebote haben und dass wir als Händler Freude daran haben, diese Angebote bereit zu stellen.